Glaziologie: Wie ein Gigant verschwindet
Während der letzten Eiszeit bedeckte eine dicke Gletschermasse das heutige Skandinavien und weite Teile Mittel- und Nordeuropas. Endmoränen in Polen, dem Baltikum und Finnland erzählen die Geschichte vom stufenweisen Verschwinden des kühlen Giganten.
In den Kinos begann die letzte Eiszeit im März 2002 – drei Außenseiter hatten den Treck gen Süden verpasst. Und so zottelten das ewig quasselnde Faultier Sid, das übellaunige Mammut Manfred und der heimtückische Säbelzahntiger Diego als unfreiwillig Verbündete und echte Helden über Stock und Eis riesiger Gletscherdecken.
Vor 20 000 Jahren bedeckte solch eine Eismasse halb Europa. Von Skandinavien kommend reichte sie bis Norddeutschland, Polen und Estland. Zusammen mit den Schilden im Gebiet der Barent- und Karasee bildete sie den zweitgrößten Eiskomplex, den die Nordhalbkugel während der Erdneuzeit gesehen hat.
Solche Riesen reagieren höchst sensibel auf klimatische Veränderungen. Um aber das Zusammenspiel zwischen Eis, Klima und Meeresspiegel rekonstruieren zu können, müssen Wissenschaftler wissen, wann genau sich der weiße Riese bildete und wann er sich wieder zurückzog. Das konnten Forscher bisher jedoch nur vage abschätzen.
Ein internationales Wissenschaftlerteam um Vincent Rinterknecht von der Staatsuniversität von Oregon in Corvallis löste dieses Problem wohl nun. Die Forscher bestimmten die Beryllium-10-Konzentrationen an den Oberflächen von Gesteinen der Endmoränen, die das Eis in Polen, dem Baltikum und Finnland hinterließ.
Beryllium-10 gibt es nur sehr selten auf der Erde, und das meiste davon ist kosmischen Ursprungs. Ein winziger Teil entsteht jedoch in Quarzmineralen an Gesteinsoberflächen aus Sauerstoff und Silizium, wenn kosmische Strahlung die Minerale trifft. Seine Konzentrationen hängen davon ab, wie lange das Gestein der Luft beziehungsweise der Strahlung ausgesetzt war. Die Forscher rechneten damit also zurück, wann die Moränen unter dem Eis aufgetaucht waren. Zusammen mit älteren und neueren Radiokarbonwerten – zum Beispiel von nacheiszeitlichem Torf – erzählen die Daten die Geschichte des skandinavischen Inlandeises.
Doch schon 2300 Jahre später stoppte dieser Prozess, und das Eis verharrte im Gebiet der heutigen Ostsee, ungefähr zwanzig Kilometer nördlich der polnischen Küste. Denn gerade als die Erde begann, sich von der Eiszeit zu erholen, kühlte sich das Klima erneut ab: Vom nordamerikanischen Eis waren Unmengen Süßwasser in die Hudson Bay und Labradorsee geflossen – genau dorthin, wo sich nordatlantisches Tiefenwasser bildet. Als Folge versiegte mit dem Golfstrom die Warmwasserheizung Nordeuropas, dennoch kam es zu keiner weiteren richtigen Eiszeit.
Aber warum dehnte sich das Eis jetzt nicht wenigsten ein bisschen aus? Die Forscher vermuten, dass Schelfeis große Teile der Meeresoberfläche abdeckte und kaum Wasser verdunstete. Der skandinavische Koloss "verhungerte" also regelrecht wegen fehlender Niederschläge.
Vor 15 500 Jahren erholte sich das Klima von den Folgen der erlahmten Ozeanzirkulation, und es wurde wärmer. Statt jedoch weiter zu schmelzen, schob sich der weiße Riese um stolze fünfzig bis hundert Kilometer nach vorn. Vermutlich zeigte sich jetzt der umgekehrte Effekt: Ozeanwasser konnte wieder verdunsten, und es gab genug Niederschläge, sodass sich neues Eis auf den Schilden bildete.
Als die Temperaturen tausend Jahre später endlich auf Warmzeitwerte geklettert waren, spielte dieser besondere Effekt von Verdunstung und Niederschlag keine Rolle mehr, und das letzte große Tauen begann. Nur für kurze Zeit dehnte sich die Eisdecke anschließend noch einmal aus – als unmittelbare Reaktion auf sinkende Temperaturen, die von einem neuerlichen Frischwasserzufluss in den Nordatlantik ausgelöst wurden. Ab etwa 12 500 vor heute verschwand das Eis aber endgültig.
Demnächst erleben auch Sid, Manni und Diego das große Tauen. Während sie die Vorzüge ihrer neuen Umwelt genießen, hört das Schmelzen gar nicht mehr auf ... Man darf gespannt sein, wie sie den Klimaumwälzungen trotzen.
