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News: Wie der Schnabel gewachsen ist

Lang und gebogen oder kurz und gerade: Die Schnäbel von Granatkolibris passen perfekt zu den Blütenröhren ihrer Futterpflanzen - aufeinander abgestimmt im langen Wettkampf der Evolution. Und der führte von Insel zu Insel zu unterschiedlichen Ergebnissen.
<i>Heliconia</i>
Als Charles Darwin auf den Galapagos-Inseln die Vielfalt der Schnabelformen und Ernährungsweisen der später nach ihm benannten Darwinfinken entdeckte, war ihm klar: Arten verändern sich, sie passen sich an die jeweiligen Bedingungen ihrer Heimat an, und wem das am besten gelingt, wird schließlich überleben. Ein damals radikales Konzept, das heute in jedem Lehrbuch steht.

Und es blieb nicht bei den Finken. Kolibris können ebenfalls mit einer breiten Palette an Schnabelformen aufwarten, die ein perfektes Abbild der Blüten ihrer Nektarlieferanten zu sein scheinen – auch das fiel dem berühmten Naturforscher bereits ins Auge. Seitdem gelten die "glitzernden Juwele" der Vogelwelt als weiteres Lehrbuchbeispiel für Coevolution: die gegenseitige und aufeinander abgestimmte Anpassung von Arten.

Wie berechtigt dieser Ehrenplatz ist, konnten Ethan Temeles vom Amherst College und seine Kollegen nun wieder einmal an Beispielen von zwei Antillen-Inseln – Dominica und St. Lucia – zeigen. Vor drei Jahren hatten die Forscher gezeigt, dass der Granatkolibri (Eulampis jugularis) auf St. Lucia der einzige Bestäuber der beiden Heliconia-Arten H. bihai und H. caribaea ist.

H. bihai, mit einer langen, gebogenen Blütenröhre, spricht dabei besonders die Kolibriweibchen an, die einen ebenso geformten Schnabel besitzen. Die Männchen hingegen, mit einem kurzen, geraden Schnabel ausgestattet, verköstigen sich an den ebenso geformten Blüten von H. caribaea. In Gegenden, wo H. caribaea selten vorkommt, hat eine Variante von H. bihai ihren Platz als Nahrungslieferant für die Männchen eingenommen – und sich männchengemäß mit etwas kürzeren und gestreckteren Blütenröhren ausgestattet.

Auf Dominica sieht das Ganze nun etwas anders aus. Zunächst einmal gibt es hier nicht zwei Varianten von H. bihai, sondern nur eine, und die ist auf Höhenlagen beschränkt. Dafür tritt hier H. caribaea in verschiedenen Ausführungen auf.

Während nun die Männchen auf St. Lucia sich an beiden Arten gütlich tun – je nach Angebot –, lassen sie auf Dominica H. bihai gänzlich links liegen. Dafür übernimmt auf dieser Insel nun H. caribaea die Aufgabe, im Zweifelsfall beide Geschlechter mit Nektar zu versorgen, denn auch die Vogeldamen mit ihren langen, gebogenen Schnäbeln besuchten gelegentlich die kurzen, geraden Blütenröhren dieser Heliconia-Art – wobei sich eine Variante offenbar mehr an die Weibchen richtet, da ihre Blütenröhren teilweise etwas länger und stärker gebogen waren, und zwar genau in den Gebieten, in denen auch H. bihai auftritt. In diesen Kontaktzonen, so vermuten die Forscher, weichen die Kolibriweibchen auch häufiger auf die H.-caribaea-Variante aus. Und durch die gesteigerte Nachfrage entwickelten sich die Blütenröhren in Richtung der Vorlieben ihrer Besucherinnen.

Dass die unterschiedlichen Schnabelformen der Bestäuber die verschiedenen Gestalten der Blütenröhren beeinflussen und umgekehrt, konnten die Wissenschaftler auch am Nektarangebot der Heliconia-Vertreter nachweisen. Denn die Männchen, die etwas schwerer sind als die Weibchen, verbrauchen bei ihrem stehenden Flug vor der Blut weitaus mehr Energie, was sie nur durch ein entsprechendes reichhaltigeres Angebot seitens der besuchten Blüte wettmachen können.

H. caribaea, die vorwiegend auf Männchen spezialisierte Art, wird diesem Anspruch gerecht: Sie liefert den Besuchern auf beiden Inseln insgesamt mehr Nektar. Gleichzeitig ist ihre rote Variante, die auf Dominica zusätzlich Weibchen versorgt, sparsamer in der Abgabe der süßen Nahrung. Umgekehrt legt die Variante von H. bihai, die auf St. Lucia auch von Männchen genutzt wird, in ihrer Nektarabgabe etwas zu.

So ist auf beiden Inseln ein jeweils eigenständiger evolutionärer "Reigen" zu verfolgen, obwohl hier wie dort dieselben Arten beteiligt sind. Fällt einer der pflanzlichen Partner des Trios aus, entwickelt sich der andere in genau jene Richtung, in der nun eine Lücke herrscht: Das ist Coevolution, wie sie im Buche steht. Hätte Darwin die Kolibris von Dominica und St. Lucia und ihre innige Beziehung zu H. bihai und H. caribaea gekannt, er wäre begeistert gewesen.

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