Radioaktive Rauchwolke: Wie gefährlich sind Waldbrände bei Tschernobyl?
Der am stärksten radioaktiv verseuchte Wald der Welt brennt. In der Ausschlusszone um den explodierten Reaktor von Tschernobyl standen laut Berichten der ukrainischen Behörden bisher insgesamt etwa 100 Hektar Nadelwald in Flammen. Doch obwohl Fachleute im Umfeld der Brände bereits höhere Radioaktivitätswerte gemessen haben, besteht jenseits der betroffenen Region wohl keine Gefahr durch den strahlenden Rauch – geschweige denn in Mitteleuropa. Dazu ist die radioaktive Belastung zu gering und die betroffene Fläche zu klein, wie Untersuchungen früherer Waldbrände in der Region zeigen.
Spätestens seit den schweren Waldbränden in Russland im Jahr 2010 waren Fachleute auf die Gefahr aufmerksam geworden, die durch solche Feuer in der Ausschlusszone droht. Mehr als zwei Drittel des Gebiets sind mit Wäldern bedeckt. Die Nadelbäume erwiesen sich nach dem Reaktorunglück als eine Art Barriere und fingen einen erheblichen Teil der radioaktiven Partikel ab, die sie in den Jahren nach dem Unglück aufnahmen und in Holz und andere Pflanzenteile einbauten. Hypothetische Brände, die mehr als die Hälfte der Waldfläche erfassen, könnten laut einer Studie von 2014 sogar Konsequenzen vergleichbar mit dem Nuklearunfall von Fukushima haben.
Wenn das Holz brennt, steigen die Radionuklide mit dem Rauch in die Atmosphäre und verbreiten sich möglicherweise über weite Entfernungen – genau wie der Fallout der Katastrophe selbst. Zusätzlich zeigen Analysen, dass die Region in den letzten Jahrzehnten wärmer und trockener geworden ist, ein Trend, der sich wohl fortsetzen wird. Gleichzeitig steigt die Feuergefahr, weil wegen der Strahlung und auch fehlender Geldmittel keine vorbeugenden Maßnahmen zum Brandschutz mehr stattfinden.
Allerdings scheinen sich die dramatischen Szenarien in der Wirklichkeit nicht zu bestätigen. Durch die entstehenden Waldbrände droht wohl auch in Zukunft kein nennenswerter Fallout jenseits der Regionen direkt um die Brände. Welche Auswirkungen ein größeres Feuer in dem Gebiet tatsächlich hat, untersuchte 2015 eine Arbeitsgruppe des Norwegian Institute for Air Research (NILU) in Kjeller anhand zweier Feuer, die insgesamt mehr als 5000 Hektar Wald vernichteten. Zwischenzeitlich näherten sich die Flamme sogar einem Lager für radioaktive Abfälle und Trümmer. Wie das Team berichtet, gelangten durch die Brände insgesamt etwa 3,8 Gramm Plutonium-239 und -240 sowie 3,3 Gramm Cäsium-137 in die Luft, dazu kleine Mengen anderer Radionuklide.
Die radioaktiven Elemente verbreiteten sich über große Bereiche Osteuropas, das bei den Feuern freigesetzte Cäsium ließ sich sogar in Norddeutschland nachweisen. Allerdings in extrem geringen Konzentrationen, wie die norwegischen Fachleute berichten. Selbst in den am stärksten betroffenen Regionen lag die zusätzliche Strahlenbelastung weit unter jener, die man durch eine Röntgenuntersuchung oder einen Transatlantikflug abbekommt. Die Belastung in Norddeutschland lag laut der Studie unter derjenigen, die man durch den Verzehr von zehn Bananen aufnimmt.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.