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Cannabis: Killerkraut und Mörderdroge

Bald soll Cannabis in Deutschland legalisiert werden. Der Bundesgesundheitsminister hat ein erstes Eckpunktepapier vorgelegt. Dass das Rauschmittel überhaupt verboten war, lag am fanatischen Eifer eines einzigen einflussreichen Mannes.
Eine bunt beleuchtete Cannabis-Pflanze
Einige wenige einflussreiche Männer schafften es, den Hanfgenuss in den 1930er Jahren zu verunglimpfen. Es sei ein »Mörderkraut«. Die danach Süchtigen würden alle Hemmungen verlieren und zu »bestialischen Dämonen« mutieren, getrieben von einer »verrückten Lust zu töten«.

Es braucht keinen Paukenschlag, um einen Paradigmenwechsel zu vollziehen. Das zeigt die von der Regierung aus SPD, den Grünen und FDP im Koalitionsvertrag angekündigte »kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften«. Denn dafür, dass es eine echte Kehrtwende in der Drogen- und Suchtpolitik der Bundesrepublik Deutschland ist, findet sie erstaunlich leise und ohne große Gegenwehr statt.

Damit würde die Bundesrepublik einem bemerkenswerten weltweiten Trend folgen. Seit etwa einem Jahrzehnt liberalisieren immer mehr Länder ihre Cannabis-Gesetzgebung. So wurden Erwerb, Besitz und Genuss des Rauschmittels etwa in Kanada, Thailand, Portugal, Spanien, Uruguay und Malta entweder entkriminalisiert oder komplett legalisiert. Auch in zahlreichen Bundesstaaten der USA sind Cannabisprodukte mittlerweile frei verfügbar und zu einem potenten Wirtschaftsfaktor geworden – ausgerechnet dort, wo die Hanfprohibition vor einem knappen Jahrhundert ihren Ausgang nahm.

Harry J. Anslinger | Der Sohn einer Deutschen und eines Schweizers wurde 1930 zum U.S. Commissioner of Narcotics ernannt und hatte dieses Amt bis 1962 inne. Er verbreitete übertriebene Behauptungen über die Gefahren von Marihuana und förderte dessen Kriminalisierung.

Und zwar in Gestalt von Harry J. Anslinger (1892–1975). In den 1930er Jahren führte der US-Amerikaner als Leiter des Federal Bureau of Narcotics einen verbissenen Feldzug gegen den Hanfgenuss und widmete ihm mehrere Jahrzehnte seines Lebens. Anslingers Laufbahn gipfelte nach dem Zweiten Weltkrieg in seiner Tätigkeit als einflussreiches Mitglied der UN-Drogenkommission, eine Funktion, in der er 1961 maßgeblich zum Zustandekommen des »Einheitsabkommens über die Betäubungsmittel« beitrug, mit dem unter anderem ein nahezu weltweites Cannabisverbot durchgesetzt wurde.

Mediale Schützenhilfe erhielt er dabei von seinem Landsmann William Randolph Hearst (1863–1951). Der Medienmogul gab sich ebenfalls als Kämpfer gegen die, wie er behauptete, »gefährlichste Droge seit Anbeginn der Menschheit« und führte in seinen Zeitungen über Jahre hinweg eine massive, rassistisch unterfütterte Desinformationskampagne gegen »Marihuana« oder »Marijuana«. Um das Genussmittel möglichst fremdartig und damit bedrohlich darzustellen, verwendeten die Drogenjäger in ihren Publikationen bevorzugt das Wort aus dem mexikanischen Spanisch statt der botanischen Bezeichnung Cannabis oder des landläufigen Namens »hemp« (Hanf).

Dabei gehört Hanf zu den ältesten Nutzpflanzen der Menschheit, wie Martin Booth in »Cannabis: A history« ausführt. Schon vor Jahrtausenden fertigten unsere Vorfahren Seile und Textilien aus den Fasern des ursprünglich wahrscheinlich aus Zentralasien stammenden Gewächses, gewannen Öl aus seinen Samen und verwendeten Blüten wie Blätter als Heilmittel. Auch die berauschende Wirkung von Cannabis scheint den Menschen schon sehr früh bekannt gewesen zu sein: In einem 2700 Jahre alten Grab der Gushi-Kultur im Westen des heutigen China fanden Archäologen einen ausschließlich mit weiblichen, stark psychoaktiven Cannabisblüten gefüllten Behälter als Beigabe.

