Didaktik: Fremdsprachen lernen – aber richtig
Eigentlich braucht es nicht viel, um eine Fremdsprache zu meistern. Rund 100 Seiten Grammatik und 5000 Wörter genügen, schätzte Paul Pimsleur (1927–1976), einer der bekanntesten Sprachlehrer des 20. Jahrhunderts. Der Schweizer Linguist Frederick Bodmer (1894–1960) legte die Latte noch niedriger. Wenn wir uns korrekt ausdrücken wollen, müssten wir höchstens 2000 Wörter und die wichtigsten grammatischen Regeln beherrschen, schrieb er 1955 in »Die Sprachen der Welt«, einem alten Standardwerk der Sprachwissenschaft.
Die jüngere Forschung bestätigt das. Für das höchste Niveau fremdsprachlicher Kompetenz reichen bereits 5000 Wörter, und schon mit 2000 kann man sich gut verständigen. 2000 Wörter lernen, das heißt: ein Jahr lang fünf bis sechs Wörter täglich. Das klingt machbar, und doch scheitern viele daran – sei es in der Schule oder als Erwachsene. Warum?
Paul Pimsleur hielt den klassischen Fremdsprachenunterricht für ungeeignet, weil dort vor allem Grammatikregeln und Lesen gelehrt würden. Er empfahl, die Schüler ganz viel zuhören und sprechen zu lassen, da so auch Kleinkinder ihre Muttersprache lernen.
Frederick Bodmer sah das anders. Ein Kind höre seine Muttersprache rund um die Uhr, nicht aber ein Erwachsener, »der Stunden nimmt oder sich selbst in einer Sprache unterrichtet, welche er den größten Teil des Tages weder hört noch gebraucht«. Wie ein Kind zu lernen bedeute für einen Erwachsenen außerdem, dass er seine Vorteile, »seine Fähigkeit zu analysieren und zu verallgemeinern«, nicht nutzen könne.
Der Streit um die wahre Lehre
Wer hat Recht? Diese Frage entzweit die Sprachforscher bis heute. Grammatik und Vokabeln üben: Das sind die Säulen der »Grammatik-Übersetzungsmethode«, die noch immer in vielen traditionellen Lehrbüchern und Unterrichtsformen vorherrscht. Jenes »explizite« Lernen stammt aus Zeiten, in denen es im Fremdsprachenunterricht vor allem darum ging, lateinische und altgriechische Klassiker zu übersetzen.
Den entgegengesetzten Weg schlägt die »direkte Methode« ein. Der Unterricht läuft weitgehend einsprachig ab; die Schülerinnen und Schüler sollen Grammatikregeln und Wortbedeutungen selbst entdecken. Auf dieses »implizite« Lernen setzt unter anderem die audio-linguale Methode. Paul Pimsleur ist ihr prominentester Vertreter. Sein in den 1960er Jahren entwickeltes Sprachlernsystem arbeitet vor allem mit Hören und Nachsprechen. Wiederholtes Einüben von Satzmustern (»pattern drill«) soll helfen, Sprechgewohnheiten aufzubauen.
Der US-Linguist Stephen Krashen, inzwischen im Ruhestand, hat den Erfolg von impliziten und expliziten Methoden bereits in den 1980er Jahren verglichen. Große Unterschiede stellte er nicht fest, beide Ansätze seien falsch.
Ihnen fehle die wichtigste Zutat: sehr große Mengen an verständlichem und interessantem Input. Für solchen Input zu sorgen, hält der Linguist für die wichtigste Aufgabe jedes Unterrichts – die Sprechfertigkeit komme dann mit der Zeit von allein. Außerdem empfiehlt er, Regellernen und Korrekturen auf das Allernötigste zu reduzieren, um Lernstress vorzubeugen. Diese Prinzipien bilden den Kern von Krashens eigenem Rezept fürs Fremdsprachenlernen, den »natürlichen Ansatz«, den er gemeinsam mit einem Kollegen entwickelt hat.
Niemand muss sprechen, bevor er nicht dazu bereit ist
Der Linguist lobt aber auch andere Ansätze, darunter die »total physical response« (TPR), zu Deutsch in etwa »ganzkörperliche Reaktion«. Hier gehen Sprechen und Handeln stets Hand in Hand. Zum Beispiel sagt die Lehrkraft »Aufstehen!«, steht selbst auf, und die Gruppe tut es ihr nach. Niemand muss sich in der Fremdsprache äußern, bevor er nicht dazu bereit ist.
