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News: Wettrüsten zwischen Viren und Immunsystem

Das Kaposi-Sarkom war bis zur Einführung von antiretroviraler Therapien die häufigste Krebsart von AIDS-Kranken. Die Tumorzellen stehen in enger Verbindung zu einem Virus. Forscher fanden nun heraus, dass dieses Virus die Immunabwehr mit einer völlig neuen Strategie umgeht: Seine Gene veranlassen die Selbstzerstörung des zelleigenen Erkenungssystems für Fremdpartikel. Die Zelle wird dann unfähig, Eindringlinge für die anschließende Abwehr durch das Immunsystem zu kennzeichnen.
Jede Zelle Körperzelle des Menschen verfügt über ein oder mehrere Verteidigungssysteme. Die Hauptabwehr zellfremder Angreifer übernimmt dabei der Major Histocompatibility Complex oder MHC-1. Er besteht aus Proteinen, die wie Wachen an der äußeren Zellmembran postiert sind. Sie wehren Eindringlinge ab, indem sie diese markieren, damit das Immunsystem sie erkennen und schnell bekämpfen kann. Aber wie jede Verteidigung hat auch diese ihre Schwächen. Einige Viren sind in der Lage die Wachposten der Zelle zu blockieren und ausser Gefecht zu setzen.

Dass Viren die ausgeklügelte Verteidigungsanlage des MHC-1 auch auf andere Weise umgehen können, haben Wissenschaftler der University of California (UCSF) in San Francisco kürzlich bei Herpesviren des Kaposi-Sarkom entdeckt (Proceedings of the National Academy of Sciences vom 20. Juni, Abstract). Hierbei handelt es sich um eine Krebsart, die in Verbindung mit AIDS auftritt. Die verantwortlichen Viren schädigen die Zelle auf eine ganz besondere Weise. Wenn sie eine Zelle befallen, veranlassen zwei ihrer Gene den Wirt dazu, die "Wachposten" von der Zelloberfläche abzuziehen und sie in das Zellinnere zu befördern, wo sie anschließend vernichtet werden. "Die Strategie des Virus ist ein neuartiger Evolutionsweg im Rüstungswettlauf zwischen dem Immunsystem und den Viren", meint Donald Ganem vom Howard Hughes Medical Institute. Die Wissenschaftler beobachteten zu ihrer Überraschung zudem, dass die zwei Proteine, die von den Virusgenen exprimiert wurden, weit entfernt von ihrem eigentlichen Wirkort an der Zelloberfläche agieren. "Wir waren verblüfft zu entdecken, dass – während Endosomen die Wachen des MHC-1 an der Zelloberfläche einhüllen – die Viren-Proteine sich tief im Innern der Zelle befinden", berichtet Laurent Coscoy. Hierfür vermutet er zwei mögliche Ursachen: Entweder wandert eine nicht nachweisbare Anzahl der Viren-Proteine doch zur Zellmembran, oder sie lösen im Inneren der Zelle eine Signalkette aus, welche die Proteine der Zellmembran den MHC-1 auszuliefern.

Bis zum Einsatz von modernen antiretroviralen Therapien bei AIDS-Infektionen war das Kaposi-Sarkom die häufigste Krebsart der Immunschwäche-Kranken. Behandlungsmethoden, die jetzt das AIDS-Virus kontrollieren, wirken sich ebenso auf dieses Virus aus. Da die Patienten nun weniger immunschwächende Medikamente erhalten, können sie die Vervielfältigung des Virus auch besser kontrollieren – trotz dessen Fähigkeiten zur Überlistung des Immunsystems. Ist aber die natürliche Abwehr des Patienten angeschlagen, wirkt sich die Aktivität des Virus positiv auf die Bildung von Tumoren aus.

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