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Anpassung: Wenn die Grillen schweigen

Das beruhigende Zirpen der Grillen ist auf der hawaiianischen Insel Kauai kaum noch zu hören. Eine Mutation machte die meisten Grillenmännchen stumm. Weibchen wie Männchen müssen auf der Suche nach Sexualpartnern nun neue Wege gehen.
Mittelmeer-Feldgrille klein
Keine fünf Jahre ist es her, da hörte man auf der hawaiianischen Insel Kauai bei einsetzender Dämmerung allüberall ein wohlklingendes Zirpen. Inzwischen ist Stille eingekehrt. Die Grillen der Art Teleogryllus oceanicus schweigen. Schuld ist die parasitäre Fliege Ormia ochracea, die ihre Eier bevorzugt in den Körper dieser musikalischen Insekte legt. Um ihre Opfer zu finden, verlässt sie sich auf ihr ausgezeichnetes Gehör. Für den Fortbestand der Grillen ist das fatal – locken die Männchen doch mit dem Aneinanderreiben ihrer Flügel interessierte Artgenossinnen heran.

Auf der Insel Kauai hatten die Grillen jedoch Glück im Unglück: Eine Mutation rettete vielen Männchen das Leben. Ihren Flügeln fehlt die Schrillleiste: Sie können nicht zirpen und fallen so auch nicht der parasitären Fliege und deren Nachwuchs zum Opfer. Weniger als 20 Generationswechsel genügten, um knapp 90 Prozent der männlichen Grillen verstummen zu lassen. Dumm nur, dass sie nun auch keine Weibchen mehr anlocken können.

Grille mit Larven der parasitären Fliege Ormia ochracea | Die hawaiianische Grille Teleogryllus oceanicus lebt in ständiger Gefahr vor einem grausamen Tod. Denn die parasitäre Fliege Ormia ochracea nutzt ihr gutes Gehör, um dem Zirpen der Grillen zu folgen und ihre Eier in ihren Körper zu legen.
Allein die zehn Prozent der weiterhin zirpenden Männchen sorgen noch dafür, dass beide Geschlechter sich näher kommen. Kein Wunder, dass die Weibchen auf Kauai nicht mehr allzu wählerisch sind, was die Melodie der wenigen Sänger angeht. In einem Laborexperiment von Forschern der University of California waren sie stets hoch motiviert, dem Ruf des Männchens zu folgen – während Artgenossinnen, die musikalische Umwerbung schon von Kindesbeinen an kennen, durchaus Präferenzen haben: Sie bevorzugen eine bestimmte Tonfolge, die bei Grillenweibchen anscheinend universell als äußerst ansprechend gilt. Auf Kauai jedoch dürfen die Weibchen eben nicht wählerisch sein – und haben sich ihrer Umgebung angepasst.

Überraschender Weise ist diese Anpassung jedoch umkehrbar: Als die Forscher den Nachkommen der Kauai-Grillen im Labor während ihrer Kinderstube wieder vielen Zirpklängen ausgesetzten, veränderte sich auch ihr Verhalten. Anders als ihre Mütter und Großmütter wurden sie wieder wählerisch – und bevorzugten wie andere ihrer Art den speziellen Zirp-Song der Grillen-Hitparade.

Den Weibchen in Kauai nützt diese Fähigkeit momentan jedoch nichts. Sie müssen sich auf jeden Sänger stürzen, den sie finden können. Ob sie letztendlich aber überhaupt an einen der wagemutigen Musikanten geraten, ist fraglich. Denn auch die stummen Männchen haben sich angepasst: Zirpt irgendwo ein Konkurrent, hüpfen sie in seine Richtung – und fangen dann das angelockte Weibchen ab. Was sie machen werden, wenn die letzten Musikanten der Parasitenfliege zum Opfer gefallen sind, ist ungewiss. Aber der Einfallsreichtum der Kauai-Grillen lässt hoffen, dass sie auch dann eine Lösung finden werden.
  • Quellen
Bailey, N.W., Zuk, M.: Acoustic experience shapes female mate choice in field crickets. In: Proceedings of the Royal Society B 10.1098/rspb.2008.0859, 2008.

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