Eine Weiterentwicklung ist die Methode »TPR Storytelling« – hier liegt der Schwerpunkt auf dem Lesen, Hören und Erzählen von Geschichten. Zunächst werden neue Ausdrücke mit Gesten und persönlichen Fragen eingeführt, dann in eigenen Kurzgeschichten immer wieder verwendet. Erklärungen zur Grammatik gibt es nur in Kurzform, genannt »pop-up grammar«.
Krashens Ideen haben das moderne Verständnis des Fremdsprachenunterrichts stark beeinflusst. Er sieht allerdings bei allen Arten von Gruppenunterricht ein grundsätzliches Problem: Was für die eine Person funktioniert, passt für eine andere womöglich gar nicht.
Wie US-Diplomaten Sprachen lernen
Zu diesem Schluss kam auch die wahrscheinlich härteste Sprachschule der Welt, das Foreign Service Institute (FSI) in Arlington, Virginia. Es gehört zum Auswärtigen Amt der USA und bereitet seit mehr als 70 Jahren Diplomatinnen und Diplomaten in mehr als 60 Sprachen auf ihre Auslandseinsätze vor. Zur Jahrtausendwende fasste das FSI die Erkenntnisse aus 50 Jahren Sprachtraining zusammen. Die wichtigste: Es gibt nicht nur eine richtige Methode. Die Aufgabe von Lehrern und Lehrerinnen sei, jeden Einzelnen mit dem zu versorgen, was er gerade braucht.
Am FSI findet der Unterricht deshalb in kleinen Gruppen statt: bis zu sechs Personen bei einfachen Sprachen wie Spanisch, höchstens vier Personen bei schwierigen Sprachen wie Arabisch und Chinesisch. Die meisten Lernenden, so die Erfahrung am FSI, profitieren vom Unterricht in einer kleinen Gruppe; nur hin und wieder sei Einzelunterricht von Vorteil.
Die Lehrkräfte sind in der Regel Muttersprachler, aber mindestens eine von ihnen sollte die betreffende Fremdsprache selbst erst als Erwachsene gelernt haben. So wisse sie aus eigener Erfahrung, wie man beim Einüben strategisch vorgeht, erläutern der am FSI geschulte US-Diplomat Richard Roberts und der Psychologe Roger Kreuz von der University of Memphis 2015 in ihrem Buch »Becoming Fluent«. Damit könnte die Lehrkraft am großen Lernvorteil von Älteren anknüpfen: ihrem Wissen über Sprache und über die Welt. Das kann laut FSI den natürlichen Lernprozess beschleunigen – über das Bewusstsein für Grammatik.
Regeln müssen nicht sein, helfen aber
In der Kontroverse um das explizite und das implizite Lernen deutet sich damit ein Kompromiss an: Beide haben ihre Berechtigung. Das reine Wissen allein reicht nicht – nur weil wir die Regeln kennen, können wir noch lange nicht korrekt sprechen. »Doch das bedeutet nicht, dass Grammatikkenntnisse nutzlos sind«, sagt die Psycholinguistin Denisa Bordag, Professorin am Herder-Institut der Universität Leipzig.
Bordag erforscht, wie Menschen Fremdsprachen lernen, und hat festgestellt: »Explizites Wissen ist hilfreich, weil es die Aufmerksamkeit auf relevante grammatische Formen lenkt.« Etwa bei den Vergangenheitsformen: Wenn wir von den Endungen schon einmal gehört haben, könnten wir sie schneller erkennen und aus den Beispielen lernen. Solche Regelmäßigkeiten suche und finde das Gehirn zwar von ganz allein. »Auch Erwachsene können Grammatik einfach nur durch Hören und Lesen lernen. Erklärungen helfen ihnen aber dabei.«
Vor allem Ältere profitieren davon, berichtet Bordag, die selbst als Deutschlehrerin Erwachsene unterrichtet hat. Implizites Lernen falle vielen Älteren schwerer: »Sie lernen lieber analytisch, über Regeln.« Anders sei es bei Menschen, die in der Schule wenig Grammatik gelernt hätten; sie könnten damit nicht viel anfangen. »Es kommt auf die Voraussetzungen an.«
Die passende Lektüre suchen
Das gilt auch für die Lernmaterialien. »Die Texte sollten ein bisschen über dem aktuellen Niveau liegen – nicht zu leicht, nicht zu schwer«, sagt Bordag. Die Grammatik dürfe nicht zu einfach gestrickt sein; sie müsse etwas Aufmerksamkeit erfordern – dann bleibe ein neues Wort eher hängen. Zudem sollten 95 Prozent des Wortschatzes bereits bekannt sein. Zu diesem Zweck gibt es Bücher und Hörbücher mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad. Nach dem »Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen« werden beispielsweise auf Niveau B1 2500 Wörter vorausgesetzt, erklärt Bordag.
