Weihnachten: So einfach kann Schenken sein
Den Brauch des Schenkens gibt es in fast allen Kulturen. Wir festigen damit soziale Bande, zeigen unsere Großzügigkeit und beweisen einander, wie wichtig wir uns sind. Im Mittel geben die Deutschen nach eigener Auskunft knapp 300 Euro für Weihnachtsgeschenke aus. Am beliebtesten sind neben Geld und Gutscheinen Spiele, Veranstaltungstickets, Kleidung, Bücher und Schmuck. Doch alle Jahre wieder liegen auch ungeliebte Präsente unterm Baum. Die werden dann heimlich weiterverkauft, verschwinden in der Rumpelkammer oder landen sogar im Müll. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov tauschen 15 Prozent der Deutschen das Teil um, jeder vierte unglücklich Beschenkte verschenkt es einfach weiter. Letzteres finden Schenkende zwar gar nicht so schlimm wie befürchtet. Aber noch besser wäre es doch, wenn es beim Schenken gar nicht erst zu solchen Fehlgriffen käme. Mit diesen fünf Regeln klappt es.
1. Etwas Praktisches schenken
Wenn wir ein Geschenk aussuchen, wählen wir oft etwas, das richtig Eindruck schindet. Den Erfolg im Schenken messen wir nämlich daran, wie sehr der Empfänger beim Auspacken strahlt. Doch für den zählen in Wahrheit andere Werte.
In einer Reihe von acht Studien untersuchten Forscher um Ernest Baskin von der Saint Joseph's University in Philadelphia, welche Art von Geschenken Schenkende bevorzugen und was bei Beschenkten am besten ankommt. Dafür teilten sie Probanden in Schenkende und Beschenkte ein und ließen sie zwischen zwei Präsent-Optionen wählen. Eine war sehr attraktiv, aber eher unpraktisch, und die andere weniger sensationell, aber dafür nützlich – etwa eine komplizierte Hochglanz-Kaffeemaschine oder ein simpleres Modell, das zuverlässig funktioniert und leicht zu bedienen ist.
Als Schenkende denken wir vor allem an den Moment der Übergabe. Der Beschenkte legt hingegen Wert auf den langfristigen Nutzen
Sowohl in verschiedenen Online-Untersuchungen als auch im Feldexperiment in einem Einkaufszentrum, vor Imbissbuden und am Strand zeigte sich: Schenkende entscheiden sich für die Edel-Option, während Beschenkte in Wahrheit die praktische Variante präferieren. Auf der Strandpromenade freuten sich Beschenkte nicht nur mehr, wenn ein Freund ihnen einen gewöhnlichen, leichten Kugelschreiber übergab als einen schicken, der dafür sehr schwer und nicht einfahrbar war. Sie hatten dann sogar stärker das Gefühl, dass sie dem Schenkenden am Herzen liegen.
Wie kann das sein? Wenn wir etwas für andere kaufen, bleibt der Gegenstand für uns abstrakt. Wir stellen uns nicht vor, wie es sein würde, das Geschenk im Alltag zu verwenden. Als Schenkende denken wir vor allem an den Moment der Übergabe: Der soll möglichst spektakulär und effektvoll ausfallen. Der Beschenkte legt hingegen Wert auf den langfristigen Nutzen. Die unterschiedlichen Perspektiven führen häufig zu Fehlentscheidungen beim Schenken, so die Autoren einer 2016 erschienenen Überblicksarbeit zum Thema.
Es hilft also, sich in die Beschenkten hineinzuversetzen. Ein witziges Geschenk, das dem Gegenüber im ersten Augenblick ein Lachen entlockt, aber danach praktisch unbrauchbar ist, entpuppt sich eher als Fehlgriff. Was dem Beschenkten für lange Zeit Freude macht, macht ihn unterm Strich glücklicher. Man darf ruhig praktisch denken: Eine hübsche Topfpflanze bereitet auf lange Sicht mehr Freude als ein frischer Strauß, der nach einer Woche verwelkt ist.
