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Krebs: Wichtiges und Unwichtiges im Tumorchaos

Epigenetik - Gene zum Schweigen gebracht

Krebs ist eine komplexe genetische Erkrankung: Je nach Sorte des Tumors hebeln unterschiedliche Mutationen durch unglücklich verkettete Effekte nach und nach alle Reparaturmechanismen der Zellen aus. Aber zusätzlich zu den fatal veränderten Genen, die den Krebs außer Kontrolle geraten, wachsen, sich vermehren und schließlich metastasieren lassen, sammeln sich auch viele rein zufällige Mutationen an, die keine eigentlich bedrohlichen Folgen haben. Tumormediziner, die das Geschehen verstehen und stoppen wollen, müssen solche genetischen Kollateralschäden von den tumortreibenden Mutationen unterscheiden lernen. Das fällt trotz enormer Fortschritte bei den Hochleistungsgenanalysen schwer. Elaine Fuchs vom Howard Hughes Medical Institute in New York und ihre Kollegen glauben nun aber, einen neuen Weg gefunden zu haben, krebstreibende und zufällige Mutationen in Tumoren auseinanderzuhalten.

Die Forscher übten ihren Ansatz in einer Tumorzelllinie, die Mäuse anfällig für Plattenzellkarzinome macht, den beim Menschen zweithäufigsten bösartigen Hauttumor. Mediziner kennen bereits einige genetische und epigenetische Details der Entartungskarriere dieser Krebszellen: Fünf typische Krebsgene tragen Mutationen, ein Wachstumsfaktorrezeptor ist krankhaft hoch-, ein anderer fatal heruntereguliert. Zudem enthüllten genetische Analysen aber Hunderte von zusätzlichen Mutationen mit ungeklärter Bedeutung in den Krebszellen.

RNA-Interferenz: Arbeitsteilung verschiedener Enzyme | Der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin des Jahres 2006 ging an die Amerikaner Andrew Fire und Craig Mello – sie hatten den wichtigen zellregulatorischen Prozess der RNA-Interferenz und die beteiligten biochemischen Mechanismen auseinandergedröselt. Bei der RNAi zerhäckselt die Endonuclease "dicer" zunächst doppelsträngige RNA in kleinere Stücke (siRNA). Der sequenzhomologe antisense-Abschnitt dieser kurzen RNA-Schnipsel wird dann vom "RISC-Komplex" aufgenommen und mit dem Ziel-Boten-RNA-Strang verpaart. Daraufhin schneidet RISC die Boten-RNA ab, sie wird anschließend abgebaut.

Schramek und Kollegen nahmen sich nun exakt 347 dieser Mutationen an, um herauszufinden, welche von ihnen gefährlich oder eher harmlos sind. Dazu schalteten sie die Gene in Mäusen einzeln mit einem gentechnischen Trick ab: Sie blockierten sie durch RNA-Silencing mit verschiedenen spezifischen shRNA. Anschließend überprüften sie, ob das Abschalten eines Gens Krebs fördert oder nicht. Dieser Trick funktioniert, beobachteten die Forscher: Wenn sie auf diesem Weg schon bekannte, wichtigen Tumorgene abschalten, erhöht sich tatsächlich die Krebsanfälligkeit drastisch.

Mit dem gezielten RNA-Silencing gelang es den Forschern schließlich, weitere sieben wichtige Krebsgene zu entlarven. Zu den neuen Tumorgenen zählt etwa das Gen Myh9, welches ein bestimmtes Mysosin-Protein kodiert, das für Bewegungsprozesse in Zellen eine Rolle spielt – aber offenbar auch für die Funktion des wichtigen Krebsregulators p53, wie die Forscher ermittelten. Dieser Zusammenhang war bislang nicht klar gewesen. Ein Blick in Krebsdatenbanken informierte die Forscher zudem darüber, dass menschliche Patienten mit Plattenzellkarzinomen und Mutationen im Myh9-Gen tatsächlich eine schlechtere Prognose hatten als solche ohne diese Genveränderung. Schrameks Team glaubt daher, dass ihre Methode tauglich wäre, um individuelle Genanalysen aussagekräftiger zu machen. Auch bislang im Mutationshintergrundrauschen untergehende Veränderungen, deren Wirkungen aber womöglich fatal sind, könnten so entlarvt werden, hoffen die Tumorgenetiker.

  • Quellen
Science 343, S. 309–3313, 2014

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