News: Wenn Parasiten die Kontrolle übernehmen
Wurmähnliche Wesen mit Namen Trichobilharzia ocellata verbringen einen Teil ihres Lebenszyklus im Fleisch kleiner Süßwasserschnecken (Lymnaea stagnalis). Frühere Studien haben gezeigt, daß mit Parasiten befallene Schnecken auf Sex verzichten, wodurch sie schneller wachsen. Marijke de Jong-Brink, Neurobiologin an der Vrije-University in Amsterdam sagt dazu: „Innerhalb von 1,5 Stunden, nachdem die Parasiten den Wirt befallen haben, beeinflussen sie dessen Genaktivität deutlich und selektiv.”
Jong-Brinks Team hoffte, diese beiden Beobachtungen verbinden zu können. Dazu setzten sie Schnecken einem mit Parasiten gefüllten Bad aus. Nach unterschiedlichen Zeiträumen entfernten sie die Gehirne der Schnecken, um die Mengen der sogenannten messenger-RNA (m-RNA) zu messen. Die m-RNA ist eine Kopie der DNA, die als Bauplan für die Proteinsynthese dient. In den Schnecken, die von Parasiten befallen waren, ging die Menge der m-RNA steil nach oben. Von einigen m-RNAs war dreimal so viel vorhanden wie in gesunden Schnecken. Jong-Brink zufolge könnte der Parasit ein Molekül absondern, das dann – entweder direkt oder indirekt – „spezielle Gene im zentralen Nervensystem des Wirtes stimuliert bzw. hemmt.” Diese Gene sind an der Reproduktion und der Wachstumskontrolle beteiligt.
Die Erkenntnisse verstärken die Annahme, daß „Parasiten – ganz ähnlich wie die Viren – ihre Wirte zwingen können, in ihrem Interesse zu agieren”, sagt Viktor Mutt, medizinischer Biochemiker am Karolinska Institutet in Stockholm. Dieses neue Wissen könnte Folgen für eine ähnliche Parasitenart haben, die Bilharziose hervorruft. Bilharziose ist eine zur Debilität führende Krankheit, die in einigen Entwicklungsländern jeden sechsten Bewohner bedroht.
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