spektrumdirekt unterwegs: Wer hat Angst vorm bösen Wolf?
Jahrhundertelang war der Wolf in Deutschland ausgerottet. Nun kehrt er wieder zurück. Doch die Vorurteile gegenüber dem scheuen Tier sind noch immer verbreitet, ein Zusammenleben scheint schwierig. Die Wanderausstellung "Wölfe" zeigt, dass es wenig Grund gibt, Isegrim zu fürchten.
Langgezogen ertönt das Heulen einer einsamen Wölfin. Es klingt fast klagend. Eine ältere Frau presst den weißen Plastikhörer fest an ihr Ohr. "Stell dir mal vor, das hörst du nachts im Wald", flüstert sie ihrem Begleiter zu und reicht den Hörer weiter: "Da wird einem angst und bange."
Angst und Bange ist seit einigen Jahren auch so manchem Bewohner der sächsischen Lausitz. Hier ziehen seit dem Jahr 2000 wieder regelmäßig Wölfe durch die Wälder und aufgegebene Tagebaugruben, und seit 2005 leben zwei Wolfsrudel dauerhaft im östlichen Brandenburg und Sachsen: Der Wolf ist im Osten Deutschlands wieder heimisch geworden – und mit ihm sind auch viele Vorurteile und Ängste wieder präsent.
Was ist Mythos, was ist Wahrheit?
Die Wanderausstellung "Wölfe", konzipiert vom Staatlichen Museum für Naturkunde in Görlitz, will ihnen entgegentreten. Statt des umheimlichen Fabeltiers aus Sagen und Märchen will sie Canis lupus als das zeigen, was er ist – ein heimlicher Jäger, der dem Menschen nur selten gefährlich wird.
Seit Ende Juni hat die Ausstellung ihre Lager im Stuttgarter Naturkundemuseum im Löwentor aufgeschlagen. Zwischen riesigen Skeletten von urzeitlichen Echsen, Mammuts und Riesenhirschen führen schmale Wolfsspuren in den kleinen Bereich der Sonderausstellung. Mit den Pfotenabdrücken wird der Besucher nicht nur in die Ausstellung gelotst, sondern auch vorsichtig an die Erforschung des scheuen Tieres herangeführt. Woran erkennen Wildbiologen den Unterschied zwischen einer Wolfs- und einer Hundefährte? Und wie beobachtet man eigentlich ein Tier, das bei jeder Witterung eines Menschen schleunigst Reißaus nimmt?
Mit anschaulichen Texten, Bildern und Präparaten erklären die Ausstellungsmacher, wie die Wildbiologen in der Lausitz den Wölfen auf die Spur zu kommen versuchen – und geben so Stück für Stück mehr aus dem Leben Isegrims preis. Ein Blick durch ein Mikroskop etwa offenbart dem Besucher, was einer der Lausitzer Wölfe im vergangenen Jahr gefressen hat – anhand der unverdaulichen Überreste, die mit der Losung ausgeschieden wurden. Auf einer Landkarte werden zudem die weitläufigen Reviere der Beutegreifer deutlich: Mittels eines Senders haben die Biologen eine junge Wölfin verfolgt, ihre Aktivitäten protokolliert und sie auf der Karte zu mehreren nächtlichen Wanderungen zusammengefügt.
Problemlose Schafzucht
Auch die unangenehmen Aspekte des Zusammenlebens von Mensch und Wolf werden nicht ausgespart: Die häufigsten Beutetiere der Rudel sind zwar Rotwild, Rehe und Wildschweine. Eine unbewachte Schafherde jedoch ist für sie jedoch ebenso verlockend. Weil die Schafe wegen der Zäune zudem nicht fliehen können, reißen die Wölfe häufig mehr Tiere, als sie eigentlich fressen können – und festigen so ihren Ruf als blutrünstige Bestien.
Um solche Vorfälle zu vermeiden, hat das Land Sachsen eigens einen Wolfsmanager eingestellt. Er kümmert sich um Entschädigungszahlungen an Schafzüchter und unterstützt diese darin, ihre Herden angemessen vor den Fressfeinden zu schützen – zum Beispiel mit Herdenschutzhunden. Auch die Wildbiologen des Projektes LUPUS sollen mit ihren Beobachtungen dazu beitragen, durch intensive Beobachtung der Wölfe, aber auch durch Aufklärungsarbeit bei den Bürgern das Nebeneinander von Mensch und Raubtier zu erleichtern. Ein etwa zehnminütiger Film gibt Einblicke in ihre Arbeit.
Am Ende der kleinen Ausstellung trifft der Besucher dann endlich auf einen echten Wolf – als präpariertes Tier, ganz ohne fletschende Zähne oder Drohhaltung, wie sie die Ausstellungsmacher früherer Jahrhunderte bevorzugten. Und während die Erwachsenen noch die letzten Ausstellungstexte lesen, heißt es für die kleinen Besucher: Abtauchen. In einem bunt angestrichenen Holzverschlag, dem Waldlabyrinth, können sie sich noch ein wenig gruseln – mit Märchen und Sagen rund um den bösen Wolf. Die Ausstellung "Wölfe" ist noch bis zum 14. Dezember 2008 zu sehen.
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