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News: Wie Asthmamittel verpulvert werden

Wenn asthmageplagten Menschen bei einem Anfall die Luft wegbleibt, ist schnelle Hilfe lebenswichtig. In der Asthmatherapie haben sich eine Reihe von Wirkstoffen lange bewährt. Sie wurden jedoch bisher häufig als Spray mit Hilfe von Trägergasen, die Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKWs) enthalten, eingenommen. Seit 1991 sind die klimaschädigenden Stoffe in Deutschland verboten. Für Asthmamedikamente bestehen bisher noch Ausnahmegenehmigungen, doch arbeiten viele Forscher an neuen Formen der Verabreichung.
In den Industrieländern gehört Asthma zu den Volkskrankheiten. Während die anfallsweise auftretende schwere Atemnot bei Kindern und Jugendlichen häufig von allein wieder aufhört, verläuft die Krankheit bei Erwachsenen meistens chronisch. Bei einem Asthmaanfall verengen sich die Bronchien, so daß die Patienten kaum mehr Luft bekommen. Auslöser von Asthmaanfällen sind häufig Allergene wie Pollen oder Hausstaubmilben, Tierhaare oder Bettfedern, aber auch Infektionen. Außerdem tritt Asthma in Verbindung mit manchen Herzkrankheiten auf. "Um einen akuten Anfall zu stoppen, müssen die Asthmamedikamente direkt in die Lunge eingeatmet werden", sagt Peter Christian Schmidt von der Universität Tübingen, der in Zusammenarbeit mit einer Firma an neuen Darreichungsformen für Astmamittel forscht. Dabei ist die Größe der Teilchen entscheidend. Sind sie zu groß, bleiben sie bereits im Bereich von Nase, Mund oder Rachen liegen. Sehr kleine Teilchen, die unter einem tausendstel Millimeter im Durchmesser liegen, sind ebenfalls wirkungslos, weil sie sofort wieder ausgeatmet werden. Am günstigsten ist ein Teilchendurchmesser von zwei bis dreitausendstel Millimetern. Die Medikamente gelangen dann an den eigentlichen Zielort, die feinen Bläschen in der Lunge. Das Medikament läßt sich auch als Pulver verabreichen. Eine große Staubwolke, die den Anwender zusätzlich zum Husten bringen könnte, entsteht dabei nicht. Denn es sind nur geringe Mengen von einem bis zwei Milligramm notwendig. Bei den Asthmasprays mit FCKW-haltigen Trägergasen, die seit den 50er Jahren im Einsatz sind, verdampft das Trägermittel bei der Anwendung sofort, so daß ebenfalls ein Pulver übrig bleibt.

Für die FCKW-haltigen Trägergase ließ sich Ersatz finden. Mit zwei neuen Treibmitteln wurde in der pharmazeutischen Industrie versucht, die Asthmamittel wieder genauso sicher zu dosieren. Doch obwohl die Wirkstoffe gegen die anfallsweise Atemnot die gleichen geblieben sind, ist dies lange nicht so einfach wie es sich anhört. "Die Lösungseigenschaften der neuen Treibmittel waren völlig anders, auch die Schmierfähigkeit für die bei den Aerosoldosen notwendigen Ventile. Das mußte alles neu aufeinander abgestimmt und entwickelt werden", erläutert Schmidt den schwierigen Prozeß. Für die Asthmapatienten ist es aber lebenswichtig, daß alles reibungslos funktioniert. "Der finanzielle Aufwand bei der Umstellung war sehr hoch und aus patentrechtlichen Gründen war dieser Weg auch nicht für alle Pharmafirmen interessant", erklärt der Pharmazeut.

