News: Wettbewerb im Word Wide Web
Anders als in der realen Welt haben es die weniger bekannten Buchläden im Internet dabei ungleich schwerer auf sich aufmerksam zu machen. Denn oftmals entscheidet der kürzeste "Weg" für den Besuch eines bestimmten Geschäfts – und der ist in der Realität nun mal für jeden potenziellen Käufer unterschiedlich, sodass prinzipiell jeder Laden ein Chance hat. Im Internet wird allerdings in der Regel genau das zuerst gefunden, was am meisten verlinkt ist, denn auch Suchmaschinen benutzen diese Information für ihr internes Ranking – also die Priorität, mit der ein Eintrag angezeigt wird.
Den Links kommt also eine große Bedeutung zu, und so haben Forscher in der Vergangenheit bereits untersucht, wie sich denn die Verweise auf die Webseiten im Internet verteilen. Heraus kam, dass auf eine kleine Anzahl von bekannten Seiten eine große Zahl der Links entfallen. Das Gros der Internetangebote geht darin unter und muss sich mit einer kleinen Zahl an Verweisen begnügen. Mathematisch ausgedrückt handelt sich um eine Verteilung gemäß eines Potenzgesetzes.
Die Großen teilen sich also den Braten und die Kleinen haben keine Chance – ist das Web tatsächlich so ungerecht? David Pennock und seine Kollegen vom NEC Research Institute wollten es genau wissen und schauten sich die Verteilung der Links in verschiedenen Communities im Web an.
"Wir waren überrascht, so starke Unterschiede im Wettbewerb innerhalb einzelner Communities zu finden", erzählt der Forscher. Denn wie sich herausstellte, folgten die Verteilungen längst nicht immer einem Potenzgesetz. Es zeigte sich vielmehr, dass manche Gemeinschaften gar keine ausgeprägten Spitzenreiter in Sachen Verweisen hatten und so – prozentual gesehen – mehr Links auf die anderen Angebote entfielen. Die Verteilung der Internetseiten über die Zahl der Links war gleichmäßiger, entsprach dabei einer so genannten Lognormal-Verteilung mit einem Potenzgesetz als Schwanz.
Die Wissenschaftler entwickelten daraufhin ein Modell, wie Gemeinschaften wachsen, indem sie Links zu anderen Seiten nach gewissen Regeln setzen. Und wie sich zeigte, lieferte auch die Modellierung die gleichen Verteilungen wie die Realität. Zum Ausdruck kommt dabei beispielsweise der lokale Charakter einer Wettbewerbsgruppe. Denn während Buchhändler im Internet sicherlich den Anspruch haben, alle Kunden im Netz beliefern zu wollen – oder zumindest alle einer Sprache –, macht es für einen Fotografen wenig Sinn. Er ist eher interessiert, eine hohe Reichweite innerhalb seiner Zielgruppe zu erreichen, also den Menschen, die tatsächlich in seiner Nähe wohnen.
Entsprechend unterscheiden sich die Verteilungen für diese beiden Geschäftsmodelle erheblich. Das hat natürlich weitreichende Folgen, denn während für die Modelle mit annähernd Potenzgesetz-Verhalten nur gelten kann, "Sei möglichst der Erste, sonst wirst du keinen Fuß mehr fassen", dürfen es die Vertreter anderer Modelle, deren Analyse eher einer Lognormal-Verteilung entspricht, ruhig angehen lassen. Hier haben auch Nachzügler noch eine gute Chance, entsprechend Einfluss zu erlangen.
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