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Duelle: Wer zuerst zieht - schießt langsamer

Pistole und Cowboyhut
Die Hand zuckt zum Colt – und schon sinkt der Bösewicht, der gerade den Sheriff zum Duell herausgefordert hat, in den Wüstenstaub einer kleinen texanischen Provinzstadt. Für dieses Wildwest-Szenario hat sich sogar der Nobelpreisträger Niels Bohr interessiert: Der Physiker war fasziniert davon, dass der Erstziehende weitaus häufiger derjenige war, den der Bestatter anschließend auf der Straße aufsammeln musste – obwohl das Momentum eigentlich für ihn gesprochen hätte. Wahrscheinlich, so seine Theorie, laufe das beabsichtigte Ziehen und Schießen langsamer ab als die reflexhafte Reaktion des Gegenübers, weshalb dieses den zuerst zur Waffe greifenden Schützen häufiger erschießt.

In verschiedenen Tests mit nichts ahnenden Probanden haben Psychologen und Neurowissenschaftler um Andrew Welchman von der University of Birmingahm nun überprüft, ob die Legenden vom Highnoon-Revolverhelden wahr sind und Bohr Recht hatte. Dazu mussten die Testteilnehmer allerdings nicht ihr Leben riskieren, sondern sich im einfachen Knöpfchen-Drücken messen: Ausgehend von einem zentralen Knopf sollten sie zuerst den rechten und dann den linken Nachbarknopf pressen. Um sicherzustellen, dass der Versuch auch wirklich einem Duell glich, mussten die Opponenten den zentralen Knopf jeweils eine unbestimmte Zeit gedrückt halten, bevor sie "ziehen" konnten: Starteten sie zu früh, war der Versuch ungültig, ansonsten bekam der jeweilige Sieger Punkte gutgeschrieben.

Dieser Aufbau gewährleistete, dass jeder Schütze während des Wettbewerbs sowohl den Startschuss geben als auch auf die Handbewegungen des Gegenübers reagieren konnte. Und tatsächlich drückten die reagierenden Spieler die Knöpfe nacheinander im Schnitt 21 Millisekunden schneller als die Initiatoren – der Reflex beschleunigte also ihre Handlung.

Vom Sieg waren sie dennoch meist weiter entfernt als der zuerst agierende Spieler, beobachteten die Forscher: Zum einen machten diese weniger Fehler, da die reflexartigen Handlungen häufiger dazu führten, dass Knöpfe nicht richtig getroffen wurden. Vor allem aber dauerte es rund 200 Millisekunden, bis der Spielbeginn im Gehirn des Gegners die Bewegungsantwort auslöste – ein uneinholbarer Vorsprung zumindest bei diesem Versuchsaufbau.

"Als generelle Überlebensstrategie ist die schnelle und schmutzige Reaktion des Gehirns auf äußere Einflüsse sehr sinnvoll – trotz der winzigen Zeitunterschiede. Sie hätten einem im Wilden Westen beim Duell vielleicht nicht das Leben gerettet. Aber sie könnten einem das Leben retten, wenn es gilt, einem heranrasenden Omnibus auszuweichen", kommentierte Welchman das Resultat, welches zumindest im Detail nicht zu Bohrs Tests passen will: "Bohr prüfte seine Theorie selbst, indem er sich mit seinem Kollegen George Gamow und Spielzeugpistolen duellierte und dabei auf den reaktiven Ansatz baute. Er gewann jedes Mal und bewies damit auf den ersten Blick seine Überlegungen. In Wirklichkeit war er aber wohl einfach ein sehr guter Schütze."

Welchmans Team möchte nun herausfinden, ob zwei verschiedene Hirnareale die beiden unterschiedlichen Handlungsstränge auslösen. Hinweise darauf finden sich bei Parkinsonpatienten: Sie haben oft große Schwierigkeiten, beabsichtigte Bewegungen auszuführen – etwa auf Aufforderung, einen Ball von einem Tisch zu nehmen. Wirft man ihnen diesen Ball jedoch zu, so reagieren sie meist richtig und fangen ihn. Entsprechend ließen sich daraus vielleicht Therapieansätze entwickeln, mit denen Handlungsmuster der Betroffenen gezielt verbessert werden könnten. (dl)
  • Quellen
Welchman, A. et al.: The quick and the dead: when reaction beats intention. In: Proceedings of the Royal Society B 10.1098/rspb.2009.2123, 2010.

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