News: Wenn der Golfstrom versiegt
Die Bremer Forscher stießen auf die Nord-Süd-Klimaschaukel, als sie einen Sedimentkern untersuchten, der südöstlich der Karibikinsel Grenada in 1.300 Metern Wassertiefe gewonnen wurde. In den Ablagerungen vom Grund des tropischen Atlantiks ist die Klimageschichte der letzten 29.000 Jahre gespeichert. Die Temperaturentwicklung wurde mit Hilfe sogenannter Alkenone nachgezeichnet. Das sind langkettige, ungesättigte Kohlenwasserstoffmoleküle, aus deren jeweiligen Anteile sich die Klimainformation, hier: die Meerwassertemperatur, ableiten läßt (Nature vom 2. Dezember 1999).
Nach Meinung der Geowissenschaftler ist die Ursache der Klimaschaukel in der Dynamik des Golfstroms zu suchen. Heute sinken im Nordatlantik salzhaltige und daher schwere Wassermassen in tiefe Ozeanstockwerke und fließen nach Süden ab. Im Gegenzug strömt an der Ozeanoberfläche warmes Golfstromwasser – Garant unseres milden Klimas – gen Norden. Während der Eiszeit arbeitete das Pumpsystem auf niedrigerem Niveau. Als in deren Schlußphase mehrfach riesige Gletschermassen vom nordamerikanischen Inlandeis abbrachen und große Schmelzwassermengen über den St. Lorenz-Strom in den Nordatlantik gelangten, verringerte sich der Salzgehalt an der Meeresoberfläche. Das jetzt leichtere Wasser konnte nicht mehr in die Tiefe absinken und Platz für warmes Golfstromwasser machen, das sich weiter südlich staute. Die Folge: erneute Abkühlung im Norden, Erwärmung in tropischen Regionen des Atlantik."
"Von Bedeutung ist, daß wir die atlantische Klimageschichte jetzt regional nachzeichnen können. Unseren Untersuchungen zufolge kommt es genau genommen nämlich nur im westlichen tropischen und im südlichen Atlantik zum Wärmestau. Dagegen kühlte – vom hohen Norden einmal abgesehen – der östliche Atlantik mit der Kanarenregion aus", betont Dr. Carsten Rühlemann. Grund dafür ist ein riesiger Strömungswirbel, der sich – auch heute noch – im Uhrzeigersinn von West nach Ost über den Atlantik bewegt. Die transatlantische Meeresströmung förderte kühles, nordatlantisches Wasser bis in das Gebiet der Kanarischen Inseln. "Sollte sich der Golfstrom zukünftig also tatsächlich einmal abschwächen", meint der Geologe augenzwinckernd, "dann wird`s nicht nur bei uns kühler. Dann können wir auch die kleinen Fluchten in den scheinbar ewigen Sommer Fuerteventuras vergessen.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 1.12.1997
"Führt der Treibhauseffekt zu einer neuen Eiszeit?"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 14.11.1997
"Alle 1500 Jahre wird es kalt auf Erden"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum der Wissenschaft 11/98, Seite 32
"Vom Panama-Isthmus zum Grönlandeis"
(nur für Heft-Abonnenten online zugänglich)
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.