Supraleitung: Wie gehabt?
Während für normale Supraleiter seit fast einem halben Jahrhundert eine Theorie existiert, die das Phänomen bestens zu erklären vermag, herrscht bei den Hochtemperatur-Supraleitern noch viel Ungewissheit. Strahlung aus dem Teilchenbeschleuniger kann ein wenig Licht auf die Mechanismen in diesen Materialien werfen.
Normale Metalle haben einen endlichen elektrischen Widerstand. Fließt durch sie ein Strom, so ist das mit erheblichen Verlusten verbunden. Einige Metalle werden jedoch unterhalb einer so genannten Sprungtemperatur zu Supraleitern. Diese leiten den elektrischen Strom widerstandsfrei, also ohne Verluste. Solche Supraleiter sind bereits seit fast hundert Jahren bekannt, wobei ihre Sprungtemperatur in der Regel nur wenige Grad über dem absoluten Nullpunkt liegt. Da es sehr aufwändig ist, sie entsprechend abzukühlen, finden herkömmliche Supraleiter nur wenig Anwendung, beispielsweise in Spulen für sehr starke magnetische Felder.
Die Elektronen in einem Metall können also das für Fermionen gültige Ausschlussprinzip umgehen, indem sie Cooper-Paare bilden, die dann – wie die Bosonen – einen ganzzahligen Spin aufweisen. In der Folge gehen auch sie in einen Zustand über, dessen quantenmechanische Wellenfunktion sich auch über makroskopische Dimensionen erstreckt. In diesem Zustand sind Wechselwirkungen einzelner Elektronen mit statischen oder dynamischen Defekten, die dem elektrischen Widerstand zu Grunde liegen, ausgeschlossen – der Stromtransport erfolgt verlustfrei.
Das Hauptproblem bei der Bildung von Cooper-Paaren besteht nun darin, dass Elektronen eine negative elektrische Ladung besitzen und sich deshalb stark abstoßen. Damit sich Cooper-Paare überhaupt bilden können, ist also eine anziehende Kraft erforderlich, die der elektrostatischen Abstoßung entgegenwirkt. In herkömmlichen Supraleitern basiert diese Kraft auf einer koordinierten Verzerrung der positiv geladenen Atomkerne. Diese Gitterschwingungen, die man auch als Phononen bezeichnet, reduzieren die elektrostatische Abstoßung beziehungsweise heben sie sogar auf. Im Falle der Hochtemperatur-Supraleiter ist jedoch weitgehend erwiesen, dass die anziehende Wirkung auf Grund der Phononen viel zu schwach ist, um die extrem hohe Sprungtemperatur dieser Supraleiter zu erklären. Aus diesem Grund haben Physiker in den letzten Jahren eine Reihe alternativer Modelle zur Erklärung der Hochtemperatur-Supraleitung entwickelt. So gehen einige konventionelle Modelle davon aus, dass die stärkere Wechselwirkung zum Beispiel über die Spinanregungen der Elektronen vermittelt werden.
Ob die Hochtemperatur-Supraleitung tatsächlich auf einem solch unkonventionellen Paarungsmechanismus beruht, versuchen Forscher insbesondere durch optische Untersuchungen dieser Materialien herauszufinden. Denn die Bewegungsenergie der Ladungsträger bestimmt auch ihre Fähigkeit, eingestrahltes Licht zu absorbieren oder zu reflektieren. Exakte Messungen der optischen Eigenschaften dieser Materialien über einen ausreichend großen Energiebereich hinweg, von möglichst niedrigen Energien im fernen Infrarot bis hin zur so genannten Plasmafrequenz der Ladungsträger im sichtbaren Spektralbereich, erlauben es, direkt auf diese kinetische Energie zu schließen. So lassen sich vor allem anomale Änderungen der kinetischen Energie als Funktion der Temperatur nachweisen, wie sie von beschriebenen unkonventionellen Theorien vorhergesagt werden.
Allerdings können die Veränderungen in den optischen Eigenschaften der Hochtemperatur-Supraleiter extrem klein sein. Man braucht deshalb sehr genaue Messungen, die jedoch mit herkömmlichen Methoden, wie der Reflektions- oder Transmissionsmessung, nicht möglich sind. Besser geeignet ist die Ellipsometrie – eine Methode, mit der man nicht nur die Änderung der Intensität des einfallenden und reflektierten Lichtstrahls, sondern auch dessen Phasenverschiebung messen kann. Konkret lässt sich damit beobachten, wie sich der Polarisationszustand linear polarisierten Lichts bei der Reflexion verändert. Im Allgemeinen ist das reflektierte Licht elliptisch polarisiert, daher der Name Ellipsometrie. Im Spektralbereich des sichtbaren Lichts ist diese Methode seit langem etabliert und findet zahlreiche Anwendungen.
