News: Wie ein Fisch in zuviel Wasser
Ihre letzte Probenahme vor dem Sommerhochwasser datiert vom 15.-17. Juli 1997, unmittelbar vor Eintreffen der Hochwasserwelle in Schwedt/Oder. Die erste Meßfahrt nach dem Hochwasser erfolgte vom 26. bis 28. August 1997 und danach in vierzehntägigem Rhythmus. (Ab 1998 findet das IGB- Monitoring zur Befindlichkeit der Fischfauna in vierwöchigem Rhythmus statt).
Fischexperte Christian Wolter, soeben von einer Meßfahrt an die Oder zurückgekehrt, schildert erste Ergebnisse der Beobachtungen:
Während des Hochwassers konnten alle Fischarten auf die Überschwemmungsflächen, insbesondere auf die Polder ausweichen, wo sie Deckung und strömungsberuhigte Zonen an den Randbereichen sowie in überstauten terrestrischen Pflanzen (Röhricht, Weidengebüsche) fanden. Ungeachtet dessen blieb das Hochwasser nicht ohne Folgen, insbesondere für die empfindlicheren Lebensstadien, die Jungfische.
In allen Habitatstrukturen wurde eine deutlich gesunkene Jungfischabundanz (Häufigkeit) ermittelt: An den Steinschüttungen betrug sie ca. 10-15 Prozent der Individuenzahlen vor dem Hochwasser, in den übrigen Strukturen sank sie auf weniger als 10 Prozent. Der 1997er Jahrgang der Plötzen und Bleie wurde drastisch reduziert. Insgesamt sind etwa 80 bis 90 Prozent der Jungfische aus dem Hauptstrom verschwunden, was deutlich über der natürlichen Mortalität im ersten Sommer (50 bis 60 Prozent) liegt.
Es gab jedoch auch positive Effekte, die sich im Vollzug der Landschaftsumformung durch das Hochwasser einstellten. So entstanden an verschiedenen Abschnitten der Schwedter Querfahrt und der Steinschüttung infolge von Sommerdeichbrüchen feinsandige, flache Habitate, an denen vorwiegend typische Flußfische, wie Hasel, Döbel und Aland nachgewiesen wurden, zunehmend auch Zander, eine wirtschaftlich sehr bedeutende Fischart. Diese Arten waren zuvor an der Steinschüttung nicht präsent, bzw. sehr selten. Sie gehören zu den fließgewässertypischen (rheophilen) Fischarten, die regional und z.T. bundesweit bestandsbedroht sind. Sie konnten sich infolge des Hochwassers im Untersuchungsgebiet räumlich weiter ausbreiten und profitierten von Deichbrüchen und Sandaufschwemmungen.
Mittelfristige Hochwasserfolgen ergaben sich in diesem Jahr durch die Art der Polderbewirtschaftung: Nach dem Schließen der Fluttore am 9 .April 1998 wurden viele Jungfische der rheophilen Arten, die auf den überschwemmten Poldern Schutz fanden, vom Hauptstrom der Oder abgeschnitten. Sie überleben den Sommer in den Polderrestgewässern mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht.
Zu den Konsequenzen befragt, sagt Christian Wolter, mit dem Hochwasser habe es auch ökologische Chancen gegeben. So hätte man im Bereich des Nationalparks "Unteres Odertal"
a) das Geld für die Deichreparatur sparen können (weil Siedlungen dort nicht in Gefahr sind) und
b) das natürliche Überflutungsregime der Flußaue zulassen sollen.
"Schließlich ist die Überflutungsaue ja das Ziel der Schutzbemühungen des Nationalparks und sein eigentlicher Gründungsgegenstand bzw. sein Schutzgut".
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