Alexithymie: Dunkle Persönlichkeiten sind blind für ihre Gefühle
Manche Menschen haben Schwierigkeiten, ihre eigenen Gefühle wahrzunehmen oder zu benennen. Das Phänomen wird Gefühlsblindheit oder Alexithymie genannt und kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Ein hohes Ausmaß davon wird ebenso wie so genannte dunkle Persönlichkeitseigenschaften mit Straftaten in Verbindung gebracht.
Ein Team um den Kriminologen Darrick Jolliffe von der Royal Holloway University of London und die Psychologin Georgia Zara von der Universität Turin hat sich die Rolle von Alexithymie und Empathie bei einer Gruppe von destruktiven Persönlichkeitszügen genauer angesehen: Machiavellismus, Psychopathie, Narzissmus und Sadismus. Diese Eigenschaften nennt man auch die dunkle Tetrade. Die publizierten Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine »dunkle Persönlichkeit« mit der verminderten Fähigkeit, sich in andere hineinzufühlen, sowie mit Problemen beim Erkennen der eigenen Emotionen zusammenhängt.
Der typische Machiavellist lebt nach dem Motto »Der Zweck heiligt die Mittel«. Er manipuliert und betrügt, sobald es ihm Vorteile verschafft. Menschen mit hohen Ausprägungen dieser Eigenschaft stimmen Aussagen zu wie »Ich neige dazu, andere für meine Zwecke auszunutzen«. Narzissten bejahen dagegen Statements wie »Ich will von anderen bewundert werden« und sind in der Regel von Egoismus, Überlegenheitsgefühlen und der Sehnsucht nach Bewunderung geprägt. Psychopathen wiederum gelten als impulsiv und gefühlskalt und kommen häufig mit dem Gesetz in Konflikt. Psychopathie wird unter anderem mit der Aussage erfasst: »Ich neige dazu, keine Gewissensbisse zu haben.« Und unter einer sadistischen Persönlichkeit versteht man eine Person, die andere erniedrigt und ihnen absichtlich körperliche oder psychische Schmerzen zufügt: »Ich habe Fantasien darüber, anderen weh zu tun.«
Für die Studie füllten mehr als 1500 Erwachsene Fragebogen aus, die dunkle Persönlichkeitseigenschaften, Alexithymie und Empathie erfassten. Die Personen sollten unter anderem angeben, inwiefern sie Aussagen zustimmen wie »Mir ist oft unklar, was ich gerade fühle«, »Wenn ich aufgeregt bin, weiß ich nicht, ob ich traurig, ängstlich oder wütend bin« oder »Ich werde oft traurig, wenn ich traurige Dinge im Fernsehen oder in Filmen sehe«.
Das Ergebnis: Stärkere machiavellistische, sadistische und psychopathische Merkmale waren mit einem Mangel an Empathie und einem höheren Grad an Alexithymie verbunden. Diese hing wiederum mit einer geringeren Empathie zusammen – und ist statistischen Berechnungen zufolge ein wichtiger Mediator der Beziehung zwischen Persönlichkeit und Empathie. Narzissmus stand ebenfalls mit Gefühlsblindheit in Zusammenhang, nicht aber mit Empathie.
Personen mit dunklen Persönlichkeitseigenschaften haben offenbar Schwierigkeiten damit, sowohl ihre eigenen Gefühle als auch die von anderen Menschen zu erkennen und zu verstehen. Ein speziell entwickeltes Wahrnehmungstraining, so hoffen die Forscher, könnte künftig möglicherweise dabei helfen, Probleme in zwischenmenschlichen Beziehungen abzubauen oder sogar Straftaten zu verhindern.
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