Emotionen: Wenn die Furcht nicht nachlässt
Wer einmal einen Fahrradunfall gehabt hatte, wird das Erlebte so schnell nicht vergessen. Das ist auch gut so, denn die Angst verhindert, dass wir uns unvorsichtigerweise gleich ein zweites Mal auf die Nase legen. Nach vielen weiteren Radtouren ohne Zwischenfall verlieren wir jedoch bald wieder die Scheu vorm Fahren. Warum manche Menschen dagegen chronische Angstzustände entwickeln, klärten Forscher der Universität Bonn auf: Das körpereigene Opioid Dynorphin verhindert, dass sich schlimme Ereignisse tief ins Gedächtnis einprägen.
Die Wissenschaftler um Andreas Zimmer hatten bei Mäusen das Gen für die Bildung von Dynorphin ausgeschaltet. Die Tiere bekamen nun kurze Elektroschocks, wobei jedes Mal ein Ton erklang, so dass die Nager nach einiger Zeit beim bloßen Hören des Signals vor Angst erstarrten. In der anschließenden Extinktionsphase maßen die Forscher, wie lange die Tiere den Ton ohne Schock mit dem Schmerz in Verbindung brachten. Es zeigte sich, dass die Mäuse mit ausgeschaltetem Dynorphin-Gen die Angst sehr viel langsamer verlernten als Kontrollnager mit normalem Gen.
Lässt sich das Ergebnis auf den Menschen übertragen? Um das zu überprüfen, teilten die Forscher 33 Versuchspersonen in zwei Gruppen: eine mit genetisch bedingter schwächeren Dynorphin-Ausschüttung und eine mit hoher Genaktivität. Die im Magnetresonanztomografen liegenden Probanden sahen auf einem Bildschirm entweder grüne oder blaue Quadrate, wobei sie einen leicht schmerzhaften Laserschock am Fuß erhielten, sobald das grüne Viereck auftauchte.
Als die Forscher nun die Quadrate ohne den Schmerzreiz präsentierten, hielt die Angstreaktion, gemessen über die Schweißabsonderung, wie bei den Mäusen deutlich länger an. Darüber hinaus offenbarten die Hirnscans, dass die Amygdala, eine für die Verarbeitung von Emotionen wichtige Hirnstruktur, auch nach mehreren Durchgängen ohne Schmerz weiterhin aktiv blieb. Bei Probanden mit hohem Dymorphinspiegel verstummte die Hirnregion dagegen recht bald. In der Gruppe mit geringerer Dynorphinausschüttung zeigte sich zusätzlich eine verminderte Kopplung von Amygdala und ventromedialem präfrontalem Kortex, ein Hirnareal, das für das bewusste Lernen eine Rolle spielt.
Demnach scheint das körpereigene Opioid Dynorphin dafür zu sorgen, Angst wieder zu verlernen. Das Vergessen von Furchtreaktionen ist, so betonen die Forscher, kein passives Verblassen, sondern ein aktiver Lernprozess.
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