Über den indischen Subkontinent und Mesopotamien gelangte die Pflanze nach Europa und Nordafrika, arabische Seefahrer verbreiteten sie in den Süden des Schwarzen Kontinents, die spanischen Eroberer Amerikas brachten sie mit sich in die Neue Welt. Schon bei zahlreichen Kulturen des Altertums wie den Assyrern, Skythen oder Thrakern war Hanf als Genussmittel beliebt. In unseren Breiten erlangte die Pflanze zwar nie die kulturelle Bedeutung als Rauschdroge, die sie beispielsweise im vom Islam mit seinem Alkoholverbot geprägten Orient oder in Indien hatte, wo »ganja« (Marihuana) und »charas« (Haschisch) auch heute noch in rituellem Zusammenhang genossen wird. Doch spätestens mit dem ersten Kreuzzug (1096–1099) fand der Hanf Eingang in die abendländische Medizin – und in der Folge auch außerhalb der Heilkunde Verwendung. So genossen Wiener Kaffeehausgänger im 18. Jahrhundert zum Heißgetränk ihrer Wahl das »Smyrna-Pulver« (Haschisch) aus eigens angefertigten Pfeifchen, und im Pariser »Club des Hachichins« gaben sich um 1850 Künstler und Schriftsteller den künstlichen Paradiesen des Cannabisharzes hin. Zu einer Volksdroge wurde der Hanf hingegen in Europa, dem Kontinent von Bier und Wein, lange Zeit nicht – er blieb ein Nischenprodukt, beliebt vor allem bei Seeleuten und in der Welt der Bohème.

Einflussreiche Anti-Opium-Bewegung

Nachdem jedoch die Briten 1858 auch den indischen Subkontinent ihrem Empire einverleibt hatten, sahen sie sich dort mit einer Bevölkerung konfrontiert, in der der Cannabisgebrauch weit verbreitet war. Immer wieder erschienen in den folgenden Jahren Berichte in englischen Zeitungen, wonach der unmäßige »Ganja«-Konsum die indischen Soldaten Ihrer Majestät, der Königin, zu undiszipliniertem und aufsässigem Verhalten, ja zu kriminellen Handlungen verleite. Zudem hatte sich nach zwei Opiumkriegen gegen China vor allem in Großbritannien und den USA eine starke und einflussreiche Anti-Opium-Bewegung formiert, die nun auch Cannabis auf die Liste jener Substanzen setzte, deren Verbot sie verlangte. Daraufhin veranlassten die britischen Kolonialherren in Indien ab 1871 mehrmals Untersuchungen zu Cannabis, seiner Verbreitung und seinen Gefahren, die alle mehr oder weniger zu demselben Ergebnis kamen: Der weit verbreitete Gebrauch des Rauschmittels sei zwar bedauerlich, die Substanz selbst jedoch bei Weitem nicht so gefährlich wie Opium und seine diversen Derivate. Bei Cannabis bestünde keine Suchtgefahr, und auch sonst seien bei seinem Konsum keine besonderen gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu erwarten. Insgesamt hätte die Verbreitung des Rauschmittels auf dem Subkontinent kaum nennenswerte negative Auswirkungen – weder auf die Konsumentinnen und Konsumenten noch auf die indische Gesellschaft als Ganzes.

Die Frage nach einem Verbot von Cannabis schien damit vorerst geklärt. Umso mehr, als europäische Pharmazeuten seit Mitte des 19. Jahrhunderts die vielfältigen Anwendungsgebiete der Pflanze erforschten und sie als Arznei bei so unterschiedlichen Leiden wie Rheuma, Cholera, Migräne oder Tetanus empfahlen. Bis zur Entwicklung synthetischer Medikamente Anfang des 20. Jahrhunderts waren Cannabistinkturen besonders als Schmerz- und Schlafmittel beliebt. Als zur Jahreswende 1911/12 auch unter dem Druck der Anti-Opium-Bewegung Vertreter aus einem Dutzend Staaten in Den Haag zur ersten internationalen Opiumkonferenz zusammenkamen, um über Maßnahmen gegen den Handel und die Verbreitung der Droge zu beraten, kam Hanf zwar auch zur Sprache, aber lediglich am Rande und eher irrtümlich.