Vor 20 000 Jahren bedeckte solch eine Eismasse halb Europa. Von Skandinavien kommend reichte sie bis Norddeutschland, Polen und Estland. Zusammen mit den Schilden im Gebiet der Barent- und Karasee bildete sie den zweitgrößten Eiskomplex, den die Nordhalbkugel während der Erdneuzeit gesehen hat.
Solche Riesen reagieren höchst sensibel auf klimatische Veränderungen. Um aber das Zusammenspiel zwischen Eis, Klima und Meeresspiegel rekonstruieren zu können, müssen Wissenschaftler wissen, wann genau sich der weiße Riese bildete und wann er sich wieder zurückzog. Das konnten Forscher bisher jedoch nur vage abschätzen.
Ein internationales Wissenschaftlerteam um Vincent Rinterknecht von der Staatsuniversität von Oregon in Corvallis löste dieses Problem wohl nun. Die Forscher bestimmten die Beryllium-10-Konzentrationen an den Oberflächen von Gesteinen der Endmoränen, die das Eis in Polen, dem Baltikum und Finnland hinterließ.
Beryllium-10 gibt es nur sehr selten auf der Erde, und das meiste davon ist kosmischen Ursprungs. Ein winziger Teil entsteht jedoch in Quarzmineralen an Gesteinsoberflächen aus Sauerstoff und Silizium, wenn kosmische Strahlung die Minerale trifft. Seine Konzentrationen hängen davon ab, wie lange das Gestein der Luft beziehungsweise der Strahlung ausgesetzt war. Die Forscher rechneten damit also zurück, wann die Moränen unter dem Eis aufgetaucht waren. Zusammen mit älteren und neueren Radiokarbonwerten – zum Beispiel von nacheiszeitlichem Torf – erzählen die Daten die Geschichte des skandinavischen Inlandeises.
So lag vor etwa 21 000 Jahren der Rand des kalten Giganten noch in der Baltischen Tiefebene. Tausend Jahre später begann das Eis sich zurückzuziehen – möglicherweise kollabierte die Eisdecke sogar, weil sie wegen leicht erhöhter Temperaturen instabil geworden war. Unmengen von Schmelzwasser trugen vermutlich dazu bei, dass der Meeresspiegel sprunghaft um 10 bis 15 Meter anstieg, während sich das Eis immer weiter nach Norden zurückzog.
Doch schon 2300 Jahre später stoppte dieser Prozess, und das Eis verharrte im Gebiet der heutigen Ostsee, ungefähr zwanzig Kilometer nördlich der polnischen Küste. Denn gerade als die Erde begann, sich von der Eiszeit zu erholen, kühlte sich das Klima erneut ab: Vom nordamerikanischen Eis waren Unmengen Süßwasser in die Hudson Bay und Labradorsee geflossen – genau dorthin, wo sich nordatlantisches Tiefenwasser bildet. Als Folge versiegte mit dem Golfstrom die Warmwasserheizung Nordeuropas, dennoch kam es zu keiner weiteren richtigen Eiszeit.
Aber warum dehnte sich das Eis jetzt nicht wenigsten ein bisschen aus? Die Forscher vermuten, dass Schelfeis große Teile der Meeresoberfläche abdeckte und kaum Wasser verdunstete. Der skandinavische Koloss "verhungerte" also regelrecht wegen fehlender Niederschläge.
Vor 15 500 Jahren erholte sich das Klima von den Folgen der erlahmten Ozeanzirkulation, und es wurde wärmer. Statt jedoch weiter zu schmelzen, schob sich der weiße Riese um stolze fünfzig bis hundert Kilometer nach vorn. Vermutlich zeigte sich jetzt der umgekehrte Effekt: Ozeanwasser konnte wieder verdunsten, und es gab genug Niederschläge, sodass sich neues Eis auf den Schilden bildete.
Als die Temperaturen tausend Jahre später endlich auf Warmzeitwerte geklettert waren, spielte dieser besondere Effekt von Verdunstung und Niederschlag keine Rolle mehr, und das letzte große Tauen begann. Nur für kurze Zeit dehnte sich die Eisdecke anschließend noch einmal aus – als unmittelbare Reaktion auf sinkende Temperaturen, die von einem neuerlichen Frischwasserzufluss in den Nordatlantik ausgelöst wurden. Ab etwa 12 500 vor heute verschwand das Eis aber endgültig.
Demnächst erleben auch Sid, Manni und Diego das große Tauen. Während sie die Vorzüge ihrer neuen Umwelt genießen, hört das Schmelzen gar nicht mehr auf ... Man darf gespannt sein, wie sie den Klimaumwälzungen trotzen.
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