Direkt zum Inhalt

News: Wenn Violinen in die Röhre gucken

Vielleicht empfiehlt sich für ernsthafte Musiker erst einmal ein Gang zum Arzt, bevor sie sich eine neue Violine kaufen. Es könnte sich für sie lohnen, einen Radiologen zu konsultieren. Dies besagt eine Computertomographie-Untersuchung von 14 erstklassigen Streichinstrumenten, einschließlich seltener Stradivari-Violinen und anderer anerkannter Meisterstücke.
Nach Ansicht von Steven A. Sirr, Radiologe am Abbott Northwestern Hospital in Minneapolis, kann man mit Hilfe der Computertomographie unerwartete Mängel aufdecken; zudem liefert diese Technik neue Informationen über die Bauweise der Instrumente, sowie charakteristische „Fingerabdrücke”, die bei der Identifizierung verlorengegangener oder gestohlener Instrumente helfen können. Sirr stellte die Studie am 04. Dezember 1997 auf der 83rd Scientific Assembly and Annual Meeting of the Radiological Society of North America (RSNA) vor.

„Eine Beschädigung dieser Instrumente – viele haben einen Wert von mehr als 1 Million Dollar – kann ihren Wert und vor allem die Klangqualität erheblich mindern,” sagte Sirr. „Ein Sprung im Bereich des Stimmstocks auf der Stützplatte einer Violine mindert ihren Wert um 50 Prozent.” Er hebt hervor, daß Mängel, die ansonsten nicht wahrnehmbar sind, mit Hilfe der Computertomographie nachgewiesen werden können. Auch Fälscher haben es nun schwerer: Die Technik kann eingesetzt werden, um Zweifel an der Echtheit eines Instrumentes aus der Welt zu schaffen oder sie eben auch zu bestätigen.

Außerdem kann sie Geigenbauern, die versuchen Instrumente zu fertigen, die der Qualität einer Stradivari, Amati und anderer berühmter Meister nahekommen, neue Informationen liefern. „Zwei Celli und eine Viola wurden mit Hilfe von Informationen gebaut, die durch die Computertomographie gewonnen wurden”, sagte Sirr. Die Viola, gefertigt nach einem Instrument von Giovanni Paolo Maggini und Gasparo da Salo aus dem frühen 17. Jahrhundert, erhielt vor kurzem in einem internationalen Wettbewerb eine Goldmedaille für handwerkliches Können und hohe Klangqualität.

Die Computertomographie vermag auch einzigartige Holzmaserungen zu identifizieren, die für jedes Instrument als „Fingerabdruck” dienen. „Wir glauben, daß Computertomographie-Auswertungen vor dem Erwerb eines erstklassigen Instruments durchgeführt werden sollten und auch beim Abschluß einer Versicherung für diese außerordentlich seltenen und kostbaren Instrumente eine Rolle spielen könnten”, sagte Sirr.

Durch Computertomographie wurden Mängel unterschiedlichster Art in allen 14 untersuchten Instrumenten nachgewiesen: Risse, Wurmlöcher, Luftschlitze und Deformationen. Beweise für durchgeführte Reparaturen, wie z.B. Leimspuren, Füllmaterial und Holzflicken, könnten ebenfalls durch die Computertomographie erbracht werden.

„Eine der wichtigsten Aufgaben des modernen Geigenbauers ist es, Instrumente zu bewerten. Dies geschieht durch sorgfältige Untersuchung der äußeren Oberflächen und, mit Hilfe von Spiegeln wie sie beim Zahnarzt verwandt werden, der inneren Oberflächen”, sagte Sirr. „Es ist bekannt, daß viele ernsthafte Mängel durch Leim, Füllmaterial, Retusche oder Lack kaschiert werden können. Diese Manipulationen können möglicherweise auch sorgfältigsten Sehtests entgehen; mit Hilfe der Computertomographie werden sie jedoch aufgedeckt.”

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.