Bei der zweiten Opiumkonferenz von 1925 hingegen, die bereits unter dem Dach des Völkerbunds in Genf stattfand, wurde neben Heroin und Kokain hauptsächlich auf Drängen Ägyptens und Südafrikas schließlich auch Cannabis international geächtet. Für das damals noch britische Indien und andere Staaten, die Einwände gegen ein generelles Verbot erhoben hatten, wurde ein Kompromiss gefunden: Künftig war es untersagt, Hanfprodukte in Länder zu exportieren, in denen sie verboten waren – wie es die einzelnen Staaten jedoch in ihren eigenen Grenzen mit Cannabis hielten, blieb ihnen überlassen. Deutschland folgte dem Beschluss des Völkerbunds mit dem Opiumgesetz von 1929, das bis 1972 weitgehend unverändert die deutsche Drogenpolitik bestimmte.

Der 1892 in Altoona im US-Bundesstaat Pennsylvania als Sohn einer Deutschen und eines Schweizers geborene Anslinger hatte seine kriminologische Laufbahn als Eisenbahndetektiv bei der Pennsylvania Railroad begonnen und mit der Aufklärung einiger spektakulärer Fälle versuchten Versicherungsbetrugs auf sich aufmerksam gemacht. Nach dem Ersten Weltkrieg, in dem er beim militärischen Geheimdienst der USA diente, stieg er in den diplomatischen Dienst auf, blieb aber auch da dem Sicherheitsmetier treu und war an diversen international koordinierten Einsätzen gegen Drogenhändler und Alkoholschmuggler beteiligt – unter anderem in Hamburg, Venezuela und den Bahamas.

Nach seiner Rückkehr in die Heimat trat er 1929 zunächst in das Department of Prohibition ein, ehe er im Jahr darauf von Finanzminister Andrew Mellon (1855–1937), einem Onkel seiner Frau und einem der reichsten Männer der USA, zum Leiter des neu gegründeten Federal Bureau of Narcotics bestellt wurde. Zu jenem Zeitpunkt galt in den USA bereits seit elf Jahren die Alkoholprohibition – und auch Cannabis war in der Mehrzahl der Bundesstaaten verboten. Als Leiter der dem Treasury Department (Finanzministerium) unterstellten Behörde, deren eigentliche Aufgabe es war, Produktion und Verkehr von Opiaten zu überwachen, machte sich Anslinger daran, dem Hanf per Bundesgesetz den Garaus zu machen.

Anslingers Kampf gegen Marihuana ist rätselhaft

Der Anbau von Cannabis war zwar 1934 bereits in 33 Staaten der USA untersagt, doch wuchs das Kraut vor allem im Süden des riesigen Landes überall »und sogar wild am Wegrand«, schreibt der Journalist und Autor Hans-Georg Behr. In den Südstaaten lebten allerdings auch zahlreiche Liebhaber des üppig sprießenden Krauts. Denn während sich die weiße Mehrheitsgesellschaft kaum für Hanf als Genussmittel interessierte, erfreute es sich bei den afroamerikanischen Nachfahren von Sklaven sowie den neu und meist illegal zugewanderten mexikanischen Arbeitern äußerster Beliebtheit. Warum Anslinger sich derart auf den Kampf gegen Marihuana versteifte, bleibt rätselhaft. Er selbst berichtete von einem traumatischen Erlebnis, das er als Jugendlicher mit einer morphiumsüchtigen Nachbarin und einem Apotheker hatte. Möglicherweise war sein Eifer aber auch nur das Ergebnis einer einfachen Überlegung, die er 1954 in einem Interview mit der BBC eingestand: »Ich sah hier eine Möglichkeit, die Bedeutung des Bureaus zu heben.«

Anti-Cannabis-Werbeplakat | Die Prohibitionskampagne in den USA wurde erbittert geführt: »Das Kraut mit Wurzeln in der Hölle« und »Scham, Horror, Verzweiflung«, war auf den Plakaten zu lesen.

