News: Wie das Herz zusammenfindet
Um die Entwicklung des Herzens in den Zebrafischembryonen untersuchen zu können, wandten die Forscher eine Methode an, die als "zufällige Mutagenese" bezeichnet wird: Sie setzten das Erbgut der Fische einer Chemikalie aus, die viele willkürliche Veränderungen in der DNA der Tiere hervorruft. Dann suchten die Wissenschaftler die Mutationen heraus, welche die Entwicklung des Herzens störten. Auf diese Weise identifizierten sie 58 an diesem wichtigen Prozess beteiligte Gene. Eine Mutation, die verhinderte, dass die beiden Herzknospen zueinander finden, nannten sie miles apart – weil ein Mitglied der Arbeitsgruppe sich an seine auf einem anderen Kontinent lebende große Liebe erinnert fühlte.
In einem gerade mal 22 Stunden alten und Stecknadelkopf-großen Zebrafischembryo müssen die beiden aus den gegenüberliegenden Körperhälften stammenden Herzhälften zusammenkommen und zu einem Organ verschmelzen, bevor es zu schlagen beginnen kann. Eine miles apart-Mutation verhindert allerdings, dass die ursprünglichen Herzknospen ihren Weg zur Körperachse – der so genannten Mittellinie – finden. Als die Wissenschaftler das betroffene Gen isolierten und sequenzierten, entdeckten sie, dass es die Information für einen Rezeptor enthält. Dieser ist die Andockstelle und der Signalübermittler für Sphingosin 1-phosphat (S1P) und kommt vor allem im Bereich der Mittellinie verstärkt vor (Nature vom 13. Juli 2000). Vermutlich ruft S1P, wenn es an seinen Rezeptor bindet, eine Reaktion hervor, welche die beiden Herzanlagen auf eine noch unbekannte Weise zur Körpermitte zieht.
Dass S1P bei dieser Vereinigung eine Rolle spielt, ist überraschend, meint Stanier. Denn bei den meisten bisher bestimmten Molekülen, die an Entwicklungsprozessen beteiligt sind, handelt es sich um Proteine. Aber S1P ist ein Lipid – eine ölige Substanz, die nicht in der Erbinformation festgelegt ist, sondern durch Enzyme hergestellt werden muss.
"S1P ist ein sehr altes Molekül," erklärt der Wissenschaftler. "Es ist in vielen, so stark unterschiedlichen Organismen wie der Hefe und dem Menschen vorhanden und wird dort offenbar im Verlauf der Evolution immer und immer wieder in verschiedenen Prozessen eingesetzt: in der Zellproliferation, der Wundheilung und nun auch noch in der Vereinigung der ursprünglichen Herzhälften."
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 24.6.1999
"Wie kommt das Herz an den rechten Fleck?"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum der Wissenschaft 10/99, Seite 36
"Seitenverkehrte Organe"
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