Darmgesundheit: Wie Freunde unser Mikrobiom beeinflussen – und deren Freunde auch
Eine gemeinsame Mahlzeit, ein Kuss auf die Wange: Soziale Handlungen wie diese bringen Menschen zusammen – und damit auch ihre Mikrobiome. Je mehr Menschen miteinander zu tun haben, desto ähnlicher ist die Zusammensetzung der Mikroorganismen in ihrem Darm, selbst wenn sie nicht im selben Haushalt leben. Darauf deutet eine Studie hin, die ein Team um Nicholas Christakis von der Yale University im Fachmagazin »Nature« veröffentlichte.
Die Untersuchung ergab außerdem, dass das Mikrobiom eines Menschen nicht nur durch seine sozialen Kontakte, sondern auch durch die Beziehungen zwischen den sozialen Kontakten geprägt wird. Die Arbeit ist eine von mehreren Studien, die darauf hindeutet, dass Gesundheitszustände durch die Übertragung des Mikrobioms zwischen Individuen beeinflusst werden können und nicht nur durch die Ernährung und andere Umweltfaktoren, die sich ebenfalls auf die Darmflora auswirken. Auf der Suche nach Erkenntnissen darüber, was das Mikrobiom eines Menschen prägt, seien soziale Interaktionen »definitiv ein Teil des Puzzles, das meiner Meinung nach bis vor kurzem gefehlt hat«, sagt die Mikrobiologin Catherine Robinson von der University of Oregon in Eugene, die nicht an der Arbeit beteiligt war.
Was mein ist, ist auch dein
Die Studie geht auf eine Arbeit zurück, die im Jahr 2007 veröffentlichte wurde. Darin untersuchten Nicholas Christakis und James Fowler, wie sich Fettleibigkeit in sozialen Netzwerken ausbreitet. Bestimmte Viren und Bakterien, die im Darm von Menschen vorkommen, können das Risiko einer Person für Fettleibigkeit verändern. Der Sozialwissenschaftler Nicholas Christakis fragte sich deshalb, ob Freunde nicht nur die Essgewohnheiten der anderen beeinflussen, sondern auch entsprechende Mikroben aneinander weitergeben. »Das war der Kern einer Idee, die mich nicht mehr losließ«, berichtet Christakis.
Seitdem haben mehrere Veröffentlichungen gezeigt, dass soziale Interaktionen das Darmmikrobiom beeinflussen. Christakis und seine Kollegen reisten für ihre Untersuchung in den Dschungel von Honduras. Dort kartierten sie die sozialen Beziehungen und analysierten die Mikrobiome von Menschen, die in 18 isolierten Dörfern leben, in denen die Interaktionen hauptsächlich von Angesicht zu Angesicht stattfinden und die Menschen nur minimal verarbeiteten Lebensmitteln und Antibiotika ausgesetzt sind, die verändern könnten, wie sich das Mikrobiom zusammensetzt.
Dabei entdeckten die Forscher, dass sich Ehepartner und Personen, die im selben Haus leben, bis zu 13,9 Prozent der Mikrobenstämme im Darm teilen. Aber auch Menschen, die nicht unter einem Dach wohnen, jedoch regelmäßig ihre Freizeit zusammen verbringen, haben eine zehnprozentige Übereinstimmung in ihrem Mikrobiom. Im Gegensatz dazu teilen sich Menschen, die zwar im selben Dorf wohnen, aber keine gemeinsame Zeit verbringen, nur vier Prozent der Mikroorganismen. Es gibt auch Hinweise auf Übertragungsketten – Freunde von Freunden teilen mehr Stämme miteinander, als zufällig zu erwarten wäre.
Mehr als Zufall
Die Ergebnisse erweitern das Verständnis darüber, was das Mikrobiom prägt, erklärt die Mikrobiologin Mireia Valles-Colomer von der Universität Pompeu Fabra in Barcelona, Spanien, die nicht an der Arbeit beteiligt war. Auch deshalb, weil das Team sich die einzelnen Abstammungslinien innerhalb einer Mikrobenart genauer anschaute. Menschen, die eng miteinander verbunden sind, können vielleicht zufällig die gleichen Mikrobenarten in ihrem Darm tragen, aber es ist viel unwahrscheinlicher, dass sie auch die gleichen Stämme besitzen – es sei denn, sie haben sie sich gegenseitig weitergegeben.
Forschungen wie diese »verändern unsere Denkweise völlig«, denn sie legen nahe, dass Risikofaktoren für Krankheiten, die mit dem Mikrobiom zusammenhängen, wie Bluthochdruck und Depressionen, über das Mikrobiom von Mensch zu Mensch weitergegeben werden könnten, sagt der Computerbiologe Nicola Segata von der Universität Trient in Italien. Segata war nicht an der aktuellen Arbeit beteiligt, hat aber in der Vergangenheit mit Valles-Colomer und Mitgliedern von Christakis' Team an ähnlichen Forschungsprojekten gearbeitet. Meiden sollten man die soziale Interaktionen aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Mikrobiom anderer jedoch nicht. Soziale Kontakte können auch gesunde Mikroben verbreiten und haben unzählige weitere Vorteile. Valles-Colomer sagt: »Enge Kontakte sind nicht schlecht für uns. Im Gegenteil – sie sind vorteilhaft!"
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