Jedenfalls warf sich Anslinger mit voller Wucht und ohne Rücksicht auf Verluste in den Kampf. Er hielt Vorträge und schrieb Artikel, in denen er den Standpunkt vertrat, Cannabisprodukte seien gefährlicher als Opium, Morphium oder Kokain. »Hier haben wir eine Droge, die nicht wie Opium ist«, schrieb er etwa und fuhr mit einem literarischen Vergleich fort. »Opium hat alles Gute von Dr. Jekyll und alles Böse von Mr. Hyde. Diese Droge ist ganz das Monster Hyde, dessen schädliche Auswirkungen nicht zu ermessen sind.«

Schon die Einnahme geringfügiger Mengen führe zu sexueller Enthemmung und gewalttätigen Ausbrüchen bis hin zu Mord und Totschlag. Bei gewohnheitsmäßigem Gebrauch drohe der komplette geistige Verfall. Beispiele für seine Behauptungen fand der Chef der Drogenbehörde vor allem in der Boulevardpresse. Da wimmelte es nur so von »Negern« und Mexikanern, die weiße Jungs zur Droge verleiteten, im Marihuanarausch weiße Mädchen vergewaltigten oder in Raserei verfielen und unschuldige Bürgerinnen und Bürger massakrierten.

Mit »Die Killerdroge Marihuana überschwemmt die Vereinigten Staaten« überschrieb 1936 etwa der »Universal News Service« eine Meldung: »Schockierende Gewaltverbrechen nehmen zu. Mord und Totschlag, grausame Verstümmelungen, kaltblütig begangen.« Die nach dem »Killer Weed« (Mörderkraut) Süchtigen würden alle Hemmungen verlieren und zu »bestialischen Dämonen« mutieren, getrieben von einer »verrückten Lust zu töten«. Selbst die seriöse »New York Times« gab den Verfechtern des Hanfverbots Raum für ihre rassistische Desinformationskampagne. Auf ihren Seiten behauptete beispielsweise 1935 der Eugeniker C. M. Goethe (1875–1966) von der Coalition of Patriotic Societies (Koalition der patriotischen Vereinigungen) unwidersprochen, die Verbreitung der gefährlichen Droge Marihuana sei »eine direkte Folge der ungehinderten mexikanischen Einwanderung«.

Vor allem aber bekam Anslinger mit besonders blutrünstigen Geschichten in der Hearst-Presse Unterstützung. Warum sich der Medienmogul William Randolph Hearst seinerseits mit einem derart großen Eifer auf Cannabis – sowie seine hauptsächlich mexikanischen und schwarzen Konsumenten – stürzte, ist ebenfalls nicht ganz durchsichtig. Der Autor und Hanfaktivist Jack Herer (1939–2010) vermutete rein wirtschaftliche Interessen hinter dem Engagement des Zeitungs-Tycoons. Hearst, damals einer der reichsten Männer der Welt, war nicht nur Verleger, sondern stellte auch das Papier für seine Presseprodukte selbst her, besaß er doch ausgedehnte Wälder und mehrere Papiermühlen. Nachdem in den 1930er Jahren neue Maschinen entwickelt worden waren, die die Hanfernte einfacher und günstiger machten, fürchtete Hearst, dass ihm in aus Hanf hergestelltem Papier eine unschlagbar billigere Konkurrenz erwachsen würde. Daher, so Jack Herer, habe Hearst wahrscheinlich beschlossen, sich für ein allgemeines Hanfverbot einzusetzen.

Allmählich trugen die Schlagzeilen und Vorträge Früchte, und im April 1937 hatten die beiden Hanfjäger allen Grund zum Feiern. Entgegen der Empfehlung der American Medical Association passierte der Marihuana Tax Act den amerikanischen Kongress. Fortan war Cannabis mit einer Steuer von 100 Dollar pro Unze belegt. Um die Pflanze überhaupt anbauen zu dürfen, bedurfte es einer Genehmigung vom Treasury Department, die in der Regel nicht gewährt wurde. Damit war Cannabis in den USA de facto illegal. Nur während des Zweiten Weltkriegs wurde vorübergehend wegen des Bedarfs an Hanfseilen und -textilien beim Militär das Verbot aufgehoben; mit dem Slogan »Hemp for Victory« (Hanf für den Sieg) wurden Bauern sogar zum Cannabisanbau aufgefordert.

