Evolution: Wettrüsten machte den tropischen Regenwald so artenreich
Was tropische Regenwälder so sprichwörtlich artenreich macht, ist bisher noch weit gehend ungeklärt. Auch in Wäldern der gemäßigten Breiten ringen benachbarte Lebewesen um gleiche Ressourcen und werden durch natürliche Selektion in spezialisierte Nischen gedrängt. Warum also gibt es in den Tropen so viel mehr unterschiedliche Nischen? Phyllis Coley von der University of Utah und ihr Kollege Thomas Kursar schlagen jetzt eine positive Rückkopplung mit Pflanzenparasiten vor, die aus den geringen Standortvorteilen der Tropen den enormen Diversitätsvorsprung der dortigen Wälder machen.
Dass es in tropischen Regenwäldern so viel mehr Arten auf engem Raum gibt, erklärten Forscher zuvor unter anderem mit dem wärmeren und über lange Zeiten stabileren Klima oder der größeren Fläche tropischer Breiten. Diese Einflüsse belegen nach Ansicht der Autoren jedoch nicht den um ein Vielfaches größeren Artenreichtum. Dafür seien zusätzliche Kriterien nötig, nach denen sich Nischen unterscheiden können. Eine dieser zusätzlichen Dimensionen ist die Beziehung zwischen Pflanzen und Pflanzenfressern, von der Coley und Kursar annehmen, dass sie in den Tropen intensiver ist. Mehr Fraßdruck erzeugt mehr unterschiedliche Strategien, den Feinden auszuweichen, auf die sich wiederum einzelne Pflanzenfresser spezifisch einstellen. Dieses Wettrüsten führt dazu, dass in tropischen Wäldern Pflanzen sehr unterschiedliche Strategien verfolgen, auf die sich nur bestimmte Fraßfeinde spezialisiert haben. In den gemäßigten Breiten dagegen, so die Forscher, ist der Druck durch Parasiten und Pflanzenfresser gerade nicht hoch genug, um das extrem kostspielige Wettrennen in Gang zu bringen. Stattdessen übt dort das variablere Klima großen Selektionsdruck aus.
Forscherinnen und Forscher diskutieren intensiv die Bedeutung des Wettrüstens zwischen Jägern und Gejagten für die Evolution insgesamt. Nach der so genannten Red-Queen-Hypothese ist dieses Wechselspiel eine treibende Kraft der Evolution, während jüngere Forschungen an Modellen seine Bedeutung zu relativieren scheinen. In tropischen Regenwäldern jedoch gibt es gute Argumente dafür, dass die "Rote Königin" (das Konzept ist nach der Figur aus "Alice im Wunderland" benannt) die Wege der Evolution entscheidend mitsteuert – Coley und Kursar verweisen auf Ergebnisse, nach denen sich benachbarte und verwandte Tropenpflanzen tatsächlich vor allem in ihren Verteidigungsmechanismen unterscheiden.
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