2. Materielle Geschenke sind besser als ihr Ruf
Lange hieß es unter Verhaltensökonomen: Erlebnisse machen glücklicher als Dinge. Denn gemeinsame Unternehmungen bringen uns einander näher, und von den Erinnerungen an schöne Augenblicke zehren wir noch Jahre. Doch sind Konzertkarten wirklich immer besser als ein paar neue Kopfhörer mit sattem Klang?
Inzwischen ist klar: Es kommt darauf an. 2015 erschien dazu eine wissenschaftliche Arbeit der kanadischen Psychologen Aaron Weidman und Elizabeth Dunn, damals beide an der University of British Columbia. Sie gaben 67 Studierenden 20 kanadische Dollar und baten sie, das Geld entweder für ein Erlebnis oder ein Objekt auszugeben, das ihnen Freude bereiten wird. In den beiden darauf folgenden Wochen füllten die Probanden allabendlich eine Reihe von Fragebogen aus.
Das Ergebnis: Wer sich von dem Geld Materielles angeschafft hatte, zog daraus häufigere Glücksmomente. Während der Winterferien befragten die Forscher außerdem 81 Studierende zu ihren Weihnachtsgeschenken, zum Beispiel »Wie stark trägt das Geschenk zu deinem aktuellen Lebensglück bei?«. Erlebnis-Geschenke sorgten beim Einlösen für einen intensiveren Glücksmoment, aber Dinge hatten bei der Häufigkeit wieder die Nase vorn.
Der Reiz neuer Anschaffungen nutzt sich nicht so schnell ab, wenn wir sie von jemand anderem geschenkt bekommen haben
Wie ein Duo aus britischen und US-amerikanischen Forschern herausfand, nutzt sich der Reiz neuer Anschaffungen zudem nicht so schnell ab, wenn wir sie von jemand anderem geschenkt bekommen haben. Anders als die anfängliche Begeisterung über ein neues Teil verliert sich der sentimentale Wert des Präsents kaum. Verschenkte Erlebnisse sind zudem nicht automatisch toll. Sie können auch in die Hose gehen. Vielleicht regnet es beim Open-Air-Festival in Strömen, der Beschenkte hat an dem Tag Rückenschmerzen, oder es herrscht gerade dicke Luft.
In Zeiten der Corona-Pandemie kommen diese Erkenntnisse gelegen. Bis wir wieder live mit unserer Lieblingsband mitsingen oder uns beim Kochkurs um den Herd tummeln können, wird es noch dauern. Auch deshalb werden die meisten mit einem Brotbackautomaten mehr anfangen können als mit einem Kurs beim Sushi-Meister. Und das gilt nicht nur für den Feinschmecker in der Familie: Viele haben während des Lockdowns selbst gemachtes Sauerteigbrot für sich entdeckt.
3. Geschenke müssen nicht teuer sein
Bei der Auswahl des richtigen Präsents neigen wir dazu, die Bedeutung des Preises zu überschätzen. Je mehr wir ausgeben, desto mehr Begeisterung erwarten wir. Für den Beschenkten ist es allerdings zweitrangig, wie viel wir gezahlt haben. Das zeigt unter anderem eine Untersuchung, die 2009 erschien. Francis Flynn von der Stanford Graduate School of Business in Kalifornien und Gabrielle Adams von der University of Virginia in Charlottesville befragten damals 33 frisch verlobte US-Pärchen zu ihrem Verlobungsring. Die Männer, die ihrer Freundin den Antrag gemacht hatten, hatten im Schnitt um die 3000 Dollar für den Klunker hingeblättert. Je höher der Preis, desto größer die Erwartung, dass sich die Zukünftige mächtig freuen würde. Die Befragung der Frauen ergab jedoch: Deren Begeisterung über das Schmuckstück war unabhängig vom Preis.