»Dadurch bringen wir uns nur um die Freude an der Geschichte«Frederick Bodmer, Linguist
Aber wenn der Lieblingsroman doch etwas anspruchsvoller geschrieben ist: Sollte man unbekannte Wörter dann nachschlagen? Der Schweizer Linguist Frederick Bodmer sprach sich dagegen aus: »Dadurch bringen wir uns nur um die Freude an der Geschichte.« Außerdem sei das gar nicht nötig. »Nachdem wir das Wort ein paar Mal angetroffen haben, erfassen wir schließlich seine Bedeutung aus dem Zusammenhang«, schrieb er. Schätzungen zufolge muss man einem Wort mindestens sechsmal begegnen, um seine Bedeutung zu verstehen. Ist der Kontext sehr informativ, geht es schneller.
Laut Stephen Krashen ist eine freiwillige, selbst gewählte Lektüre – er nennt es »pleasure reading« – sogar effektiver als gezieltes Lernen. Sein Tipp: eine geliebte Buchreihe lesen. Die vertrauten Themen und das wiederholt ähnliche Vokabular würden das Verständnis erleichtern. Das Wichtigste aber: Man bleibe mit Interesse und Spaß bei der Sache. Übertragen auf unsere Zeit könnte das auch eine Fernsehserie im Originalton sein, nach Bedarf mit Untertiteln in der Mutter- oder Fremdsprache.
Gerade für den Anfang wird häufig empfohlen, gleichzeitig zu hören und zu lesen: Das soll zum Beispiel helfen, den Lautstrom in Wörter zu unterteilen, und mindert das Risiko, das Gelesene im Kopf falsch auszusprechen. Pimsleur warnt aus diesem Grund davor, mit dem Lesen anzufangen, bevor die Aussprache sitzt.
Gute Aussprache beginnt mit den Ohren
Im Gegensatz zu Erwachsenen können Babys noch mühelos lernen, die Laute aller Sprachen zu unterscheiden. Sie verlieren diese Fähigkeit aber im Alter von sechs bis zwölf Monaten, wenn sich ihr Hörvermögen auf die vertrauten Klänge der Muttersprache spezialisiert. Deshalb fällt es Französischsprachigen später schwer, das [h] zu hören und auszusprechen, das in ihrer Muttersprache nicht existiert. Anhand vieler Hörbeispiele können sie es jedoch lernen. Die Wahrnehmung zu trainieren, hilft also nicht nur beim Hörverstehen, sondern ebenfalls bei der Aussprache – wenn auch weniger.
Die meisten Sprachlern-Programme enthalten allerdings kein Hörtraining. Sie gehen davon aus, dass die Aussprache nebenbei »mitgelernt« wird. Dabei bietet die moderne Technik gute Möglichkeiten, Aussprache und Hörverstehen zu trainieren. Zum Beispiel gibt es Programme, die gesprochene Sprache in Echtzeit als Welle darstellen. So kann man die eigene Aussprache verbessern, bis man den richtigen Ton trifft.
»Die Apps können Interaktion und echtes Feedback nicht ersetzen«Markus Ritter, Sprachdidaktiker
Jede Menge Sätze zum Hören, Mitlesen und Nachsprechen: Das gehört zu den Basics von Online-Programmen wie Mondly und Rosetta Stone. Bei den Sprachlern-Apps hat sich technisch viel getan. »Durch Spracherkennung, Videoeinbindung und so weiter werden die Apps immer mächtiger, interaktiver, dynamischer, unterhaltsamer«, sagt Markus Ritter, Professor für englische Sprachdidaktik an der Ruhr-Universität Bochum. Seit seiner Promotion in den 1990er Jahren erforscht er den Einsatz digitaler Medien im Fremdsprachenunterricht.
