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Ernährung: Wenn Litschi-Konsum tödlich endet

Litschis gelten als delikate Südfrucht. Doch in Indien starben in den letzten Jahren zahlreiche Kinder nach dem Verzehr großer Mengen des Obstes. Warum?
Litschis sind delikate Südfrüchte

Seit 1995 häuften sich jedes Jahr im Frühling plötzliche Todesfälle bei kleinen Kindern in der indischen Region Muzaffarpur, die sich Mediziner nicht erklären konnten. Hunderte Kinder erlitten meist morgens schwere Krampfanfälle und Bewusstseinseintrübungen; jedes dritte starb an den Folgen. Bei untersuchten Patienten zeigten sich extrem niedrige Blutzuckerwerte, was auf eine schwere Form der Unterzuckerung hindeutete – dagegen fanden sich keine Hinweise auf Viren, Pestizid- oder Schwermetallvergiftungen. Gegen eine Infektion sprach zudem, dass die Kinder weder erhöhte Werte an weißen Blutkörperchen aufwiesen noch Fieber hatten. Erst eine Studie von Medizinern um Aakash Shrivastava vom National Centre for Disease Control in Delhi scheint das Rätsel gelöst zu haben. Das Team hat die Daten von rund 400 Kindern ausgewertet, die 2014 in der Region wegen der typischen Symptome behandelt wurden.

Die kleinen Patienten litten demnach unter einer nichtentzündlichen Enzephalopathie, die zu den Krämpfen und Bewusstseinsstörungen führt. Ausgelöst wird sie von Substanzen, die von den Kindern mit der Nahrung aufgenommen wurden und die den Blutzuckerspiegel über Nacht massiv gesenkt hatten. Mit dieser Diagnose begann die Ursachenforschung jedoch erst richtig. Zwei Gemeinsamkeiten wiesen die Betroffenen auf: Sie hatten am Vortag große Mengen Litschis verzehrt, aber dafür kein Abendessen eingenommen – Muzaffarpur ist eines der größten Litschi-Anbaugebiete in Südasien. Die Früchte enthalten jedoch Hypoglycin A, eine Aminosäure, die ebenso wie ihr Abbauprodukt MCPA (Methylencyclopropylacetyl-CoA) die Glukosesynthese hemmt. Der Körper braucht seine verfügbaren Zuckerreserven während des Stoffwechsels auf, kann aber keinen Nachschub produzieren. Gleichzeitig ist auch der Fettstoffwechsel beeinträchtigt, weswegen der Organismus am Ende unterzuckert – mit den beobachteten schweren Folgen.

Wahrscheinlich kommt das Hypoglycin A vor allem in unreifen Früchten vor, was die Wissenschaftler an ein ähnliches Syndrom auf Jamaika erinnerte. Die "Jamaica Vomiting Disease" geht ebenfalls mit Erbrechen bis zu Unterzuckerung, Erschöpfungserscheinungen und Koma einher und kann zum Tod führen. Die Ursache liegt im Verzehr von unreifen Früchten der Akee-Pflanze (Blighia sapida), die reif ein beliebtes Obst auf der Karibikinsel darstellt. Wie die Litschis gehört sie zu den Seifenbaumgewächsen und weist hohe Hypoglycin-Werte in den Samen und im nicht ausgereiften Fruchtfleisch vor. In Indien sollten die Eltern deshalb darauf achten, dass ihre Kinder nicht zu große Mengen Litschis verzehren und zudem ein Abendbrot einnehmen, um die Unterzuckerung nachts zu verhindern. Hier zu Lande müssen Konsumenten nicht auf den Genuss verzichten, solange sich die Mengen im normalen Rahmen bewegen und nicht nur die Südfrüchte in großer Zahl gegessen werden.

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