Wetter: Was zur Katastrophe von Lytton führte
Neun Tage lang lastete eine extreme Hitzewelle über dem Westen Nordamerikas. Ende Juni, Anfang Juli lagen die durchschnittlichen Temperaturen zehn Grad Celsius über den normalen Werten; an manchen Tagen heizte sich die Luft sogar mehr als 30 Grad Celsius über das übliche Mittel auf. Und nur einen Tag, nachdem Lytton in der kanadischen Provinz British Columbia mit 49,6 Grad Celsius einen neuen Landesrekord aufgestellt hatte, verwüstete ein Buschbrand den Ort vollständig. Ein Team um Samuel Bartusek vom Lamont-Doherty Earth Observatory legt in »Nature Climate Change« die bislang umfassendste Studie vor, wie es zu dieser Katastrophe kommen konnte.
Die Arbeit bestätigt den bislang einzigartigen Charakter der Hitzewelle und die Rolle, die der Klimawandel dabei spielte. Bartusek und Co analysierten dazu Klimadaten seit den 1950er Jahren und verglichen sie mit täglichen Wetterbeobachtungen aus den Wochen vor und während der Hitzewelle. Ihre zentrale Schlussfolgerung: Ein solches Ereignis wäre ohne die vom Menschen verursachte Erderwärmung nur über eine extrem lange Zeitskala möglich gewesen – oder nach menschlichem Ermessen: praktisch unmöglich. Seitdem führte die atmosphärische Aufheizung jedoch dazu, dass ein solches Ereignis einmal alle 200 Jahre vorkommen kann. Die Eintrittswahrscheinlichkeit hatte sich also deutlich erhöht.
Zu diesem langfristigen Trend kamen dann noch verschiedene weitere klima- und wetterbedingte Einflüsse, schreibt das Team. An erster Stelle nennen die Wissenschaftler den Jetstream, der zur fraglichen Zeit quasi blockiert war. Statt leicht zu mäandrieren, buchtete er im Sommer 2021 stark nach Norden und Süden aus und verharrte für längere Zeit in diesem Muster, statt dass sich diese Wellen rasch von West nach Ost bewegten. Dadurch geriet der Westen Nordamerikas wie Skandinavien und Osteuropa sowie Teile Sibiriens unter starken Hochdruckeinfluss mit intensiver Zufuhr heißer Luftmassen von Süd nach Nord. Infolgedessen bildete sich über diesen Gebieten so genannte Hitzedome aus und stiegen die Temperaturen immer weiter in die Höhe.
Der Westen Nordamerikas wurde davon am schlimmsten getroffen, was an einer regionalen Besonderheit lag. Eine Reihe kleinerer atmosphärischer Wellen, die im westlichen Pazifik entstanden waren, bewegten sich ostwärts und verschmolzen über Land mit der größeren Jetstream-Welle, was diese intensivierte und festigte. Meteorologen konnten dieses Muster etwa zehn Tage vorher erkennen und warnten daher rechtzeitig vor der Hitzewelle.
Neben diesen Faktoren verschärfte noch ein weiterer, langfristiger Trend die Situation, der allerdings ebenfalls mit dem Klima zusammenhängt. Der Westen der USA und Kanadas trocknete in den letzten Jahrzehnten zunehmend aus, wodurch sich beispielsweise die Bodenfeuchtigkeit verringerte. Während der Hitzewelle verdunstete dadurch weniger Wasser aus der Vegetation und dem Boden, was früher dazu beigetragen hätte, die Aufheizung der Luft in Bodennähe zu mindern. Entsprechend erwärmte sich die Oberfläche und die darüber liegende Luft stärker. Tatsächlich stellten die Forscher fest, dass die Hitzewelle in den Regionen mit den trockensten Böden am extremsten war.
»Durch die globale Erwärmung wird der pazifische Nordwesten allmählich trockener«, sagt Mingfang Ting, Mitautor der Studie. Langfristig erhöht sich also die Wahrscheinlichkeit, dass derartige Extreme häufiger auftreten. Das deutete auch der Oktober 2022 an: Mitte des Monats wurden viele Tagestemperaturrekorde mit Spitzenwerten gebrochen, die eher für den Hochsommer als für den Herbst typisch sind. Das heiße und erneut zu trockene Wetter löste so intensive und großflächige Waldbrände aus, dass Seattle am 20. Oktober wegen des Rauchs die schlechteste Luftqualität aller Großstädte der Welt aufwies – noch vor den üblichen Kandidaten wie Peking oder Delhi.
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