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News: Wer bekommt die Kinder?

Will eine zukünftige Bienenmama ihre Brut nicht allein aufziehen, sollte sie sich ihre Nestkollegin zuvor genau ansehen – sonst könnte die Zusammenarbeit auf Kosten des eigenen Nachwuchses gehen.
Australische Biene klein
Edel sei die Biene, hilfreich und gut! Kein Wunder, dass ausgerechnet diese Insekten hier genannt werden, verzichten doch häufig viele Individuen zugunsten einer Artgenossin auf eigenen Nachwuchs. Und sie sind mit ihrem selbstlosen Verhalten nicht allein: Über 10 000 Insektenarten, mehr als 200 Vogelarten, 120 Säugetiere sowie manche Fische und Garnelen pflegen einen solchen Fortpflanzungs-Altruismus.

Wie das sein kann, versuchen zwei Modelle zu erklären, nach denen die Selbstlosigkeit gar nicht so selbstlos ist: Entsprechend dem einen schließen die Insekten eine Art Vertrag, in dem eine Biene dominiert und das rangniedrigere Tier nur so lange im Nest duldet, wie dieses kaum eigene Nachkommen hat. Nach dem "Tug-of-War"-Modell hingegen leben die Nestgenossinnen in einem beständigen Machtkampf, in dem permanent ausgefochten wird, wer wie viele Kinder bekommen darf. Bei diesem Tauziehen um das Recht auf Nachwuchs sollten Nester aus eng verwandten Tieren mehr Nachkommen haben als solche aus einander fremden Tieren, da sich eng Verwandte weniger stark bekämpfen – schließlich tragen Schwestern zu einem großen Teil die gleichen Gene.

Australische Bienen der Art Exoneura nigrescens brüten sowohl allein – dann allerdings ist ihnen meist nicht so viel Nachwuchs beschert – oder in Kooperation mit einer anderen Biene. Deswegen lässt sich an ihnen hervorragend untersuchen, wer sich unter welchen Bedingungen wie zahlreich vermehren darf, und wer das Nachsehen hat. Mit Hilfe dieser Immen lüfteten jetzt Philipp Langer und Laurent Keller von der Universität Lausanne zusammen mit ihren Kollegen das Geheimnis, wie diese Tiere bei einer Brutkooperation die Reproduktion untereinander aufteilen.

Da Gemeinschaftsnestern theoretisch ein besonders reicher Kindersegen beschieden sein sollte, vor allem, wenn die Bewohnerinnen durch enge Blutsbande verbunden sind, gab Langer seinen Untersuchungsobjekten Anreize zur Kooperation. Er setzte Bienen aus einem gemeinsamen Geburtsnest im Testgelände aus und bot ihnen nahe gelegene Nistplätze an. Zum Vergleich bekamen unter den gleichen Bedingungen Bienen aus unterschiedlichen Kinderstuben – die sich verwandtschaftlich also nicht nahe stehen – ebenfalls Wohnraum zur Verfügung gestellt. Nach der Brutperiode wurden die Immen eingesammelt und genetisch sowie zusätzlich nach morphologischen Gesichtspunkten analysiert. Anhand dieser Daten konnten die Kinder den jeweiligen Eltern zugeordnet werden.

Wie erwartet schlossen sich vor allem nah verwandte Bienen in Gemeinschaftsnestern zusammen, und das mit dem entsprechenden Bruterfolg: Sie teilten die Reproduktion etwa gleichmäßig untereinander auf, und deutlich mehr Jungbienen verließen ihre Nester als bei den Kooperativen nicht verwandter Artgenossinnen. Diese brüteten sowieso lieber allein als mit einer Fremden zusammen. Ließen sie sich doch auf eine Zusammenarbeit ein, stammte die Kinderschar zum Großteil von nur einer der beiden Nestbewohnerinnen.

Im Falle einer solchen Brutkooperation mit einer nicht Verwandten, müssen sich die Bienen entsprechend dem "Tug-of-War"-Modell ihr Recht auf Nachkommenschaft hart erkämpfen. So sind bei gemeinsam brütenden Exoneura nigrescens Sabotageakte keine Seltenheit: Die Bienen fallen über die Eier der Brutpartnerin her und fressen sie auf oder werfen kurzerhand deren Nachwuchs aus dem Nest. Da müsste man das "edel, hilfreich und gut" wohl noch einmal überdenken.
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