News: Wenn der Körper nachts aufsteht, der Geist aber liegen bleibt
Um einen Blick auf die nächtliche Aktivität im Gehirn eines Schlafwandlers zu werfen, haben Claudio Bassetti und seine Kollegen vom Department of Neurology im Inselspital in Bern einen 16-jährigen jungen Mann untersucht. Typischerweise stand er nachts ein bis zwei Mal auf und berichtete auch von erschreckenden Episoden, die allerdings nur selten auftraten. Im Wachzustand zeigten sein EEG und die Kernspintomographie keinen Unterschied zu den Gehirnaktivitäten von Menschen mit "normalem" Schlaf. In einer schlafwandlerischen Phase des Patienten konnten die Wissenschaftler allerdings eine diffuse, rhythmische Aktivität der delta-Wellen nachweisen.
Die Aktivität verschiedener Gehirnbereiche wurde anhand ihrer Durchblutung gemessen, welche die Neurobiologen mit einer so genannten single photon emission computed tomography (SPECT) verfolgten. Hierbei zeigten sich Unterschiede zwischen der Gehirnaktivität normaler Probanden und des Schlafwandlers, wenn er nachts sein Bett verließ. Bei denjenigen, die fest und selig schliefen, waren sowohl der präfrontale (im vorderen Gehirnbereich) wie auch der cingulate Cortex und der Thalamus deaktiviert, also durch einen geringeren Blutstrom versorgt. Wachte der Körper des Schlafwandlers allerdings auf, so zeigten auch der cingulate Cortex – der das Verhalten bei emotionalen Prozessen bestimmt – und der Thalamus Aktivität. Der präfrontale Cortex allerdings blieb auch bei ihm in diesem Zustand deaktiv. Die höchsten Anstiege der Blutversorgung während des Schlafwandelns – im Vergleich zu den ruhigen Schlafphasen – zeigten das vordere Kleinhirn (anterior cerebellum) und die hintere cingulate Großhirnrinde (posterior cingulate Cortex) (The Lancet vom 5. August 2000, Abstract).
Letztendlich scheinen Menschen, die nachts unbewusst ihr Bett verlassen und durch die Gegend wandern, Sklaven ihrer eigenen Gehirnaktivität zu sein. Während bei normalen Schläfern nachts alle Gehirnbereiche auf Sparflamme fahren, laufen bestimmte Areale bei Schlafwandlern immer noch auf Hochtouren, auch wenn sie am nächsten Morgen davon nichts mehr wissen.
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