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Kometensonde Rosetta: Wie entstehen die Formen und Strukturen von Kometenkernen?

Sanfte Kollisionen von kleineren eishaltigen Objekten in der Frühzeit des Sonnensystems können für die ungewöhnlichen Formen und die geschichteten Materialien von Kometenkernen verantwortlich sein.
Rosetta-Mission: Falschfarbenaufnahme von 67P

Seit Raumsonden die ersten Bilder von Kometenkernen lieferten, wurde deutlich, dass die Kerne oftmals ungewöhnliche Formen und geschichtete Strukturen aufweisen. Besonders deutlich wird das in den Bildern der europäischen Raumsonde Rosetta, die seit August 2014 den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko bei seinem Umlauf um die Sonne begleitet. Er besteht aus zwei Teilkörpern, die sich nur an einer schmalen Taille berühren. Die beiden Forscher Martin Jutzi von der Universität Bern und Erik Asphaug von der Arizona State University gingen jetzt der Frage nach, wie dies zu Stande kommt. Sie führten dreidimensionale Computersimulationen von Zusammenstößen kleinerer eishaltiger Himmelskörper durch. Solche Stöße ereigneten sich in der Frühzeit des Sonnensystems vor rund 4,5 Milliarden Jahren öfter.

Die Kollision von zwei "Kometesimalen" | In diesem Beispiel einer Kollision treffen zwei etwa einen Kilometer große, eishaltige Himmelskörper mit einer Geschwindigkeit von wenigen Metern pro Sekunde aufeinander. Die beiden Objekte haben in dieser Simulation keine innere Festigkeit. Beim ersten Auftreffen hinterlässt das weiße Objekt eine Schicht seines Materials auf dem grauen Zielobjekt und trennt sich danach von ihm. Etwa einen Tag später kollidiert es erneut mit dem Zielobjekt und verschmilzt zu einem Doppelkörper mit einem schmalen Hals.

Dabei berücksichtigten die beiden Forscher, dass Kometenkerne sehr leicht zerbrechen, wenn sie zum Beispiel Gezeitenkräften ausgesetzt sind. Sie sind offenbar im Skalenbereich von rund 100 Metern nur geringfügig verfestigt und weisen eine mittlere Dichte von nur einem halben Gramm pro Kubikzentimeter auf. Dies entspricht etwa der halben mittleren Dichte von kompaktem Wassereis. Daher müssen die Kerne Porenräume enthalten, in denen Material von noch geringerer Dichte vorliegt, umschlossen von kompakterem Wassereis. Zudem zeigten sich auf Raumsondenbildern der Kerne von 9P/Tempel 1, 19P/Borrelly, 81P/Wild 2 und 67P Abfolgen von unterschiedlichen Schichtungen mit Mächtigkeiten zwischen 10 und 100 Metern. Neben 67P bestehen auch die Kerne von 1P/Halley, 19P/Borrelly und 103P/Hartley 2 aus zwei sich berührenden Teilkörpern. Anhand dieser Informationen passten Jutzi und Asphaug ihre Eingangsparameter für die Simulationen an.

Unterschiedliche Kollisionsverläufe von Kometenbausteinen | Je nach Winkel und Geschwindigkeit der Kollisionen ergeben sich unterschiedlich geformte Himmelskörper. In dieser Simulation treffen zwei Himmelskörper mit einem Massenverhältnis von 1:2 aufeinander. Dabei trifft das graue Objekt auf den weißen Zielkörper. Links sind die Kollisionsgeschwindigkeiten in Meter pro Sekunde angegeben, unten der Auftreffwinkel in Grad. Bei Kollisionen mit geringen Geschwindigkeiten und flachen Auftreffwinkeln bilden sich bevorzugt aneinanderhängende Doppelkörper mit schmalem Hals oder sogar getrennte Objekte, die einander umkreisen. Bei Kollisionen mit steilem Winkel ergeben sich dagegen fest verschmolzene rundliche Objekte. Diese Verschmelzungen werden als "splat collisions" (englisch: Aufklatscher) bezeichnet.

Die beiden Forscher gehen davon aus, das sich Kometenkerne ursprünglich aus 100 bis 1000 Meter großen Himmelskörpern bildeten, die auch "Kometesimale" genannt werden. Sie kollidieren miteinander mit Geschwindigkeiten von wenigen Metern pro Sekunde, was etwa der Kollision zweier Fahrradfahrer entspricht. Wenn diese Objekte geringer innerer Festigkeit aufeinandertreffen, zermalmen sie sich zu verformten, rotierenden Materieansammlungen, bei denen auch einige Bruchstücke entweichen. In einem Beispiel ihrer Simulationen kollidieren zwei etwa ein Kilometer große Himmelskörper ohne innere Festigkeit mit wenigen Metern pro Sekunde in einem Winkel von 52 Grad. Dabei hinterlässt der kleinere Himmelskörper beim streifenden Aufschlag eine Schicht seines Materials auf dem Zielobjekt. Danach trennt er sich wieder vom Zielobjekt, um rund einen Tag später erneut sanft mit ihm zusammenzustoßen. Dabei verkleben die beiden Himmelskörper miteinander und bilden eine schmale Taille zwischen sich aus, die sehr dem Hals des Kometenkerns von 67P ähnelt.

© Martin Jutzi, personal communication
Die Kollision von zwei "Kometesimalen"

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