Meeresbiologie: Wie ausgestorben
"Einmal im Leben das Great Barrier Reef sehen, bevor es zu spät ist", so denkt wohl jeder, der sich für den Reiz der Unterwasserwelt begeistern kann. Doch nicht nur die Korallenriffe selbst sind in Gefahr: Mit ihnen verschwindet auch eine Vielzahl an Fischarten, und zwar mehr als bisher angenommen.
Es ist nicht nur die Überfischung, die den Fischbeständen unserer Meere zusetzt. Die globale Erwärmung und der Eintrag von Schadstoffen tragen ebenso ihren Teil dazu bei – indirekt, indem sie vielen Fischen ihren Lebensraum rauben. Dazu gehören auch Korallen: Intakte Riffe werden weltweit immer seltener und mit ihnen eine ganze Reihe von Fischarten. Und wer glaubt, von dieser Entwicklung seien nur ausgesprochene Riffspezialisten betroffen, hat sich getäuscht. Auch Arten, die nur eine lose Beziehung mit den stockbildenden Polypen verbindet, sind letztendlich auf sie angewiesen.
Wie sehr, zeigte Geoffrey Jones von der australischen James-Cook-Universität von Queensland in Townsville in einer achtjährigen Studie. Er untersuchte mit seinen Kollegen Korallenriffe vor Papua-Neuguinea, und das sowohl in Meeresschutzgebieten als auch in befischten Zonen. Mit vier Familien beschäftigten sich die Forscher besonders intensiv: Doktor- und Einhornfische (Acanthuridae), Korallen- und Riffbarsche (Pomacentridae), Falterfische (Chaetodontidae) und Lippfische (Labridae) nahmen sie zwischen 1997 und 2003 einmal im Jahr genauestens unter die Lupe, um zu klären, wie viele Arten im Riff auftauchen und inwieweit sie die Korallen zur Nahrungsaufnahme, als Unterschlupf oder als Kinderstube nutzen.
Parallel verfolgte das Team, wie sich die Riffe in den acht Jahren veränderten – und stellten dabei ein erschreckendes Ausmaß fest: Lebende Korallen bedeckten gegen Ende der Untersuchung nicht einmal mehr ein Neuntel der ursprünglichen Fläche. Auf den abgestorbenen Stöcken breiteten sich Algen aus. Die Korallenbleiche, ein erhöhter Sedimenteintrag aus Flüssen und der sich explosionsartig ausbreitende, Korallen fressende Dornenkronenseestern waren vermutlich für diese dramatische Entwicklung verantwortlich.
Und die Fische? Bei mehr als drei Viertel der untersuchten Arten nahm die Anzahl der Tiere ab, bei der Hälfte davon sogar um mehr als fünfzig Prozent – gleichgültig, ob Schutzgebiet oder Fischfangzone. Und betroffen waren bei weitem nicht nur die Spezialisten unter den Fischen. In einer Vorstudie hatten die Forscher herausgefunden, dass nur sehr wenige der im Untersuchungsgebiet lebenden Arten ausschließlich in Korallen leben.
Ungeschoren kamen nur jene Arten davon, die totes Korallenmaterial und Gesteinsschutt bevorzugen. Sie waren es auch, die am Ende die Fischgemeinschaft dominierten. Etwas Ähnliches geschieht, wenn eine Lichtung im Wald entsteht und sich zunächst ganz andere Arten ansiedeln – mit einem entscheidenden Unterschied: Ist die Lichtung nicht allzu groß, werden an dieser Stelle irgendwann wieder Bäume aufkommen – die Korallen dagegen müssen den Algen kampflos das Feld überlassen, die ursprüngliche Lebensgemeinschaft ist für immer verloren.
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