Stammzellforschung: Weniger Nebel am Zell-Jungbrunnen
Können alle oder nur wenige reife Körperzellen in pluripotente Alleskönner verwandelt werden? Viel Arbeit wartet auf Stammzellforscher - wahrscheinlich aber lohnt der Einsatz.
Zu gut war, um wahr zu sein? Vor wenigen Jahren hieß es auf einmal, man könne eigentlich jede Zelle des Körpers – ob Muskelfaser, Blutkörperchen oder Nerv, ganz egal – im Prinzip in einen Urzustand zurückversetzen, in der ihr wieder fast alle Möglichkeiten offenstehen: in eine "induzierte pluripotente Stammzelle" (iPS).
Eine "ethische" Stammzelle zudem, denn menschliche Embryonen werden als Stammzelllieferanten nicht länger für medizinische Einsätze und Forschung zerstört werden müssen. Und: Der Aufwand für die iPS-Gewinnung sei gering, hatten Forscher um Shinya Yamanaka von der Kyoto University nach sieben Jahren eigener Forschung 2007 verkündet. Am Ende musste das Team nur vier genetische Regler per Virenfähre einschleusen, um aus bestimmten Zellen, den Fibroblasten, junger Mäuse iP-Stammzellen zu machen, aus denen nach einer Teilung eben nicht nur Fibroblasten, sondern auch alle möglichen anderen Zellen entstehen.
Derzeit kämpfen die Stammzellforscher allerdings noch mit kniffligen technischen Schwierigkeiten, die unbedingt gelöst sein wollen, bevor sie über erste medizinische Einsätze nachdenken dürfen. Die vier eingeschleusten Faktoren des Urrezepts oder die dabei eingesetzte Virenfähre können eine Zelle nicht nur leicht reprogrammieren, sondern auch entarten lassen. Diese Probleme können aber wohl umgangen werden: Einige Teams haben verschiedene Methoden vorgeschlagen.
Ein anderer Punkt bleibt mysteriöser: Wenn tatsächlich jede Zelle in eine pluripotente Stammzelle zurückverwandelt werden kann, warum klappt das dann eigentlich so selten und so wenig effektiv? Denn, was oft unterging in der Anfangseuphorie: Nur anfangs rund 0,05 Prozent bis heute, unter optimalsten Ausgangsbedingungen, maximal zehn Prozent aller eingesetzten Zellen können im Labor tatsächlich dazu bewegt werden, sich vollständig in iPS zurückzubauen. Das könnte an der immer noch nicht perfekt ausgereiften Methode liegen – oder aber an schwerer wiegenden biologischen Prinzipien, die vielleicht sogar einer medizinischen Karriere der ja noch immer recht geheimnisvollen iPS im Weg stehen.
Was läuft schief?
Der Induktionspionier Yamanaka hat nun zusammengefasst, was nach Stand der aktuellen Forschung wohl die Ursache für die unbefriedigend niedrige Erfolgsrate der Umprogrammierung sein könnte. Grundsätzlich kommen dabei zwei Erklärungsansätze in Frage: Zum einen könnte doch nur ein recht kleiner Prozentsatz aller Zellen tatsächlich umprogrammierbar sein, ohne dass ihre besondere, das Verjüngungspotenzial vermittelnde Eigenschaft bislang erkannt wurde. Zum anderen könnten zwar vielleicht doch wirklich alle Zellen umprogrammiert werden – aber nur dann, wenn sie sich gerade in einem besonderen Zustand befinden, in dem nicht andere Prozesse die Reprogrammierung verhindern.
Für Ersteres spreche derzeit immer weniger, fasst Yamanaka zusammen. So haben Fortschritte der Umprogrammierungstechnik zuletzt die Erfolgsquote kontinuierlich gesteigert: Die iPS-Herstellung gelingt mittlerweile immer häufiger einfach deshalb, weil bestimmte Chemikalien zugesetzt werden (wie Valproinsäure) oder die Umprogrammierungsfaktoren effizienter in die Zellen geschleust und dort aktiviert werden. Würde die Technik weiter verbessert, so werde die Umprogrammierung schließlich wohl auch bei den meisten Zellen gelingen können.
Allerdings dürfe nie vergessen werden, wie viele günstige Faktoren in einer Zelle zusammenkommen müssen, damit sie auf Befehl von außen ihre Reprogrammierung einleitet. Nötig sei zumindest zweierlei: Die transformationsauslösenden Zusatzstoffe müssten in der richtigen Reihenfolge und der richtigen Dosierung in den Zellen produziert werden; zudem könnten aber übergeordnete epigenetische Regulationsmechanismen die Zelle in ihrer jeweiligen Spezialfunktion verharren und sie die Signale von außen ignorieren lassen.
