Neurowissenschaft: Wie das Gehirn neue Gewohnheiten formt
Mehr Sport treiben, gesünder essen, weniger auf der Couch rumhängen – sein Leben umzukrempeln ist gar nicht so einfach. Am leichtesten fällt es uns oft, wenn wir ein neues Verhalten so konsequent durchziehen, dass es quasi zur Gewohnheit wird. Dann ziehen wir irgendwann ganz automatisch die Laufschuhe an, wenn wir nach Hause kommen, oder greifen bei Hunger ohne viel Nachdenken zum Apfel statt zur Chipstüte.
Nicht nur beim Menschen, auch bei Tieren gibt es viele automatische Verhaltensmuster. Was im Gehirn vor sich geht, wenn neue Gewohnheiten entstehen, hat nun ein Team um Kyle Smith vom Dartmouth College in einem Experiment mit Ratten ergründet. Dazu trainierten die Forscher die Tiere darauf, sich in einem kreuzförmigen Labyrinth zu bewegen, in dem immer an derselben Stelle ein Leckerli auf sie wartete. In früheren Untersuchungen hatten die Wissenschaftler bereits herausgefunden, dass die Aktivität in einer speziellen Region im Gehirn, dem dorsolateralen Striatum, damit zusammenhing, wie souverän die Tiere die Aufgabe meisterten. In ihrem aktuellen Experiment erhöhten oder dämpften sie die Aktivität dieses Areals daher mit Hilfe von Methoden aus der Optogenetik. Dabei werden in aller Regel lichtempfindliche Proteine in die Neurone eingebracht, die dann dafür sorgen, dass sich die Zellen durch Lichtreize praktisch fernsteuern lassen.
Regten Smith und Kollegen auf diese Weise das dorsolaterale Striatum der Ratten, eine halbe Sekunde nachdem diese im Irrgarten losliefen, an, bewegten sie sich zielstrebiger auf die Position mit dem Leckerli zu. Offenbar mussten sie gar nicht mehr groß über den Weg nachdenken – es wurde einfach für sie zur Gewohnheit, immer an derselben Stelle abzubiegen. Blockierten die Forscher hingegen die Neurone im Striatum der Tiere, bewegten diese sich nur noch langsam und unschlüssig durch das Labyrinth. Stimulationen zu anderen Zeitpunkten zeigten keinen Effekt, woraus die Forscher schließen, dass das Striatum gleich zu Beginn einer Handlung aktiv sein muss, damit das Gehirn ein gewohnheitsmäßiges Verhaltensmuster abspult.
Das Team um Smith hofft, dass sich aus diesen Erkenntnissen vielleicht einmal Behandlungsoptionen für Menschen ableiten lassen, die unter schweren, therapieresistenten Zwangsstörungen oder Zwangshandlungen leiden. Die Optogenetik ist in diesem Fall allerdings wohl raus: Zur Anwendung beim Menschen kommt die Methode bislang nicht in Frage.
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