Dennoch ist er von den populären Sprachlern-Apps für Erwachsene wenig begeistert. Zum Beispiel Babbel und Duolingo: »Sie sind didaktisch keineswegs eine Revolution, sondern bedienen eher bekannte Sprachlernerwartungen.« Er sieht zwar Vorteile verglichen mit CDs, Kassetten und Büchern, in denen man Dinge nachsprechen oder Lücken ausfüllen soll. »Aber die Apps können Interaktion und echtes Feedback nicht ersetzen.«
Ein eher durchwachsenes Fazit ziehen auch Studien, die die Wirksamkeit von Sprachlern-Apps empirisch überprüft haben. Eine Metaanalyse mit mehr als 9000 Versuchspersonen bescheinigte ihnen zwar moderate Effekte. Solche Untersuchungen verwenden jedoch selten zuverlässige objektive Erfolgskriterien; die Apps werden oft von den Lernenden selbst beurteilt. Bis 2020 fanden drei Forscherinnen von der University of Texas in Arlington nur 26 Studien, die Qualitätskriterien wie ein objektives Erfolgsmaß erfüllten. »Die Zahl ist alarmierend niedrig angesichts der Popularität von Mobile-Apps und ihren Erfolgsversprechen«, schreiben sie. In vier von fünf Fällen bestätigten die Studien durchaus, dass die App die betreffende Sprachkompetenz verbesserte, meist aber nur den Wortschatz.
Und dabei gehen die Apps auch wenig innovativ vor, urteilte der Didaktikforscher Torben Schmidt von der Leuphana Universität Lüneburg zusammen mit einem US-Forschungsteam. 2016 evaluierten sie die 50 beliebtesten kommerziellen Sprachlern-Apps für Mobiltelefone. Ihre Kritikpunkte: Die Programme passten sich kaum den Fähigkeiten der Lernenden an, lieferten selten Erklärungen für Korrekturen, und die Vokabeln würden häufig isoliert, also ohne Kontext präsentiert. Keine gute Voraussetzung, um sich Begriffe dauerhaft einzuprägen, wie die Lernforschung zeigt.
So lernt man am besten Vokabeln
Wie man sich einen neuen Wortschatz aneignet, ist die wohl am besten untersuchte Frage zum Thema Fremdsprachenlernen. Die wichtigste Erkenntnis: Um Wörter tief im Gedächtnis zu verankern, muss man sie auch tief gehend verarbeiten. Das demonstrierte schon ein klassisches Experiment aus dem Jahr 1975, bei dem die Versuchspersonen zu einem neuen Wort eine Frage beantworten sollten, die entweder die Aufmerksamkeit auf oberflächliche Eigenschaften oder auf die Wortbedeutung lenkte. Sollten sie beispielsweise sagen, ob das Wort in Großbuchstaben geschrieben war, erinnerten sich später nur 16 Prozent an das Wort – dagegen waren es rund 90 Prozent, wenn sie sagen sollten, ob das Wort in einen bestimmten Satz passte.
Die meisten Fachleute empfehlen deshalb, neue Wörter im Satzzusammenhang zu lernen, oder noch besser: in mehreren verschiedenen. Und das am besten in Sätzen, die sich auf die eigene Person beziehen oder anderweitig eine persönliche Bedeutung haben. Die alte Methode, jedes Wort einzeln zu lernen, hat also ausgedient. Ein Vokabelheft ist auch deshalb unklug, weil die Wörter darin immer in derselben Reihenfolge und an derselben Stelle stehen. Die Lernsituation sollte man ebenfalls abwechseln, sonst fällt einem das Wort womöglich unter anderen Bedingungen nicht wieder ein.
Das richtige Timing beim Vokabellernen
Viele Studien zeigen: Einen Lernstoff mit etwas zeitlichem Abstand zu wiederholen, genannt »spaced repetition«, ist langfristig effektiver als dieselbe Anzahl Wiederholungen direkt hintereinander. Noch mehr hilft es, das Gelernte nicht nur zu wiederholen, sondern aus dem Gedächtnis abzurufen (»testing effect«). Und je länger das Wissen im Kopf bleiben soll, desto länger sollte man mit der Auffrischung warten.
Ein Team der Universität Mannheim stellte bei Experimenten im Englischunterricht fest: Für einen Vokabeltest eine Woche später war es gut, die Worte nach einem Tag zu wiederholen, aber für den Test nach einem Monat waren elf Tage Abstand besser. Zu ähnlichen Ergebnissen kam eine US-Studie mit mehr als 1300 Versuchspersonen. Sie sollten Fakten lernen und wurden bis zu ein Jahr später danach gefragt. Das optimale Intervall betrug hier 20 Prozent der Zeit bis zum Test, wenn es sich um ein paar Wochen handelte, und fünf Prozent, wenn es um ein Jahr ging.