Für die Zufriedenheit machte es kaum einen Unterscheid, ob das Präsent teuer oder günstig war
Da ein Verlobungsring kein gewöhnliches Geschenk ist, testeten die Forscher den Effekt noch an Geburtstagsgeschenken – darunter Kleidung, Wein, Bücher und Deko. Mit dem gleichen Ergebnis: Während Schenkende den Preis für ausschlaggebend halten, machte es für die Zufriedenheit der Jubilare kaum einen Unterscheid, ob das Präsent teuer oder günstig war. Eine mögliche Erklärung: Wer beim Schenken prasst, vergleicht das teure Geschenk insgeheim mit den verworfenen günstigeren Optionen und erwartet entsprechend größere Freude darüber. Aber der Beschenkte weiß nichts von den günstigeren Optionen. Wenn es das Präsent auch gebraucht zu kaufen gibt, schont das also nicht nur Geldbeutel und Umwelt, sondern bereitet ebenso viel Freude wie dasselbe in neu.
4. Den Wunschzettel beachten
Am liebsten wollen wir den anderen mit etwas überraschen, von dem er noch gar nicht wusste, dass er es unbedingt braucht. Wie langweilig, einfach etwas vom vorgefertigten Wunschzettel auszusuchen. So ein geistloses Präsent wird doch wohl kaum Anklang finden – oder?
Im Gegenteil: Gewünschtes kommt sogar besser an, wie Francesca Gino von der Harvard University und Francis Flynn von der Stanford University 2010 in einer Reihe von Studien demonstrierten. Beschenkte empfinden es demnach als besonders aufmerksam, wenn wir uns nach ihren Wünschen richten: Da hat jemand gut zugehört.
Ähnlich verhält es sich mit Geldgeschenken. Schenkende erwarten, dass ein unerwartetes Geschenk besser ankommt als ein Umschlag mit Scheinen. Beschenkte freuen sich aber meist mehr über Letzteres, wie die Studie zeigte. Sie suchen sich lieber selbst etwas aus, als mit einem Präsent überrascht zu werden, das vielleicht nicht ganz ihren Geschmack trifft. Öfter mal auf Überraschungen zu verzichten, ist nicht unromantisch, sondern ein Liebesbeweis.
5. Auf Bewährtes setzen
Wenn wir für jemand anderen einkaufen, konzentrieren wir uns meist auf dessen einzigartige Persönlichkeit. Wir versuchen, ein ganz besonderes Geschenk zu finden, das speziell auf diesen Menschen zugeschnitten ist. Dabei würden wir oft besser daran tun, etwas Allgemeineres zu wählen, wie Studien zeigen.
»Schenkende neigen dazu, hochpersonalisierte Geschenke auszusuchen. Empfänger bevorzugen aber vielseitig Einsetzbares«, berichtet Mary Steffel, die an der University of Cincinnati zu Marketingthemen forscht. Das sei mit ein Grund, warum Gutscheine oft ungenutzt verfallen. Für einen sportlichen Freund besorgen wir etwa einen Coupon für ein bestimmtes Sportgeschäft. Ihm wäre aber wahrscheinlich eine Visa-Geschenkkarte lieber, mit der er je nach Bedarf Trainingsausrüstung oder Karten für ein Fußballspiel besorgen kann. Wenn wir uns an den stabilen Eigenschaften eines Menschen orientieren, verlieren wir leicht seine wechselnden Wünsche und Bedürfnisse aus den Augen.
Zudem sind wir beim Schenken darauf bedacht, für jeden etwas anders zu besorgen. Individuell soll es sein – auch wenn mehrere Bekannte mit dem gleichen Präsent glücklicher wären. Wir sind außerdem besser darin, etwas für uns selbst zu kaufen als für andere. Das können wir uns zu Nutze machen. Was man selbst mag, das kommt häufig auch bei Freunden gut an. Immerhin teilen wir mit ihnen Vorlieben und Interessen. Das Lieblingsbuch kann man auch getrost gleich mehrfach verschenken. Das ist nicht nur einfacher, es sorgt noch dazu beim nächsten Fest für gemeinsamen Gesprächsstoff.
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