Solche einer Verjüngung entgegenstehenden Regler können falsch gesetzte Methyl- und Azetylgruppen an den Genregulatorregionen und den mit ihnen assoziierten DNA-Gerüstproteinen, den Histonen, sein, die von den Reprogrammierungssignalen angesprochen werden müssen, bevor eine Zellverjüngung einsetzen kann. Tatsächlich konnten Forscher etwa schon nachweisen, dass die entsprechenden Promotorregionen von embryonalen und iP-Stammzellen deutlich geringer methyliert und demnach wohl aktivierbereiter sind als die ganz normaler Körperzellen. Gleichzeitig sind die Histone von Körperzellen geringer azetyliert als bei pluripotenten Zellen – die Gerüstproteine erschweren den Regulatoren dort stärker den Zugang zu den Genen. Azetylierungs- und Methylierungsmuster müssen demnach passen, damit die Umprogrammierungssignale greifen – wobei die Signale selbst auf diese Muster wohl nur begrenzt oder gar nicht Einfluss nehmen.
Das bedeute, so Yamanaka, dass irgendetwas in den erfolgreich einer Umprogrammierung unterzogenen Zellen im richtigen Augenblick vorhanden war, das erst einmal die notwendigen epigenetischen Umbauten im Methylierungs- und Azetylierungsmuster erleichtert, um den von außen zugeführten Kickstartern der Umprogrammierung ihre Arbeit zu ermöglichen oder ihren Effekt dauerhaft zu machen. In solche noch nicht im Detail aufgeklärten Zellprozesse greifen offenbar Moleküle wie die schon genannte Valproinsäure ein, die als Hemmstoffe von deazetylierenden Enzymen arbeiten und gleichzeitig die Effektivität der iPS-Entstehung im Experiment deutlich erhöhen. Womöglich stabilisiert die Valproinsäure einen bei der Umprogrammierung angestoßenen hohen Azetylierungsgrad lange genug, um den zur Verjüngung der Zelle führenden Pfad unumkehrbar zu machen.
Yamanaka gibt sich in seinem Überblick gleichzeitig optimistisch und warnt: Viel Arbeit warte zwar, offenbar seien aber irgendwann in Zukunft fast alle Zelltypen fast immer in iPS-Zellen zurückzuverwandeln – und das mit höherer Effizienz als bisher. Womöglich, sogar wahrscheinlich aber müsse das Umwandlungsprotokoll an die jeweils angesprochenen Zelltypen maßgeschneidert angepasst werden. Wer die Technik in den Griff bekommt und nachgewiesen hat, dass iPS nicht mehr Schaden durch Krebs auslösen als Nutzen durch Therapie schaffen – der dürfte die Karriere der pluripotenten Allerwelts-Alleskönner noch etwas steiler machen.
Eine "ethische" Stammzelle zudem, denn menschliche Embryonen werden als Stammzelllieferanten nicht länger für medizinische Einsätze und Forschung zerstört werden müssen. Und: Der Aufwand für die iPS-Gewinnung sei gering, hatten Forscher um Shinya Yamanaka von der Kyoto University nach sieben Jahren eigener Forschung 2007 verkündet. Am Ende musste das Team nur vier genetische Regler per Virenfähre einschleusen, um aus bestimmten Zellen, den Fibroblasten, junger Mäuse iP-Stammzellen zu machen, aus denen nach einer Teilung eben nicht nur Fibroblasten, sondern auch alle möglichen anderen Zellen entstehen.
Seitdem ist die Geschichte der iPS von vielen Seiten hinterfragt worden, hat sich als tatsächlich gut, weil wahr entpuppt und wurde immer weitergeschrieben. IPS können vielleicht wirklich einmal als medizinische Allzweckwaffe eingesetzt werden und defekte Körperzellen durch therapierte, sonst aber genetisch identische Zellen ersetzten.
Derzeit kämpfen die Stammzellforscher allerdings noch mit kniffligen technischen Schwierigkeiten, die unbedingt gelöst sein wollen, bevor sie über erste medizinische Einsätze nachdenken dürfen. Die vier eingeschleusten Faktoren des Urrezepts oder die dabei eingesetzte Virenfähre können eine Zelle nicht nur leicht reprogrammieren, sondern auch entarten lassen. Diese Probleme können aber wohl umgangen werden: Einige Teams haben verschiedene Methoden vorgeschlagen.
Ein anderer Punkt bleibt mysteriöser: Wenn tatsächlich jede Zelle in eine pluripotente Stammzelle zurückverwandelt werden kann, warum klappt das dann eigentlich so selten und so wenig effektiv? Denn, was oft unterging in der Anfangseuphorie: Nur anfangs rund 0,05 Prozent bis heute, unter optimalsten Ausgangsbedingungen, maximal zehn Prozent aller eingesetzten Zellen können im Labor tatsächlich dazu bewegt werden, sich vollständig in iPS zurückzubauen. Das könnte an der immer noch nicht perfekt ausgereiften Methode liegen – oder aber an schwerer wiegenden biologischen Prinzipien, die vielleicht sogar einer medizinischen Karriere der ja noch immer recht geheimnisvollen iPS im Weg stehen.
