Paläoanthropologie: Westwärts
Homo antecessor heißt es - das menschliche Wesen, das erstmals westeuropäischen Boden betreten haben soll. Ein in Spanien aufgetauchter und über eine Million Jahre alter Unterkiefer lässt ahnen, wo die Wurzeln dieses Ureuropäer liegen könnten: weit im Osten.
"Knochengrube" ist ein treffender Name. In der Tat hat sich die "Sima de los Huesos" im nordspanischen Atapuerca-Gebirge bei Burgos als wahre Fundgrube für alte Knochen erwiesen. Eudald Carbonell von der Universität Rovira i Virgili in Tarragona gräbt hier seit über dreißig Jahren nach menschlichen Überresten. Mit Erfolg: Tausende von Fossilien, die dem Homo heidelbergensis – einem Vorläufer des Neandertalers – zugeordnet werden, sind hier bereits ans Tageslicht gekommen.
Nur zweihundert Meter von Gran Dolina liegt die Höhle Sima del Elefante. Hier stießen Carbonell und seine Kollegen am 28. Juni 2007 auf einen menschlichen Zahn. Wo ein Zahn ist, gibt es vielleicht noch mehr, sagten sich die Forscher und suchten weiter. Zwei Tage später kam tatsächlich der zugehörige Unterkiefer samt weiterer Zähne zum Vorschein.
Doch wie alt ist "ATE9-1" – so die Registriernummer des Fossils – wirklich? Paläomagnetische Analysen, die auf der regelmäßigen Umkehr des Erdmagnetfelds beruhen, lassen auf ein Alter der Fundstätte zwischen 780 000 und 1 780 000 Jahren schließen. Überreste von Nagetieren deuten darauf hin, dass das Fossil nicht älter als 1,4 Millionen Jahre alt sein kann. Und schließlich zeugen Aluminium- und Beryllium-Isotope von einem Alter von 1,2 Millionen Jahren. Damit ist der Rekord von Gran Dolina tatsächlich gebrochen.
Demnach wäre der europäische Kontinent vom Osten aus besiedelt worden:
Doch nicht alle Forscher sind von diesem Szenario überzeugt. "Selbst wenn der Antecessor eine echte Art sein sollte, wissen wir nicht, woher er stammt", schränkt Chris Stringer vom Naturhistorischen Museum in London den Enthusiasmus seiner spanischen Kollegen ein. Aber immerhin gesteht er zu: "Zusammen mit den aufkommenden archäologischen Zeugnissen deutet sich an, dass Südeuropa von Westasien aus besiedelt wurde, kurz nachdem der Mensch in Afrika entstanden ist – das hätten viele von uns noch vor fünf Jahren erheblich angezweifelt."
Als noch spektakulärer erwies sich die benachbarte Höhle Gran Dolina. Hier fanden 1994 die spanischen Anthropologen Fossilien, die sich von dem Heidelberg-Menschen so stark unterschieden, dass die Forscher eine neue Art kreierten: Homo antecessor – der "Vorgänger-Mensch" – könnte der Vorfahre sowohl des Neandertalers als auch des anatomisch modernen Menschen Homo sapiens sein. Mit einem geschätzten Alter von fast 800 000 Jahren stellt der Fund bislang den Rekord des ältesten (West-)Europäers dar. Ein Rekord, den es zu brechen gilt.
Nur zweihundert Meter von Gran Dolina liegt die Höhle Sima del Elefante. Hier stießen Carbonell und seine Kollegen am 28. Juni 2007 auf einen menschlichen Zahn. Wo ein Zahn ist, gibt es vielleicht noch mehr, sagten sich die Forscher und suchten weiter. Zwei Tage später kam tatsächlich der zugehörige Unterkiefer samt weiterer Zähne zum Vorschein.
Und nicht nur das: 32 Steinwerkzeugstücke – davon 23 noch nicht ganz fertiggestellt sowie fünf Ausschussexemplare – zeugen vom handwerklichen Geschick der Höhlenbewohner. Wofür sie ihre Steinschaber brauchten, zeigten die Tierknochen, deren Schnittspuren deutlich machen, dass hier keine Vegetarier am Werk waren.
Doch wie alt ist "ATE9-1" – so die Registriernummer des Fossils – wirklich? Paläomagnetische Analysen, die auf der regelmäßigen Umkehr des Erdmagnetfelds beruhen, lassen auf ein Alter der Fundstätte zwischen 780 000 und 1 780 000 Jahren schließen. Überreste von Nagetieren deuten darauf hin, dass das Fossil nicht älter als 1,4 Millionen Jahre alt sein kann. Und schließlich zeugen Aluminium- und Beryllium-Isotope von einem Alter von 1,2 Millionen Jahren. Damit ist der Rekord von Gran Dolina tatsächlich gebrochen.
Eine exakte Artbestimmung lässt der Unterkiefer noch nicht zu; "vorläufig" weisen Carbonell und Co ihren Fund ebenfalls dem Ureuropäer Homo antecessor zu. Er ähnelt nicht nur dem jüngeren Homo heidelbergensis, sondern auch einem Menschen, der deutlich früher an den Toren Europas klopfte: Vor 1,8 Millionen Jahren lebte zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer im heutigen Georgien eine Menschenart, die zunächst als Vertreter des Homo erectus galt, inzwischen aber von etlichen Forschern als eigene Spezies namens Homo georgicus angesehen wird. "Nach unsere Hypothese stammt der Antecessor vom Homo georgicus ab", schlussfolgert Carbonell.
Demnach wäre der europäische Kontinent vom Osten aus besiedelt worden:
"Nach unsere Hypothese stammt der Antecessor vom Homo georgicus ab"
(Eudald Carbonell)
Homo georgicus drang vor über einer Million Jahre bis in die hintersten Winkel Spaniens vor und wandelte sich über die Zwischenstadien Homo antecessor und Homo heidelbergensis schließlich zum Neandertaler, der über mehrere hunderttausend Jahre Europa beherrschen sollte. Verdrängt wurde er erst vor 40 000 Jahren, als sich ein neuer Einwanderer aus Afrika kommend in Europa breit machte: Homo sapiens. (Eudald Carbonell)
Doch nicht alle Forscher sind von diesem Szenario überzeugt. "Selbst wenn der Antecessor eine echte Art sein sollte, wissen wir nicht, woher er stammt", schränkt Chris Stringer vom Naturhistorischen Museum in London den Enthusiasmus seiner spanischen Kollegen ein. Aber immerhin gesteht er zu: "Zusammen mit den aufkommenden archäologischen Zeugnissen deutet sich an, dass Südeuropa von Westasien aus besiedelt wurde, kurz nachdem der Mensch in Afrika entstanden ist – das hätten viele von uns noch vor fünf Jahren erheblich angezweifelt."
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