News: Wenn Physiker mit Kaffee kleckern
Aber einige Physiker machen sich genau wie wir Nichtphysiker Gedanken über die Rätsel des Alltags. Sidney R. Nagel vom James Franck Institute der University of Chicago und seine Mitarbeiter haben sich eines der erstaunlichsten Phänomene einmal genauer angeschaut: Warum bleiben von verschütteten Kaffeetropfen eigentlich keine gleichmäßigen Flecken zurück, sondern Ringe, die am äußeren Rand am dunkelsten sind? Ihre Ergebnisse sind in Nature vom 23. Oktober 1997 nachzulesen.
Einmal angenommen, Ihr Kaffeetisch ist nicht vollständig glatt und bar jeder Reibung, dann wird ein Tropfen Kaffee auf ihm irgendwo zur Ruhe kommen. Mikroskopisch kleine Unebenheiten in der Tischoberfläche bilden eine Kontaktfläche zu ihm aus, deren Grenzen sich nicht mehr verschieben. Die Umrisse des Tropfens liegen somit fest. Weiterhin zwingt die Oberflächenspannung dem Kaffee eine gewisse Form auf. Wenn nun Flüssigkeit verdunstet, stehen die zurückgebliebenen Moleküle vor dem Problem, das Kräftegleichgewicht zwischen den Kontakten zum Tisch und dem Verlangen, die Tröpfchenform einzunehmen, wiederherzustellen. Ja, wäre der Tisch völlig glatt, dann würde der Tropfen einfach immer weiter schrumpfen, bis nur ein winziger Fleck in Form eines Punktes zurückbliebe. Doch das ist nicht möglich, weil die Ränder des Tropfens festgelegt sind.
Die Wissenschaftler konzentrierten sich darauf, die Wechselwirkung zwischen der Form des Tropfens in Abhängigkeit von der Verdunstung zu beschreiben. Da die Tropfen zu den Rändern hin dünner werden, verdampft dort relativ gesehen mehr als im mittleren Bereich ihrer Oberfläche. Weil gleichzeitig die Kontaktfläche zum Tisch gleich bleibt, kommt es zu einem Teilchenfluß vom Zentrum zum Rand. Durch diesen werden im Wasser enthaltenen Substanzen ebenfalls nach außen transportiert. Ist schließlich alle Flüssigkeit verdunstet, bleibt ein ringförmiger Fleck zurück.
Die Wissenschaftler entwickelten aus ihren Untersuchungen eine Theorie, die ganz allgemein erklärt, wie Tropfen austrocknen. Danach wirken die unterschiedlichen Kräfte so zusammen, daß es den enthaltenen Substanzen immer rechtzeitig gelingt, den Rand zu erreichen, unabhängig von der Größe des Tropfens oder der Menge von zugesetzten Substanzen. Die Theorie gilt folglich nicht nur für Kaffee, sondern auch für Tee, Orangensaft, Milch, Wein, Bier, Tinte... Genau darum interessieren sich Wissenschaftler aus dem Bereich der angewandten Forschung für die Resultate aus Chicago. So könnten zum Beispiel kleinste Goldpartikel, in Wasser verteilt, beim Verdunsten der Flüssigkeit feine elektrische Leitungen von wenigen Mikrometern Durchmesser bilden.
Und so zeigt sich wieder, welchen unschätzbaren Wert eine kleine (Kaffee-)Pause bei der Arbeit haben kann. Vorausgesetzt, wir halten die Augen offen und sind willig, über die kleinen Wunder dieser Welt zu staunen.
Der Heidelberger Verlag Spektrum der Wissenschaft ist Betreiber dieses Portals. Seine Online- und Print-Magazine, darunter »Spektrum der Wissenschaft«, »Gehirn&Geist« und »Spektrum – Die Woche«, berichten über aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung.
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