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Wetter in Deutschland: Das erste stabile Hoch seit einem Jahr

Seit September 2023 gab es über Deutschland keine stabile Hochdruckphase mehr. Doch im Oktober 2024 stellt sich ein Brummer ein - was für Südeuropa wenig Gutes bedeutet.
Die Sonne geht als gleißende helle Scheibe im oderbruch auf, der Himmel ist orange. Im Vordergund ist dunkel ein Turm erkennbar. Im Hintergrund befinden sich Bäume im Morgendunst, ganz hinten zeichnet sich ein Höhenzug ab
Goldener Herbst? Trotz des Hochdruckgebiets könnte es in den Flusstälern bei zähem Nebel bleiben.

Man mag es kaum glauben, aber zum ersten Mal seit September 2023 ist das Wetter wieder längere Zeit stabil und beständig. Ein kräftiges Hoch hat sich über Mitteleuropa ausgebreitet, Regen, Schnee und Sturm machen einen weiten Bogen um Deutschland. Nach all den Troglagen der vergangenen Monate, der frühen Sturmtiefs und Vb-Lagen im Frühling und Herbst 2024, den Unwetter-, Starkregen- und Dauerregenereignissen im Sommerhalbjahr und dem ganzen Siff und Sturm im Winter 2023/24 ist endlich Ruhe am Himmel eingekehrt. Beständigkeit und Stille: eine Wohltat in diesen stürmischen Zeiten.

Die Ruhe genießt auch Tobias Reinartz. Der Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst in Offenbach hat eine sehr anstrengende Zeit hinter sich, erzählt er. Das Wetter ließ ihm und seinen Kollegen kaum Verschnaufpausen. »Seit einem Jahr ist immer was los«, sagt er. Erst die Hochwasserlagen im Winter, dann der nasse, unwetterträchtige Sommer. Die Zeit sei sehr arbeitsintensiv gewesen, sagt er, weil der Wetterdienst neben Vorhersagen und Wetteranalysen auch vor Extremwetter warnen muss. Vor allem bei Gewittern sei deshalb noch mehr zu tun als ohnehin, sagt Reinartz, denn Warnungen müssen rechtzeitig herausgegeben werden.

Zudem sind Wettervorhersagen in einer dynamischen, energiegeladenen Atmosphäre ungleich schwieriger als während einer ruhigen Hochdrucklage. In labiler Luft geht die Vorhersage häufiger in die Hose oder die Menschen haben zumindest öfter das Gefühl, der Wetterbericht oder die Wetterapp stimme hinten und vorne nicht. Kein Wunder: Wie genau Regengebiete ziehen oder Schauer und Gewitter ausgelöst werden, lässt sich frühzeitig kaum präzise vorhersagen.

Jetzt also ein stabiles Hoch. Kein Zwischenhoch für zwei, drei Tage, das gleich wieder von anrückenden Tiefs weitergeschoben wird, sondern ein Hoch, das bleibt. Und damit die stabilste Phase seit vielen Monaten. Hoch Mitteleuropa nennen Meteorologen die Großwetterlage, die sich eingestellt hat. Den Einfluss der stabilen Schichtung der Atmosphäre können die Bundesbürger bereits in dieser Woche spüren, Regen oder Sturm sind kein Thema, nur im Südwesten schob sich am Dienstag eine kleine Regenfront herein. Sonst aber gilt: viel Sonne, kein Regen, angenehme Temperaturen. Das Land trocknet ab.