Die Überlegungen gingen daher in eine neue Richtung: Das Treibmittel sollte ganz eingespart werden und die Patienten sollten das Pulver mit den Wirkstoffen direkt einnehmen. "Etwa 40 verschiedene Geräte mit unterschiedlichen Mechanismen kamen auf den Markt", sagt Schmidt. Darunter waren viele Geräte mit sogenannten Eindosen-Behältern, zumeist kapselförmige Verpackungen, in denen jeweils das pulverförmige Asthmamedikament für eine Anwendung steckte. Viele der Geräte funktionieren so, daß auf Knopf- oder Hebeldruck die Verpackungskapsel durchstoßen wird und der Anwender das Pulver mit dem Atemstrom in die Lunge gelangen läßt. Bei den Mehrdosen-Behältern reicht die Pulvermenge für mehrere Anwendungen. Sie wird zum Beispiel durch Drehen des Gerätes abgeteilt. "Manche Mechanismen sind so kompliziert, daß die Handhabung den Patienten gerade während eines Asthmaanfalles schwer fallen dürfte", meint Schmidt.

Das größte Problem bei diesen Geräten ist jedoch, daß die Pulverteilchen des Asthmamittels durch Aufnahme von Feuchtigkeit aus der Luft zum Verkleben neigen. Die Firma, mit der Schmidt zusammenarbeitet, will daher das Asthmamedikament nicht als loses Pulver verwenden, sondern in Form einer Tablette. Bei einem Asthmaanfall wird dann die notwendige Dosis frisch gepulvert. "Die Tablette ist kompakt und zieht kaum Wasser an, sie verklebt nicht", erklärt Schmidt. Ein mechanisches Gerät für die neue Darreichungsform ist bereits als Prototyp entwickelt: Auf Knopfdruck schaben scharfe Messer in einer Drehung eine einzelne Dosis Asthmamittel von der Tablette ab. Gleichzeitig mit dem Auslösen des Abschabeemechanismus sollte der Asthmapatient das Pulver einatmen. "Die Tablette in dem Prototyp des Geräts ist so groß, daß sie für 300 Dosen reicht", sagt Schmidt. Die Tablette muß ringförmig sein, damit das Pulver durch die Atemluft zentral eingeatmet werden kann. Doch kann die Tablette durch die Herstellung beim Preßvorgang an verschiedenen Stellen eine unterschiedliche Dichte aufweisen. "Das liegt daran, daß der Druck direkt an den Stempeln der Tablettenpresse größer ist als in der Mitte der Tablette", so Schmidt. Er erforscht nun mit seiner Arbeitsgruppe, wie sich eine völlig gleichmäßig gepreßte Tablette herstellen läßt.

Mit einer isostatischen Pressung in Flüssigkeit gibt es zwar bereits ein Verfahren, mit dem sich gleichmäßig dichte Tabletten herstellen lassen. Dabei wird eine lange Tablette hergestellt, die dann – ähnlich wie eine Wurst – in Scheiben geschnitten werden kann. Doch ist dieses Verfahren technisch und finanziell sehr aufwendig. "Wir haben versucht, bei der Verpressung der Tabletten auf einer normalen Tablettenpresse die Dichteunterschiede zu minimieren. Wenn Randbedingungen wie etwa der Preßdruck variiert werden, können bessere Ergebnisse erzielt werden", erklärt der Pharmazeut. Die neue Darreichungsform befindet sich bereits in der Endphase der Zulassung. Das Gerät mit dem Schneidemechanismus ist teuer, doch soll, wenn eine Tablette verbraucht ist, nur das Kopfteil mit der Tablette gewechselt werden. "Auf die Dauer ist unsere Neuentwicklung preiswert, denn momentan favorisiert die Industrie Geräte mit 60 Dosen, die in kleinen Näpfen an einem langen Band enthalten sind. Die Herstellung dieser Patronen ist sehr teuer und das Gerät wird im Ganzen weggeworfen, wenn sie verbraucht sind", vergleicht Schmidt. Abzuwarten bleibt jedoch, ob das neue Gerät in die Erstattung der Krankenkassen aufgenommen wird, sonst ist es wirtschaftlich uninteressant. Schmidt rechnet damit, daß die Technik für die neue Darreichungsform von inhalierbarem Pulver in etwa einem Jahr abgeschlossen sein wird. Man könne dann darüber nachdenken, auch andere Medikamente wie etwa Insulin auf diesem Weg anzuwenden. "Das ist aber noch Zukunftsmusik", betont der Forscher.

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