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Wetter-Fernwirkung: Wenn Grönland schmilzt, wird der Sommer heiß

Die nächsten Sommer könnten wieder deutlich heißer werden - dank einer Fernwirkung aus dem hohen Norden. Das Schmelzwasser aus Grönland steuert unser Wetter.
Mehrere Menschen im Gegenlicht an einem Seeufer. Sieht sommerlich aus.
Die nächsten Sommer bringen hoffentlich etwas mehr Sonnenbrille und etwas weniger Gummistiefel.

In Deutschland war der Sommer 2023 eher durchwachsen, mit viel Regen besonders im August. Das dürfte sich in den kommenden Jahren ändern, denn eine Fernwirkung über den Nordatlantik verspricht Europa besonders heißes Sommerwetter. Wie eine Arbeitsgruppe um Marilena Oltmanss vom National Oceanography Centre im britischen Southampton berichtet, hängt unser Wetter stark davon ab, wie viel Eis in Grönland taut. 2023 floss sehr viel Schmelzwasser in den Atlantik, und das wird laut ihrer Studie in der Fachzeitschrift »Weather and Climate Dynamics« den Sommer in Europa in den Folgejahren trockener und wärmer machen. Ursache sind stärkere Temperaturunterschiede im Ozean, die im Sommer die Luftströmungen nach Norden ablenken. Dieses großräumige Muster bringt nicht nur häufigere Wärmeepisoden, sondern macht nach Angaben des Teams den Sommer auch besser vorhersagbar.

Anlass der Studie war weniger die Hoffnung auf sonnigen Strandurlaub als vielmehr ein zentrales Rätsel des Klimawandels. Seit Jahren weiß man, dass es einen Zusammenhang zwischen Eisverlusten in der Arktis und Extremwetter in Europa gibt. Doch durch welche Mechanismen das zu Stande kommt, ist bisher weitgehend mysteriös. Das Team um Oltmanns untersuchte, welche Rolle Schmelzwasser im Nordatlantik dabei spielt. Dafür wertete es Beobachtungsdaten zu Wetter, Ozean und Eisschmelze seit 1979 aus, um solche großräumigen Beziehungen zu erfassen. Außerdem nutzte es Computermodelle, um herauszufinden, über welche Effekte Eis und Ozean das Wetter steuern. Dabei zeigte sich ein klarer Zusammenhang zwischen dem Schmelzwasser vom grönländischen Eisschild und dem Wetter in Europa. Taut wie im Sommer 2023 besonders viel Eis in Grönland, fühlen wir die Auswirkungen jahrelang.

Mehr Schmelzwasser nämlich erzeugt im Nordatlantik eine schärfere Grenze zwischen kalten und warmen Wassermassen –und mehr Instabilität in der Atmosphäre darüber. Vor allem aber bringt das kalte Wasser in der Atmosphäre einen Höhentrog hervor, der die Luftströmung entlang Europas Westküste nach Norden ablenkt. Eine solche Großwetterlage geht oft mit wärmeren und trockenen Sommern einher. Außerdem zeigt eine statistische Analyse des Teams, dass die vom Schmelzwasser verursachte Temperaturveränderung rund 80 Prozent der Temperaturunterschiede zwischen den kältesten und wärmsten Sommern im Untersuchungszeitraum erklärt. Allerdings macht der mit etwas über 40 Jahren recht kurze Untersuchungszeitraum die Zusammenhänge wiederum unsicher.

Die Studie legt nahe, dass man das Schmelzwasser im Atlantik während des Winters als Frühwarnsignal für darauf folgende, besonders warme Sommer nutzen kann. Dabei bestimmt die genaue Verteilung des Schmelzwassers und die Lage der Temperaturgrenze, welcher Teil Europas außergewöhnlich warm und trocken wird. Im kommenden Sommer sei das besonders in Südeuropa der Fall, sagte Marilena Oltmanns laut einer Pressemitteilung. In den kommenden fünf Jahren werde auch in Nordeuropa ein außerordentlich warmer und trockener Sommer anstehen – genaueres könne man allerdings erst jeweils im Winter davor sagen. Ob die Eisschmelze in Grönland tatsächlich hilft, heiße Sommer in Deutschland besser zu erklären, muss sich deswegen noch zeigen. Denn nach den zurückliegenden Jahre würde man auch ohne weitere Datenanalyse nicht dagegen wetten, dass einer der nächsten fünf Sommer extrem wird.

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