Schlechtwetterfronten verlaufen weit nördlich

Die Tiefdruckgebiete haben sich unterdessen weit nach Skandinavien verlagert. Der Grund: Das Hoch über dem Kontinent blockiert feuchte Luft vom Atlantik. Der Jetstream, der wetterbestimmende Höhenwind in der Atmosphäre, hat sich weit in den Norden verschoben, in eine für die Jahreszeit sehr nördliche Bahn, wie Tobias Reinartz sagt. Damit bleiben die Tiefs vorerst auf sicherem Abstand, allenfalls am Sonntag könnte ein Höhentrog den Westen streifen und kurzzeitig mehr Wolken und auch etwas Regen bringen. Zu Wochenanfang jedoch macht sich ein noch stärkeres Hoch über Europa breit. Dieses weitet seinen Einfluss Mitte nächster Woche von den Azoren bis zum Schwarzen Meer aus und legt sich anschließend direkt über Mitteleuropa – so zeigen es mittlerweile alle Wettermodelle. Bis Anfang November bleibt es überall trocken im Land.

Seit Juli 2023 war das anders. Reihenweise zogen kräftige Tiefs durchs Land oder bestimmten von außerhalb Mitteleuropas unser Wetter. Stabile, trockene und beständige Wetterphasen, die Wochen andauern und in den vergangenen Jahren Dauerbegleiter waren, stellten sich einfach nicht mehr ein – selbst im Sommer. Einzig im September 2023 beruhigte sich das Wetter noch einmal für etwas längere Zeit. Ein blockierendes Hochdruckgebiet in Form eines Omegas brachte Hochsommerwetter und viel Sonne. Doch seither herrscht erstaunlich oft Tristesse. Die Folge: Deutschland erlebte von Juli 2023 bis Juni 2024 den nassesten zwölfmonatigen Zeitraum seit Messbeginn 1881, meldete der Deutsche Wetterdienst. Gemittelt fielen im Bundesgebiet 1070 Liter pro Quadratmeter, das sind fast 300 Liter mehr als im Referenzzeitraum 1961 bis 1990.

Gesamtniederschläge in Deutschland 2024 | In weiten Teilen Deutschlands fiel 2024 deutlich mehr Niederschlag als im Mittel der letzten Jahrzehnte. Ausgenommen sind davon vor allem Regionen in Ostdeutschland, etwa im Regenschatten des Harzes, rund um Berlin und in Sachsen. Im Westen gilt das vor allem für den nordöstlichen Zipfel von Rheinland-Pfalz.

Und auch danach ging es nass weiter. In diesem Sommer rutschte immer wieder ein Tief von den Britischen Inseln über Frankreich nach Mitteleuropa. Kaum hatte sich ein einigermaßen beständiges Hochdruckgebiet aufgebaut, wurde es auch schon wieder verdrängt. Die dominanten Tiefs bildeten sich entlang eines umfangreichen Trogs, wie Meteorologen sagen. Solche Lagen sind beständig, weil vom Boden bis in große Höhen tiefer Luftdruck herrscht.

Sehr feuchtes Jahr

Anfang September dann zog der Herbst mit Macht ein, eine Vb-Wetterlage brachte heftige Unwetter im östlichen Mitteleuropa und sehr kühle Luft und zerstörte die letzte Hoffnung auf einen stabilen Spät- oder Altweibersommer. In weiten Teilen Deutschlands hat es deshalb bis Oktober schon mehr geregnet als in einem normalen Jahr; dabei stehen noch zwei Monate aus. In der Westhälfte und im Süden ist das Jahressoll bereits verbreitet erreicht, teilt der Deutsche Wetterdienst mit, in Mittelbaden, dem Saarland und am Niederrhein sogar weit übertroffen, zeigt eine Radardatenanalyse. Flächig fiel dort bis jetzt bereits das Anderthalbfache des üblichen Jahresniederschlags. Dieses Muster zeigen auch die Messstationen im Land, Spitzenreiter ist Saarbrücken-Durbach mit 167 Prozent der Jahresmenge.