Doch um die Änderung der kinetischen Energie der Ladungsträger bestimmen zu können, sind ellipsometrische Messungen in deutlich niedrigeren Energiebereichen bis in den Bereich des fernen Infrarot erforderlich. In diesem Spektralbereich waren präzise ellipsometrische Messungen an den vergleichsweise kleinen Proben der Hochtemperatur-Supraleiter bis vor kurzem nicht möglich. Erst der Forschergruppe um Christian Bernhard am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung ist es in den letzten Jahren gelungen, ein präzises Infrarot-Ellipsometer unter Einsatz einer Synchrotron-Strahlungsquelle zu entwickeln, die auch im Bereich des fernen Infrarot brillante und sehr intensive Strahlung liefert. Ein erstes Infrarot-Ellipsometer haben die Forscher an der National Synchrotron Light Source (NSLS) am Brookhaven National Laboratory aufgebaut und getestet. In den letzten Jahren haben sie dann ein weiter entwickeltes Infrarot-Ellipsometer an der neu geschaffenen Synchrotron-Strahlquelle (ANKA) am Forschungszentrum Karlsruhe in Betrieb genommen.
Die Messungen mit ANKA zeigten nun Alexander Boris vom Stuttgarter Max-Planck-Institut und seinen Kollegen, dass bei der Hochtemperatur-Supraleitung kein unkonventioneller Paarungsmechanismus der Elektronen vorliegt. Die ellipsometrischen Infrarotspektren stehen in klarem Widerspruch zu den Vorhersagen unkonventioneller Modelle der Hochtemperatursupraleitung. Die Messungen belegen vielmehr, dass die kinetische Energie der Ladungsträger im supraleitenden Zustand nicht anormal abgesenkt wird. Ganz im Gegenteil, die Wissenschaftler beobachteten sogar eine geringfügige Erhöhung der kinetischen Energie, wie sie von der klassischen BCS-Theorie vorausgesagt wird. Hierfür verantwortlich ist offenbar die Bindung der Elektronen zu Cooper-Paaren, welche die Beweglichkeit der individuellen Elektronen einschränkt. Im Rahmen der BCS-Theorie wird dieser Nachteil aber durch die anziehende Wechselwirkung mehr als wettgemacht.
Damit scheint also ein neues Puzzlestück für das Verständnis von Hochtemperatur-Supraleitern gefunden zu sein. Bleibt abzuwarten, wann all die Ergebnisse dieser und anderer Arbeiten in einer vollständigen Theorie der Supraleitung münden, die dann auch das Phänomen bei hohen Temperaturen befriedigend erfassen kann.
Die Entdeckung der Hochtemperatur-Supraleitung in einer Kupferoxid-Verbindung durch Johannes Georg Bednorz und Karl Alex Müller im Jahre 1986 erregte deshalb sehr großes Aufsehen. Mittlerweile liegt der Rekord für die Sprungtemperatur in dieser Materialklasse bei immerhin minus 139 Grad Celsius. Diese Temperaturen lässt sich durch Kühlung mit flüssigem Stickstoff (Siedepunkt bei minus 195 Grad Celsius) kostengünstig und mit vergleichsweise geringem technischen Aufwand erreichen. Doch trotz der Erfolge bei der Herstellung und technischen Entwicklung dieser Materialien bleibt der dem Phänomen der Hochtemperatur-Supraleitung zu Grunde liegende Mechanismus weiterhin ungeklärt. Das ist um so erstaunlicher, als für die konventionellen Supraleiter bereits seit 1957 eine sehr detaillierte und erfolgreiche Theorie vorliegt. Dieser BCS-Theorie (Bardeen-Cooper-Schrieffer) zufolge bilden zwei freie Elektronen eines Metalls unterhalb der Sprungtemperatur so genannte Cooper-Paare. Diese Elektronen-Paare haben völlig neue quantenmechanische Eigenschaften und ermöglichen den verlustfreien Stromtransport. Dem liegt ein fundamentales Symmetrieprinzip zugrunde, wonach Teilchen mit halbzahligem Spin, so genannte Fermionen, zu denen die Elektronen gehören, nicht denselben Grundzustand einnehmen können – ganz im Gegensatz zu Teilchen mit ganzzahligem Spin, den Bosonen, denen dies bei tiefen Temperaturen möglich ist.
