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Hirnforschung : Wie das Gehirn ein gerechtes Urteil fällt

Für ein Vergehen können wir manchmal verschiedene Strafen als gerecht empfinden  – je nachdem, ob der Täter mit Absicht gehandelt hat oder nicht. Forscher haben nun enträtselt, wie diese Entscheidungen im Gehirn zu Stande kommen.
Schweres Urteil

Wie entscheiden wir, welche Bestrafung für ein Verbrechen angemessen ist? Eine Antwort auf diese Frage suchen Psychologen und Neurowissenschaftler bereits seit geraumer Zeit – etwa um aufzudecken, welche Einflüsse das Urteil von Richtern oder Geschworenen verzerren können. Verschiedene Studien haben bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass wir uns im Bezug auf die passende Strafe vor allem von unseren Gefühlen leiten lassen, also davon, wie schlimm uns der durch die Tat entstandene Schaden vorkommt. Einen noch größeren Einfluss haben allerdings die Absichten des Täters: Schadet jemand einer Person unbeabsichtigt oder war das Ganze vielleicht gar ein tragischer Unfall, dann neigen wir dazu, auch die schlimmsten Taten schon mal zu verzeihen.

Schweres Urteil | Rechtspsychologen helfen Richtern zu erkennen, ob ein Zeuge lügt oder nicht.

Welche Hirnregionen solche Abwägungen beeinflussen, haben nun René Marois von der Vanderbilt University in Nashville und sein Team untersucht. Die Wissenschaftler konfrontierten insgesamt 30 Probanden im Magnetresonanztomografen mit verschiedenen Kurzgeschichten, in denen ein Protagonist namens John einem anderen schadete. Dabei ging es unterschiedlich schlimm zu: In einigen Szenarien war von Sachbeschädigung oder Körperverletzung die Rede, in anderen waren dagegen Tod oder Verstümmelung die Folge. In manchen Geschichten handelte John mit Absicht – schubste also beispielsweise seinen Freund beim Bergsteigen bewusst den Hang hinunter –, in anderen trug er nur aus Versehen zum Unglück bei. Die eine Hälfte der Versuchsteilnehmer bekam recht nüchterne und sachliche Umschreibungen der Taten ausgehändigt, die andere las dagegen eher bildhafte und emotionale Texte. Nach jeder Geschichte mussten die Probanden schließlich auf einer Skala von null bis neun bewerten, wie hart John für sein Handeln bestraft werden sollte.

Wie erwartet entschieden sich die Versuchspersonen, welche die emotionaleren Geschichten gelesen hatten, insgesamt für härtere Strafen. Mit einem Blick auf die Hirnscans stellten die Wissenschaftler fest, dass bei diesen Teilnehmern auch die Amygdala besonders aktiv war – eine Hirnstruktur, die Informationen emotional einfärbt. Außerdem sendete die Amygdala auch mehr Signale an den dorsolateralen präfrontalen Kortex, der bei Entscheidungsprozessen eine wichtige Rolle spielt. Dadurch wurden die Urteile der Probanden durch die gefühlsbetonteren Beschreibungen verzerrt.

All diese Effekte zeigten sich jedoch nur, wenn der Protagonist in der Kurzgeschichte mit voller Absicht gehandelt hatte. War das Unglück ein Versehen, fiel das Strafmaß bei beiden Gruppen gleich mild aus. Im Gehirn der Versuchspersonen regten sich ebenfalls andere Areale: Nun wurde der dorsale anteriore zinguläre Kortex aktiv, der wiederum die Signale der Amygdala reguliert. So konnte diese keinen Einfluss mehr auf die Entscheidungsfindung nehmen, und die Urteile der Probanden blieben moderat.

Der dorsale anteriore zinguläre Kortex erhielt dabei verstärkt Input von einer Hirnregion, die dafür sorgt, dass wir uns in andere hineinversetzen können, der so genannte temporoparietale Übergang. Alles in allem, so schließen die Forscher, blockt der anteriore zinguläre Kortex also emotionale Signale ab, wenn dem Täter bei einer Straftat der Vorsatz fehlt – und sorgt damit dafür, dass wir anderen auch bei schweren Vergehen keine zu harten Strafe auferlegen.

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