Trotz des Hochs bleiben für Sonnenanbeter Probleme. Denn ob es auch wolkenlos und warm wird, ob der Oktober zum Abschluss noch einmal golden wird, ist mehr als fraglich. Das liegt daran, dass sich das Hoch etwas zu spät in der Jahreszeit festsetzt. Im Frühherbst wäre eine solche Wetterlage mit freundlichem Spätsommerwetter einhergegangen, jetzt bildet sich in den Niederungen oft Nebel. Die Sonne allein ist nicht mehr stark genug, um die feuchte Nebelluft aufzulösen, die Nächte sind lang, der Boden kühl – ideale Voraussetzungen für eine ausgeprägte Inversionswetterlage. Oben warm und sonnig, unten neblig-trüb: So könnte die Realität in der nächsten Woche aussehen. In den Flussniederungen im Süden könnte sich die Suppe daher ganztägig halten. »Da werden einige an ihren Barometern zweifeln«, sagt Reinartz. Garantiert sonnig und warm wird es nur in den höheren Lagen der Mittelgebirge. Wer kann, fährt also hoch.

Am Ende entscheidet der Wind. Nur er ist bei einer solche stabilen Schichtung der Atmosphäre in der Lage, die warme, fluffige Luft in der Höhe nach unten durchzumischen. Die besten Chancen auf Sonne in den Niederungen gibt es im Norden, wo die Täler nicht so tief eingeschnitten sind, dass sich die kühle Luft wie in einer Badewanne sammeln kann, und am Nordrand der Mittelgebirge. Hier kann sich am ehesten Föhn bilden, der die Nebelbänke auflöst. In allen anderen Flussniederungen Süddeutschlands beginnt hingegen die Nebellotterie, wie Meteorologen sagen. Reicht der Wind aus, um den Hochnebel aufzulösen? Das lässt sich heute kaum vorhersagen. Deshalb ist diese Wetterlage für Meteorologen zwar ruhig, aber auch knifflig. Zwischen Sonne und Nebel liegen oft nur ein paar hundert Meter.

Schwere Wochen für das Mittelmeergebiet

Deutlich unruhiger wird es dafür am Mittelmeer. »Wenn sich ein Hoch über Mitteleuropa etabliert, ist das meist mit dem Abtropfen eines Trogs über Südeuropa verbunden«, erklärt Karsten Haustein, Meteorologe an der Universität Leipzig. Ein solches von der Höhenströmung abgeschnürtes Höhentief (Cut-off-Tief) zieht nächste Woche über der Iberischen Halbinsel seine Kreise, in Norditalien und Südfrankreich schüttet es schon an diesem Wochenende.

Im Herbst sind solche Wetterlagen nicht unüblich, da das warme Wasser die Tiefdruckaktivität fördert und jede Menge Wasserdampf für starke Regenfälle bereitstellt. Wird es zwischen den Hochs regelrecht eingeklemmt, verharrt es längere Zeit in denselben Regionen. Sind zudem Berge im Weg, sei das Risiko für fatale Überschwemmungen am größten, sagt Haustein. Er rechnet damit, dass das südliche Katalonien und die Region Valencia am ehesten getroffen werden, Ausläufer des Trogs dürften im Laufe der nächsten Woche auch der Region Nizza und Monaco zu schaffen machen, da dort Alpen und Zentralmassiv die optimalen Bedingungen fürs Abregnen der Mittelmeerfeuchte bieten. Der Klimawandel verstärkt diese Starkregenereignisse, wie die italienische Region Emilia-Romagna in den vergangenen 18 Monaten viermal bitter erfahren musste, als große Teile gleich viermal geflutet wurden. Immerhin: Häufiger werden solche Wetterlagen nach bisherigen Erkenntnissen mit dem Klimawandel nicht, »nur« feuchter.

Ob der November das ruhige, zu Nebel neigende Hochdruckwetter in Mitteleuropa beendet, ist unklar. Die Modelle deuten tendenziell eine Fortsetzung der eingespielten Großwetterlage an, kurzzeitig könnte Polarluft vordringen. Nur eines scheint derzeit sehr unwahrscheinlich: eine windige und regenreiche Tiefdrucklage, ein Aufleben des Atlantiks als Wetterküche. »November Rain« gibt es in diesem Jahr vorerst also wohl nur im Radio.

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