News: Wenn der Schmerz nicht nachläßt
Die Arbeit, die auf der Jahrestagung der American Association for the Advancement of Science in Philadelphia im Februar 1998 vorgestellt wurde, schlägt neue Methoden für die Behandlung neuropathischer Schmerzen vor und zwar auf der Basis von Wirkstoffen, die die Produktion der Cytokine hemmen. "Obwohl es etwas überraschend ist, eine derartige biologische Überlappung zwischen dem Immunsystem und dem zentralen Nervensystem zu entdecken, scheint es auch vernünftig, daß es in diesen Systemen eine gewisse Redundanz gibt", sagt De Leo.
Obwohl Schmerz insoweit bei der Heilung eine Rolle spielt, als er uns zwingt, eine Pause einzulegen und so die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Verletzung verringert, dauern einige Formen chronischen Schmerzes hartnäckig fort und werden sogar noch heftiger, nachdem die Heilung offensichtlich abgeschlossen ist. Forscher entdeckten, daß ein ständiges Sperrfeuer von Nervensignalen ausgehend von einer Stelle mit Gewebe- oder Nervenschaden das Nervensystem in der Weise sensibilisieren könnte, daß es zu einer erhöhten Schmerzwahrnehmung kommt.
Dieser Mechanismus scheint am neuropathischen Schmerz beteiligt zu sein, einer qualvollen und unbehandelbaren Form chronischen Schmerzes, die durch eine Operation oder Verletzung verursacht werden kann, und oft bei Menschen mit Krebs, Diabetes, AIDS oder Gürtelrose (einer Komplikation des Windpockenvirus bei Erwachsenen) beobachtet wird.
Um diesen Vorgang zu erforschen und nach möglichen Behandlungen zu suchen, entwickelten die Wissenschaftler der Dartmouth University Rattenmodelle für Neuropathie, die die menschlichen Reaktionen zuverlässig nachahmen. Durch Verletzung eines einzelnen Nervs waren die Forscher in der Lage die Überempfindlichkeit für Temperatur und Berührung in Ratten zu reproduzieren, die nach ähnlichen Verletzungen bei Menschen auftritt. "Dies ist vergleichbar mit den extremen Schmerzen, die eine warme Dusche auf sonnenverbrannter Haut hervorruft", sagt DeLeo.
Wissenschaftler entdeckten, daß Überempfindlichkeit gegenüber Temperatur oder Berührung am größten ist, wenn die Zahl bestimmter Immunzellen innerhalb der beschädigten Nerven am höchsten sind – was darauf hindeutet, daß die Produkte dieser Zellen, kleine Peptide genannt Cytokine, an der Erzeugung von Schmerz beteiligt sind. Untersuchungen des Rückenmarks zeigten, daß dort ein paralleler Prozeß stattfindet, an dem dieselben Produkte der Immunzellen beteiligt sind – sogar wenn die Stelle der Verletzung weit vom Gehirn und dem Rückenmark entfernt liegt. "Das zentrale Nervensystem und das Immunsystem sind die beiden Systeme, die der Körper benutzt, um die Umgebung zu 'fühlen' und darauf zu reagieren", sagt DeLeo. "Deshalb ist es sicherlich vernünftig, daß beide miteinander kommunizieren."
Wissenschaftler haben Cytokine zuerst hinsichtlich ihrer Aktivitäten im Immunsystem beschrieben. Man weiß, daß ihre Aktionen und Interaktionen komplex und voneinander abhängig sind, beeinflußt von der Anwesenheit von Hormonen, Entzündungen und anderen Cytokinen. Neue Forschungen haben eine entscheidende Rolle von Cytokinen bei der Entwicklung und dem Weiterbestand des Nervensystems nachgewiesen.
Die aktuelle Forschung konzentriert sich nun auf eine Identifizierung der Zellen, die Cytokine im zentralen Nervensystem erzeugen. Dies sind zum Beispiel Mikroglia, die Makrophagen des Nervensystems und Astrocyten, sternförmige Zellen, von denen man lange Zeit glaubte, sie funktionieren hauptsächlich als strukturelle Stütze für Nervenzellen, sowie Neuronen. Eine Schlüsselrolle in der Erzeugung und Aufrechterhaltung von Schmerz scheinen die Astrocyten zu spielen.
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