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Experiment: Wenn drei Tonnen Wildschwein verrotten

Welche Folgen hat es für ein Ökosystem, wenn plötzlich tausende Tiere an Ort und Stelle verenden? Unerschütterliche Forscher haben es getestet. Da flossen die Maden in Strömen.
Schädel und Knochen eines verwesten Schweins

Von den hunderttausenden Saiga-Antilopen, die 2015 einer rätselhaften Krankheit zum Opfer fielen, bis hin zu den Strandungen ganzer Walschulen – immer wieder kommt es in der Natur lokal zu Massensterben; dies konfrontiert dann ein Ökosystem mit einem plötzlichen Überangebot an Aas. Obwohl derartige Ereignisse in Folge des Klimawandels noch zunehmen sollten, seien sie kaum erforscht, meint Jeffrey Tomberlin von der Texas A & M University. Mit seinen Kollegen hat er deshalb die Probe aufs Exempel gemacht: Insgesamt drei Tonnen tote Schweine ließen sie in einem Waldstück in Mississippi unter Beobachtung verrotten.

Von dem Experiment berichtet ausführlich – und anschaulich – das Magazin "National Geographic" auf seiner englischen Website. "Wir waren völlig unvorbereitet auf das, was geschah", gesteht Teammitglied Brandon Barton von der Mississippi State University dem Magazin. Dass Geier und Maden auftauchen würden, hätten sie ja erwartet, aber wie schockierend das Ausmaß war, zeigt ein Video der Forscher. In fingertiefen Strömen fließen die Maden von den Kadavern den Hang hinab. Immer wieder seien Insektenfallen von den Madenströmen mitgerissen worden.

Überhaupt stellte die Probenentnahme die Forscher vor ungeahnte Probleme. Es sei wie "Twister" spielen gewesen, erzählt Teammitglied Heather Jordan: "Man darf nicht hinfallen, man muss versuchen, nicht auf die Schweine zu treten und auch nicht auf die Adipocire (Leichenwachs). Die war überall, dieser Matsch, diese Suppe, dieser Schleim. Dann bückt man sich, um an die Mikrobencommunity im Innern zu kommen, und dabei ist alles voll Spinnen, Larven und fiesen Mücken."

Die Ergebnisse zeigen, dass ein solches Massensterben die Verhältnisse vor Ort langfristig auf chaotische Weise verändert. Zunächst lockt das Aas die Aasverwerter an, darauf folgen Tiere, die die Aasfresser erbeuten. Dabei sei beispielsweise auch der Oberboden komplett umgewälzt worden, was sich wiederum auf die Pflanzengemeinschaft auswirkt. Erste Ergebnisse ihres Versuchs haben die Forscher nun im Fachmagazin "Ecology" veröffentlicht. Es zeigte sich beispielsweise auch, dass große Aasfresser wie etwa Geier eine für uns nützliche Rolle spielen. In den Versuchsflächen, in denen sie an die Kadaver gelangen konnten, entwickelten sich später deutlich weniger Fliegen, die als potenzielle Krankheitsüberträger gelten. Die Erfahrung, dass ein zu geringer Geierbestand zu Problemen für den Menschen führt, hat man bereits andernorts gemacht.

Für ihr Experiment griffen die Forscher auf die Kadaver verwilderter Hausschweine zurück. Die "feral pigs" stellen in manchen Regionen der USA als invasive Art eine Bedrohung für das einheimische Ökosystem dar. Infolgedessen werden die Tiere oft stark bejagt, in Texas etwa müssten jährlich zwei Drittel der Gesamtpopulation von über zwei Millionen Schweinen geschossen werden, um den Bestand stabil zu halten. Das wiederum könnte eigene Probleme mit sich bringen, meinen nun Tomberlin und Kollegen. Denn wenn die Tiere in großer Zahl gejagt werden – und dann tot in der Landschaft liegenbleiben –, dürften ähnliche destabilisierende Effekte auftreten wie in ihrem Experiment. Die könnten dann ihrerseits Eindringlingen Vorschub leisten: "Invasive Arten mögen eine Umwelt, die nicht stabil ist", meint Tomberlin.

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