Wahrnehmung: Wer eine Waffe trägt, hält andere auch eher für bewaffnet
Leider passiert es immer wieder, dass unbewaffnete Zivilisten von Polizisten erschossen werden. Ein Beispiel hierfür ist der schwarze US-Bürger Stephon Clark, der 2018 in seinem Garten getötet wurde: Die Polizisten hatten ihn in der Annahme, er habe mehrere Autoeinbrüche begangen, bis zu seinem Grundstück verfolgt und dann das Telefon in seiner Hand fälschlicherweise für eine Pistole gehalten. Wie kann es zu so etwas kommen? Rassistische Stereotype spielen sicher eine Rolle. Ein anderer Grund könnte laut Jessica Witt von der Colorado State University der so genannte »gun embodiment effect« sein: Wer selbst eine Waffe in der Hand hält, nimmt sein Gegenüber auch eher als bewaffnet wahr.
Die Arbeitsgruppe unterzog mehr als 200 Probanden folgendem Experiment: Auf einer Leinwand wurden nacheinander Bilder eingeblendet, auf denen jeweils für knapp eine Sekunde eine maskierte Person zu sehen war, die mit einem Gegenstand auf die Kamera »zielte«. Die Probanden sollten mit Hilfe ihres ausgestreckten Arms anzeigen, ob die abgebildete Person eine Waffe hielt (Bewegung nach oben) oder einen Schuh (Bewegung nach unten). Hierbei trugen sie selbst entweder eine Waffenattrappe oder einen Spachtel in der Hand. Spezielle Sensoren zeichneten präzise ihre Bewegungen auf.
Der Effekt war subtil, aber eindeutig: Waren die Freiwilligen selbst »bewaffnet«, so brauchten sie einige Millisekunden länger, um den Gegenstand auf dem Foto als Schuh zu erkennen. Zudem stieg die Wahrscheinlichkeit um ein Prozent, dass sie ihn fälschlicherweise als Waffe klassifizierten. Übertragen auf die Realität bedeutet das: Begegnet ein bewaffneter Polizist an 250 Arbeitstagen im Jahr jeweils zehn Unbewaffneten, so wird er insgesamt 25 von ihnen fälschlicherweise als bewaffnet einstufen. Der Effekt bestand unabhängig von der Persönlichkeit, der Impulsivität oder den Waffenerfahrungen der Teilnehmer.
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