Dürre: Wie der syrische Bürgerkrieg mit dem Klimawandel zusammenhängt
Seit bald vier Jahren tobt in Syrien ein verheerender Bürgerkrieg, der bislang wahrscheinlich 200 000 Menschenleben forderte. Millionen sind im Land auf der Flucht oder suchten Schutz in Lagern im Libanon, der Türkei oder in anderen Staaten der Region. Ganze Städte wurden ausgelöscht und zerstört. Aus einem Protest gegen die herrschende Familie um Baschar Hafiz al-Assad wurde eine blutige Schlacht zwischen verschiedenen verfeindeten Milizen, Islamisten und Regierungstruppen. Und der entscheidende Auslöser war womöglich eine extreme Dürre, die letztlich das Pulverfass entzündete – das zumindest legt eine Studie von Colin Kelley von der University of California in Santa Barbara und seinen Kollegen nahe.
"Wir behaupten nicht, dass die Dürre den Krieg verursacht hat. Aber sie addierte sich zu all den anderen Stressfaktoren – und bildete damit vielleicht den Zündfunken, der zum offenen Krieg führte", sagt Richard Seager, Klimatologe am Columbia University's Lamont-Doherty Earth Observatory, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. Die Dürre begann demnach im Jahr 2006 und dauerte bis 2010. Sie erfasste weite Teile des so genannten Fruchtbaren Halbmonds am Oberlauf von Euphrat und Tigris in der Türkei, dem Irak und in Syrien. Verschärft wurde die Trockenheit durch mangelhaftes Wassermanagement, das unter anderem durch die Landwirtschaftspolitik Assads gefördert wurde, meint Shahrzad Mohtadi von der Columbia School of International and Public Affairs. Diese ermutigte zum Anbau von exportfähigen Produkten wie Baumwolle, die jedoch viel Wasser benötigen und vielfach künstlich bewässert werden müssen. Deshalb bohrten die Landwirte zahlreiche, teils illegale Brunnen, um ihre Felder ausreichend mit dem Nass zu versorgen. Dadurch sank allerdings der Grundwasserspiegel in der Region, was sich beispielsweise über Satellitendaten nachweisen lässt.
Dazu kam das starke syrische Bevölkerungswachstum in den letzten Jahrzehnten: Zwischen 1950 und 2010 wuchs die Zahl der Bewohner von vier auf mehr als 20 Millionen, was den Druck auf natürliche Ressourcen massiv verstärkte. "Rasche demografische Veränderungen begünstigen Instabilität. Und eine Dürre kann zu verheerenden Konsequenzen führen, wenn sie auf eine bereits verletzliche Gesellschaft trifft", schreiben die Forscher. Die Folgen der anhaltenden Trockenheit machten sich auch schnell sozial und wirtschaftlich bemerkbar: Landwirtschaft trug vor der Krise ein Viertel zum syrischen Bruttoinlandsprodukt bei, doch ihre Produktion brach mit der Dürre um ein Drittel ein. Im besonders hart betroffenen Nordosten – heute zum großen Teil in der Hand des "Islamischen Staats" – gingen praktisch alle Viehherden ein. Die Getreidepreise verdoppelten sich, und Mangelernährung unter Kindern nahm zu. Bis zu 1,5 Millionen Menschen flohen in die Städte, wo sie mit weiteren Flüchtlingen aus dem benachbarten Irak um Nahrung und Unterkunft konkurrierten. "Das Assad-Regime unternahm wenig, um den Menschen in diesen chaotischen Lagern in den Vorstädten zu helfen", so Mohtadi – und vor allem hier begann die Revolte gegen die Regierung.
Die Rolle des Klimawandels
Kelley und Co untersuchten aber auch, was zu der gegenwärtigen klimatischen Krise in der Region beigetragen hat. Dieser Teil des Nahen Ostens wird regelmäßig von schweren Dürren heimgesucht. Womöglich ging deswegen bereits das Reich von Akkad vor 4200 Jahren unter, das große Teile des Fruchtbaren Halbmonds umfasste und fast bis an die Mündung des Euphrat in den Persischen Golf reichte. Im letzten Jahrhundert traten stärkere Dürren in den 1950er, 1980er und 1990er Jahren auf, doch fiel keine in der jüngeren Vergangenheit so heftig aus und dauerte so lang wie die letzte mit Beginn im Jahr 2006. Und diese Katastrophe könnte bereits mit dem Klimawandel zusammenhängen, so die Wissenschaftler – zumindest sprächen verschiedene Daten und Modellberechnungen dafür.
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts heizte sich die Region um durchschnittlich 1 bis 1,2 Grad Celsius auf, was über dem globalen Trend für diesen Zeitraum liegt. Gleichzeitig nahmen die Niederschläge während der winterlichen Regenzeit um rund zehn Prozent ab – beides stimmt mit Modellberechnungen zum globalen Klimawandel überein. Und das nimmt den Nahen Osten doppelt in die Zange: So schwächten sich im östlichen Mittelmeerraum die Winde ab, die normalerweise während des Winters und Frühlingsanfangs feuchte Luftmassen in Richtung Vorderasien bringen, weshalb weniger Schnee und Regen an Land fällt. Steigende Sommertemperaturen hingegen erhöhten die Verdunstung aus den Böden und verschärften so auf Dauer Hitzewellen beziehungsweise steigerten den Bewässerungsbedarf – was die ohnehin knappen Ressourcen weiter reduzierte.
Mit ihrer Studie bestätigen die Forscher frühere Arbeiten, die ebenfalls häufigere Dürren im Mittelmeerraum belegen – vor allem weil die winterlichen Niederschläge zurückgehen. Das Nachlassen der Winde hängt demnach mit ozeanischen Fernwirkungen zusammen, beispielsweise eine stärkere Erwärmung des Indischen Ozeans als die der Ozeane in höheren Breiten. Dadurch verändert sich die atmosphärische Zirkulation mit der Folge, dass sich über dem östlichen Mittelmeerraum häufiger hoher Luftdruck einstellt, der den Transport von Regenwolken unterbindet.
In seinen Sachstandsberichten prognostizierte der Weltklimarat IPCC, mit der fortgesetzten Erderwärmung würde auch die Austrocknung des Nahen Ostens voranschreiten, was angesichts der wachsenden Bevölkerung die sozialen und politischen Spannungen vor Ort weiter verstärken dürfte. Der Politologe Solomon Hsiang von der University of California in Berkeley folgert deshalb daraus: "Die Studie zeigt erstmals, dass der menschengemachte Klimawandel bereits jetzt das Risiko für Unruhen und gewalttätige Konflikte erhöht."
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