Was läuft schief?
Der Induktionspionier Yamanaka hat nun zusammengefasst, was nach Stand der aktuellen Forschung wohl die Ursache für die unbefriedigend niedrige Erfolgsrate der Umprogrammierung sein könnte. Grundsätzlich kommen dabei zwei Erklärungsansätze in Frage: Zum einen könnte doch nur ein recht kleiner Prozentsatz aller Zellen tatsächlich umprogrammierbar sein, ohne dass ihre besondere, das Verjüngungspotenzial vermittelnde Eigenschaft bislang erkannt wurde. Zum anderen könnten zwar vielleicht doch wirklich alle Zellen umprogrammiert werden – aber nur dann, wenn sie sich gerade in einem besonderen Zustand befinden, in dem nicht andere Prozesse die Reprogrammierung verhindern.
Für Ersteres spreche derzeit immer weniger, fasst Yamanaka zusammen. So haben Fortschritte der Umprogrammierungstechnik zuletzt die Erfolgsquote kontinuierlich gesteigert: Die iPS-Herstellung gelingt mittlerweile immer häufiger einfach deshalb, weil bestimmte Chemikalien zugesetzt werden (wie Valproinsäure) oder die Umprogrammierungsfaktoren effizienter in die Zellen geschleust und dort aktiviert werden. Würde die Technik weiter verbessert, so werde die Umprogrammierung schließlich wohl auch bei den meisten Zellen gelingen können.
Allerdings dürfe nie vergessen werden, wie viele günstige Faktoren in einer Zelle zusammenkommen müssen, damit sie auf Befehl von außen ihre Reprogrammierung einleitet. Nötig sei zumindest zweierlei: Die transformationsauslösenden Zusatzstoffe müssten in der richtigen Reihenfolge und der richtigen Dosierung in den Zellen produziert werden; zudem könnten aber übergeordnete epigenetische Regulationsmechanismen die Zelle in ihrer jeweiligen Spezialfunktion verharren und sie die Signale von außen ignorieren lassen.
Solche einer Verjüngung entgegenstehenden Regler können falsch gesetzte Methyl- und Azetylgruppen an den Genregulatorregionen und den mit ihnen assoziierten DNA-Gerüstproteinen, den Histonen, sein, die von den Reprogrammierungssignalen angesprochen werden müssen, bevor eine Zellverjüngung einsetzen kann. Tatsächlich konnten Forscher etwa schon nachweisen, dass die entsprechenden Promotorregionen von embryonalen und iP-Stammzellen deutlich geringer methyliert und demnach wohl aktivierbereiter sind als die ganz normaler Körperzellen. Gleichzeitig sind die Histone von Körperzellen geringer azetyliert als bei pluripotenten Zellen – die Gerüstproteine erschweren den Regulatoren dort stärker den Zugang zu den Genen. Azetylierungs- und Methylierungsmuster müssen demnach passen, damit die Umprogrammierungssignale greifen – wobei die Signale selbst auf diese Muster wohl nur begrenzt oder gar nicht Einfluss nehmen.
Das bedeute, so Yamanaka, dass irgendetwas in den erfolgreich einer Umprogrammierung unterzogenen Zellen im richtigen Augenblick vorhanden war, das erst einmal die notwendigen epigenetischen Umbauten im Methylierungs- und Azetylierungsmuster erleichtert, um den von außen zugeführten Kickstartern der Umprogrammierung ihre Arbeit zu ermöglichen oder ihren Effekt dauerhaft zu machen. In solche noch nicht im Detail aufgeklärten Zellprozesse greifen offenbar Moleküle wie die schon genannte Valproinsäure ein, die als Hemmstoffe von deazetylierenden Enzymen arbeiten und gleichzeitig die Effektivität der iPS-Entstehung im Experiment deutlich erhöhen. Womöglich stabilisiert die Valproinsäure einen bei der Umprogrammierung angestoßenen hohen Azetylierungsgrad lange genug, um den zur Verjüngung der Zelle führenden Pfad unumkehrbar zu machen.
Yamanaka gibt sich in seinem Überblick gleichzeitig optimistisch und warnt: Viel Arbeit warte zwar, offenbar seien aber irgendwann in Zukunft fast alle Zelltypen fast immer in iPS-Zellen zurückzuverwandeln – und das mit höherer Effizienz als bisher. Womöglich, sogar wahrscheinlich aber müsse das Umwandlungsprotokoll an die jeweils angesprochenen Zelltypen maßgeschneidert angepasst werden. Wer die Technik in den Griff bekommt und nachgewiesen hat, dass iPS nicht mehr Schaden durch Krebs auslösen als Nutzen durch Therapie schaffen – der dürfte die Karriere der pluripotenten Allerwelts-Alleskönner noch etwas steiler machen.
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben