Direkt zum Inhalt

News: Wenn sieben blau ist

Es klingt zunächst ziemlich eigenartig, wenn Menschen behaupten, die Milch schmecke dreieckig, der Ton rieche nach Vanille oder die Zahl sieben sei blau. Doch Synästhetiker scheinen wirklich zusätzliche Empfindungen bei einer Sinneswahrnehmung zu erleben. Zumindest deuten Untersuchungen auf entsprechende Verschaltungen im Gehirn hin: Das Farbzentrum von Synästhetikern wird aktiv, wenn sie ein bestimmtes Wort hören.
1690 beschrieb der englische Philosoph John Locke einen merkwürdigen Fall: Ein Blinder habe voller Begeisterung erzählt, jetzt endlich wisse er, was das Wort "scharlachrot" bedeute – es gleiche dem Klang einer Trompete. Auch später tauchten immer wieder Hinweise von Menschen auf, bei denen ein Sinnesreiz neben der normalen Wahrnehmung zusätzliche Empfindungen auslöst. Doch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts blieb das Phänomen der Synästhesie ein Kuriosum. Erst Francis Galton beschäftigte sich 1883 systematisch mit Synästhetikern und entdeckte, dass die häufigste Form das "Farbenhören" ist. Hierbei nehmen die Betroffen beispielsweise immer die Farbe blau wahr, wenn sie die Zahl sieben hören.

Synästhesie tritt schätzungsweise bei einem von 2000 Menschen auf – wobei Frauen weitaus häufiger betroffen sind –, doch die Ursachen dieser parallelen Sinnesempfindungen sind jedoch immer noch rätselhaft. Jetzt versuchte Julia Nunn vom Londoner Goldsmiths College den neurologischen Ursachen der Synästhesie näher auf den Grund zu gehen. Hierfür verwendete sie zusammen mit ihren Kollegen die funktionelle Kernspinresonanztomographie, mit der Hirnaktivitäten auf kleinsten Raum beobachtet werden können. Damit konnten die Wissenschaftler verfolgen, wie die visuellen Zentren in der Großhirnrinde der Versuchspersonen reagierten, wenn diese bestimmte Klänge oder Wörter hörten.

Hierbei zeigten sich deutliche Unterschiede in den Hirnaktivitäten von Synästhetikern und Nicht-Synästhetikern: Bei Personen, die regelmäßig bei einem bestimmten Wort eine bestimmte Farbe wahrnehmen, regten sich die visuellen Areale V4 und V8 der linken Großhirnrinde, wenn sie das entsprechende Wort hörten. Und diese Hirnareale, die bei der Kontrollgruppe inaktiv blieben, sind für die Farbwahrnehmung zuständig. Bei Nicht-Synästhetikern ließen sich diese Hirnzentren auch nach intensiven Training mit bestimmten Klängen oder Worten nicht anregen. Die Areale V1 und V2, die auch visuelle Eindrücke, aber keine Farbwahrnehmungen verarbeiten, blieben dagegen bei allen Versuchspersonen stumm.

Die Wissenschaftler schließen daraus, dass bei Synästhetikern tatsächlich eine feste Verschaltung im Gehirn vorliegt, die Gehörtes mit Farbwahrnehmungen verbindet. Und diese ungewöhnliche Verschaltung ist vermutlich genetisch festgelegt.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.