Kleinplaneten: Wie entstanden der Asteroid Dinkinesh und sein Mond Selam?
Der winzige Asteroid Dinkinesh scheint eine komplexe Entwicklungsgeschichte zu haben, nun gibt es eine neue Theorie dazu, wie diese abgelaufen sein könnte. Vor rund einem halben Jahr, am 1. November 2023, flog die NASA-Raumsonde Lucy dicht am nur 720 Meter großen Asteroiden Dinkinesh vorbei. Eine große Überraschung war es, als sich herausstellte, dass der Himmelskörper von einem Mond begleitet wird. Weitere kurze Zeit später zur Erde übermittelte Bilder von Lucy enthüllten dann, dass der mittlerweile auf den Namen »Selam« getaufte Begleiter tatsächlich aus zwei rundlichen, etwa 220 Meter großen Teilkörpern besteht, die einander berühren. Selam umläuft Dinkinesh in einem Abstand von nur 3,1 Kilometern und benötigt dafür rund 52,7 Stunden. Er ist der erste beobachtete Doppel-Asteroidenmond.
Betrachtet man die von Lucy von Dinkinesh übermittelten Aufnahmen genauer, so lassen sich auf dem Hauptkörper ein markanter Rücken um den Äquator erkennen und annähernd senkrecht dazu ein ausgeprägter Grabenbruch. Eine Forschungsgruppe um Hal Levison vom Southwest Research Institute in Boulder, Colorado, nimmt an, dass sich Dinkinesh in seiner Vergangenheit rasend schnell um seine Achse drehte. Noch heute beträgt seine Rotationsperiode nur 3,7 Stunden. Vermutlich hat in der Vergangenheit der so genannte YORP-Effekt durch die Einstrahlung von der Sonne dafür gesorgt, dass Dinkinesh sich so schnell um seine Achse drehte, bis die Festigkeit seines Gesteinsmaterials überschritten war. YORP ist eine Abkürzung und steht für die Anfangsbuchstaben seiner Entdecker Yarkovsky, O'Keefe, Radzievskii und Paddack. Der YORP-Effekt beruht darauf, dass die durch die Sonne aufgeheizte Asteroidenoberfläche die Wärme nicht gleichmäßig wieder abstrahlt, wodurch ein schwaches Drehmoment erzeugt wird. Dieses kann einen kleinen Asteroiden derart beschleunigen, dass er schließlich auseinanderbricht.
Im Fall von Dinkinesh entwickelte die Gruppe um Levison drei mögliche Entstehungsszenarien: Im ersten wird davon ausgegangen, dass sich Gestein von Dinkinesh löste, als dieser begann, wegen der raschen Rotation zu zerfallen. Das Material sammelte sich in der Folge zu einem Ring um Dinkinesh an, aus dem sich dann die beiden Teilkörper von Selam bildeten. Ein weiteres Szenario lässt wieder einen Ring entstehen, aus dessen Material ein rund 220 Meter großer Mond hervorgeht. Danach beschleunigt der YORP-Effekt den Hauptkörper Dinikinesh erneut auf die kritische Rotationsgeschwindigkeit und es bildet sich wieder ein Ring. Aus diesem ballt sich ein weiteres 220 Meter großes Objekt zusammen und beide verschmelzen sanft zum Doppelkörper Selam. Das dritte Szenario lässt zunächst einen größeren Mond entstehen, der in der Folge auch vom YORP-Effekt erfasst wird. Er wird so weit beschleunigt, bis er anfängt, sich in den heute beobachteten Doppelkörper zu spalten. Welches der drei Szenarien das wahrscheinlichste ist, lässt sich nach derzeitigem Wissensstand nicht klären.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.