Unklar ist allerdings, wie es bei mehreren Wiederholungen aussieht. Sollten die Abstände dabei größer werden? Einige Befunde sprechen dafür, allerdings nicht alle. Lernsoftware und klassische Karteikartensysteme setzen meist auf steigende Intervalle.
Inwieweit Bilder beim Vokabellernen helfen, ist umstritten; manche Studien sprechen dafür, vor allem bei Kindern, andere dagegen. Anders bei Gesten: Sie scheinen bei Jung und Alt das Gedächtnis zu stärken. Wer beim Lernen passende Bewegungen macht, kann sich sechs Monate später besser an die gepaukten Vokabeln erinnern, stellte ein Forschungsteam vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig fest. Das liege jedoch nicht an der Bewegung selbst, sondern an der sinnlichen Erfahrung der Wortbedeutung. Gesten fördern die Erinnerung an Wörter besonders dann, wenn sie deren Inhalt bildhaft darstellen.
Viel ist gut, Vielfalt ist besser
Das ermutigende Fazit des Foreign Service Institute: Bei intensivem Training gelangen fast alle Schüler und Schülerinnen irgendwann ans Ziel. Um eine hohe Sprachkompetenz zu erreichen, brauche es bei schwierigen Sprachen wie Chinesisch und Arabisch allerdings einen Aufenthalt im Land. Die angehenden US-Diplomatinnen und -Diplomaten lernen dann noch eine Weile »on the job«.
Eine Alternative für alle, die es sich leisten können, sind so genannte Immersion-Camps. Unter »immersion«, häufig mit »Eintauchen« übersetzt, versteht man länger andauernde Aufenthalte im fremdsprachigen Umfeld, etwa als Schüler an einer zweisprachigen Schule oder als Au-pair in einer Familie. Für Erwachsene gibt es so genannte Immersion-Camps, in denen sie nur die Zielsprache sprechen dürfen, zum Beispiel am Middlebury College im US-Bundesstaat Vermont. Immersion gilt als die erfolgreichste Lernmethode, wenn auch einige Fachleute wie Stephen Krashen einschränken, dass dafür ein gewisses Grundverständnis der Sprache vorhanden sein sollte.
Ein mehrwöchiges Immersion-Camp bringt unter Umständen für die Sprechfertigkeit mehr als ein Semester im Ausland. Eine Studie in Belgien stellte fest, dass ausländische Studierende nach acht Monaten kaum mehr Flämisch konnten als zuvor; nur schriftlich hatten sie sich etwas verbessert. Unter anderem hätte es ihnen wohl an Kontakten zu Muttersprachlern gefehlt. Ein reichhaltiger Input allein genüge nicht: Es brauche persönliche Interaktion und ein Gefühl von Zugehörigkeit.
Eine andere Möglichkeit, sich die nötigen Kontakte zu verschaffen, sind Sprach-Tandems. Eine Deutsche, die ihr Englisch verbessern möchte, sucht sich beispielsweise auf tandem.net eine Engländerin, die Deutsch lernen will. Dann treffen sie sich im Video-Chat, um abwechselnd die eine und die andere Sprache zu sprechen. Das sorgt für einen authentischeren Austausch als bei gestellten Dialogen im Unterricht.
Man sollte in möglichst lebensnahen Situationen trainieren, empfehlen der FSI-Diplomat Roberts und sein Koautor Kreuz. Sie warnen vor »Schwimmübungen im Trockenen«. Allzu oft klappe die Verständigung im Unterricht gut, im wahren Leben aber weniger. Viel hilft viel, doch Vielfalt ist noch besser, vor allem wenn es um das Hörverstehen geht.
Abwechslung empfehlen sie auch für den Fall, dass der Lernfortschritt stockt. Meist genüge es schon, auf andere Weise zu üben. Und wenn das Lernen gerade keinen Spaß macht: stopp. Etwas ganz anderes tun. Ohnehin sollte man besser häufig für kurze Zeit üben als einmal über mehrere Stunden. Eine Sprache zu lernen, ist weder Sprint noch Marathon – vielmehr eine sehr lange Wanderung. Selbst der Drill-Anhänger Paul Pimsleur riet: langsam machen und genießen.
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