Nicht alle nahmen die Schauergeschichten vom Killerkraut, die ihnen von Anslinger und der Hearst-Presse aufgetischt wurden, unwidersprochen hin. 1938, nur ein Jahr nach Inkrafttreten des Marihuana Tax Act, setzte Fiorello Henry La Guardia, von 1934 bis 1945 drei Amtszeiten lang Bürgermeister der Stadt New York, einen akademisch besetzten Sonderausschuss ein. Der hatte den Auftrag, die Auswirkungen des Cannabisgenusses auf Konsumenten und die Gesellschaft erstmals in den USA mit wissenschaftlichen Methoden zu erforschen. Als die New York Academy of Medicine 1944 die Ergebnisse der langjährigen Studie schließlich präsentierte, standen diese in krassem Widerspruch zu den andauernden Behauptungen des Chefs des Bureau of Narcotics. Cannabis zu rauchen, so hieß es im La-Guardia-Report, führe »nicht zur Sucht im medizinischen Sinn des Wortes«, auch stelle das Kraut keine Einstiegsdroge »zur Morphin-, Heroin- oder Kokainsucht« dar, und außerdem sei Marihuana »nicht der auslösende Faktor beim Begehen von Gewaltverbrechen«.

Anslinger tobte und nahm sich unterdessen die Konsumenten des Teufelskrauts vor. Neben vielen tausenden kleinen Dealern und Konsumenten richtete sich sein Strafverfolgungseifer gegen Personen aus der Unterhaltungsbranche – insbesondere in der Jazzszene und in Hollywood. Mit medienwirksamen Prozessen in den 1940er und 1950er Jahren gegen Jazzmusiker wie Gene Krupa (1909–1973) oder Mezz Mezzrow (1899–1972) und den Schauspieler Robert Mitchum (1917–1997) gelang Anslinger jedoch, was er zuvor über Jahre hinweg finsteren Drogenbanden vorgeworfen hatte: Er machte Marihuana auch in der weißen Bevölkerungsmehrheit populär.

»Wussten wir, dass wir über die Drogen gelogen haben? Natürlich wussten wir das!«John Ehrlichman, ein enger Mitarbeiter Richard Nixons

Ein Jahr nachdem der unermüdliche Kämpfer gegen Cannabis 1961 bei den Vereinten Nationen endlich den Höhepunkt seiner Karriere erreicht und ein nahezu weltweites Verbot des Rauschmittels durchgesetzt hatte, wurde er von Präsident John F. Kennedy aus dem Amt gedrängt – einem Präsidenten, dem nachgesagt wird, er habe gegen die Schmerzen, an denen er wegen einer Kriegsverletzung litt, Hanf genommen.

Anslinger starb im November 1975, ein Jahr nachdem Richard Nixon (1913–1994) wegen des Watergate-Skandals zurückgetreten war. Jener Nixon, der 1972 als erster US-Präsident offiziell den »War on Drugs« verkündet hatte. »Wollen Sie wissen, worum es dabei wirklich ging?«, fragte 1994 John Ehrlichman (1925–1999), ein enger Mitarbeiter Nixons und eine Schlüsselfigur in der Watergate-Affäre, den Journalisten Dan Baum vom »Harper's Magazine« und erläuterte ihm die Hintergründe des Kriegs gegen Drogen. »Die Nixon-Kampagne 1968 und die darauf folgende Nixon-Regierung haben zwei Feinde: die linken Kriegsgegner und die Schwarzen. Verstehen Sie, was ich damit sagen will? Wir wussten, dass wir es nicht verbieten konnten, gegen den Krieg oder Schwarz zu sein, aber dadurch, dass wir die Öffentlichkeit dazu brachten, die Hippies mit Marihuana und die Schwarzen mit Heroin zu assoziieren, und beides heftig bestraften, konnten wir diese Gruppen diskreditieren. Wir konnten ihre Anführer verhaften, ihre Wohnungen durchsuchen, ihre Versammlungen beenden und sie so Abend für Abend in den Nachrichten verunglimpfen.« Und Ehrlicher setzte noch eins drauf: »Wussten wir, dass wir über die Drogen gelogen haben? Natürlich wussten wir das!« Ein Eingeständnis, zu dem sich Harry J. Anslinger jedoch nie veranlasst sah.

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