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News: Wer Hunger hat, bestimmen die Hormone

Die Art und Weise, wie unser Gehirn von verschiedenen Organen eingehende Meldungen verarbeitet und schließlich dem Bewußtsein mitteilt, daß der Körper Hunger hat, liegt noch außerhalb unseres Verständnisses. Doch mit der Entdeckung neuer Hormone und der dazu passenden Gegenstücke auf den Nervenzellen ist ein wichtiger Schritt getan, das Rätsel von Hunger und Appetit ein wenig zu lüften.
Wissenschaftler am University of Texas Southwestern Medical Center in Dallas glauben, daß neuentdeckte Hormone, die im Gehirn erzeugt werden, die Entwicklung von Fettleibigkeit und Diabetes beeinflussen könnten. In der Ausgabe vom 20. Februar 1998 des Magazins Cell erläutern die Forscher, daß diese Neuropeptide (chemische Botenstoffe, die Signale von und zu Nervenzellen übertragen) den Appetit von Laborratten stimuliert haben. Die Namen der Hormone, Orexin-A und Orexin-B, sowie ihrer Rezeptoren, OX1R und OX2R, beziehen sich auf orexis, das griechische Wort für Appetit.

"Diese Rezeptoren und Liganden [die Hormone] regulieren das Eßverhalten, was ein sehr wichtiges Feld der medizinischen Forschung darstellt", sagte Masashi Yanagisawa, Professor für Molekulargenetik am Howard Hughes Medical Institute. Er hofft, durch weitere Studien klären zu können, ob die Orexine oder ihre Rezeptoren mit Medikamenten so beeinflußt werden können, daß dadurch die Eßgewohnheiten manipuliert werden.

Im ersten Teil ihrer Forschung entdeckten die Wissenschaftler die Rezeptoren. OX1R und OX2R sind eng miteinander verwandte Proteine. Binden die Hormone an diese Rezeptorproteine, so wird in der Zelle ein G-Protein aktiviert, das wiederum bewirkt, daß einige Gene an- bzw. abgeschaltet werden.

Erst im zweiten Schritt identifizierten die Forscher die zwei Liganden, Mitglieder einer bisher nicht beschriebenen Familie von Neuropeptiden, die an OX1R und OX2R binden und die Signalkaskade auszulösen. Diese Proteine sind in einem Bereich des Gehirns, dem seitlichen Hypothalamus, zu finden, der den Appetit steuert.

Nachdem sie festgestellt hatten, daß sie die Schlösser (Rezeptoren) und Schlüssel (Liganden) gefunden hatten, die zusammenpassen müssen, damit der interzelluläre Kommunikationsprozeß beginnen kann, machten die Forscher zuerst Versuche mit Ratten. Mit Hilfe von Kathetern wurden ein wenig der Neuropeptide in die Gehirne der Tiere eingegeben. Das Ergebnis war, daß die Proteine die Nahrungsaufnahme stimulierten.

"Als wir die Nahrungsaufnahme der Tiere begrenzten, wurden sogar noch mehr Neuropeptide erzeugt; genau das hatten wir von einem Hormon erwartet, das physiologisch den Appetit reguliert", sagte Yanagisawa. "Das Neuron teilt dem Tier mit, daß es hungrig ist, indem es die Orexin-Peptid-Produktion erhöhte. Mehr Peptide steigerten den Appetit des Tieres. Mit anderen Worten: Es ist Teil einer Rückkopplungsschleife im biochemischen Prozeß."

"Diese Neuropeptide sind eine sehr plausible molekulare Basis für einige klassische Experimente über Eßgewohnheiten," erläuterte er. "Die Frage ist: Wie steuert das Gehirn das hochkomplexe Eßverhaltens und das Körpergewicht?"

Das Gehirn verändert aufgrund von Informationen, die es von verschiedenen Organen empfängt, die Stoffwechselrate und beeinflußt so, wieviel Nahrung Menschen zu sich nehmen und wie schnell ihr Körper sie verbrennt. "Das Gehirn funktioniert wie eine black box: Es führt eine Unmenge von Funktionen bei der Verarbeitung all dieser Informationen aus", sagte Yanagisawa. Ein Teil dieses biochemischen Prozesses beinhaltet die Erhaltung des Gleichgewichtes zwischen Nahrungsverzehr und Energieverbrauch. Dies ist entscheidend bei der Festlegung, ob jemand fettleibig wird und/oder Diabetes mellitus entwickelt.

"Wir fangen nun an, das Nervennetzwerk zu verstehen und die molekularen Spieler zu erkennen, die an der äußert komplexen Regulierung des gesamten biochemischen Prozesses, genannt Appetit, beteiligt sind," erzählte er. "Wir glauben, daß Neuropeptide, einschließlich Orexinen, sehr wichtige Komponenten sind."

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