Die Elektronen in einem Metall können also das für Fermionen gültige Ausschlussprinzip umgehen, indem sie Cooper-Paare bilden, die dann – wie die Bosonen – einen ganzzahligen Spin aufweisen. In der Folge gehen auch sie in einen Zustand über, dessen quantenmechanische Wellenfunktion sich auch über makroskopische Dimensionen erstreckt. In diesem Zustand sind Wechselwirkungen einzelner Elektronen mit statischen oder dynamischen Defekten, die dem elektrischen Widerstand zu Grunde liegen, ausgeschlossen – der Stromtransport erfolgt verlustfrei.
Das Hauptproblem bei der Bildung von Cooper-Paaren besteht nun darin, dass Elektronen eine negative elektrische Ladung besitzen und sich deshalb stark abstoßen. Damit sich Cooper-Paare überhaupt bilden können, ist also eine anziehende Kraft erforderlich, die der elektrostatischen Abstoßung entgegenwirkt. In herkömmlichen Supraleitern basiert diese Kraft auf einer koordinierten Verzerrung der positiv geladenen Atomkerne. Diese Gitterschwingungen, die man auch als Phononen bezeichnet, reduzieren die elektrostatische Abstoßung beziehungsweise heben sie sogar auf. Im Falle der Hochtemperatur-Supraleiter ist jedoch weitgehend erwiesen, dass die anziehende Wirkung auf Grund der Phononen viel zu schwach ist, um die extrem hohe Sprungtemperatur dieser Supraleiter zu erklären. Aus diesem Grund haben Physiker in den letzten Jahren eine Reihe alternativer Modelle zur Erklärung der Hochtemperatur-Supraleitung entwickelt. So gehen einige konventionelle Modelle davon aus, dass die stärkere Wechselwirkung zum Beispiel über die Spinanregungen der Elektronen vermittelt werden.
Daneben bestehen aber auch mehrere unkonventionelle Ansätze, die sich grundlegend von den BCS-artigen Modellen unterscheiden. Der entscheidende Unterschied betrifft den Normalzustand der Ladungsträger oberhalb der Sprungtemperatur. Im BCS-Modell geht man von schwach wechselwirkenden elektronischen Zuständen aus. Die unkonventionellen Modelle nehmen hingegen eine sehr starke Wechselwirkung der Elektronen an, die bereits oberhalb der Sprungtemperatur, also im Normalzustand, gravierende Auswirkungen hat. Danach beeinträchtige diese starke Wechselwirkung die Beweglichkeit der Elektronen – der einzige Ausweg: die Elektronen vermeiden die für sie nachteilige Wechselwirkung, indem sie bereits im Normalzustand Cooper-Paare bilden.
Ob die Hochtemperatur-Supraleitung tatsächlich auf einem solch unkonventionellen Paarungsmechanismus beruht, versuchen Forscher insbesondere durch optische Untersuchungen dieser Materialien herauszufinden. Denn die Bewegungsenergie der Ladungsträger bestimmt auch ihre Fähigkeit, eingestrahltes Licht zu absorbieren oder zu reflektieren. Exakte Messungen der optischen Eigenschaften dieser Materialien über einen ausreichend großen Energiebereich hinweg, von möglichst niedrigen Energien im fernen Infrarot bis hin zur so genannten Plasmafrequenz der Ladungsträger im sichtbaren Spektralbereich, erlauben es, direkt auf diese kinetische Energie zu schließen. So lassen sich vor allem anomale Änderungen der kinetischen Energie als Funktion der Temperatur nachweisen, wie sie von beschriebenen unkonventionellen Theorien vorhergesagt werden.
Allerdings können die Veränderungen in den optischen Eigenschaften der Hochtemperatur-Supraleiter extrem klein sein. Man braucht deshalb sehr genaue Messungen, die jedoch mit herkömmlichen Methoden, wie der Reflektions- oder Transmissionsmessung, nicht möglich sind. Besser geeignet ist die Ellipsometrie – eine Methode, mit der man nicht nur die Änderung der Intensität des einfallenden und reflektierten Lichtstrahls, sondern auch dessen Phasenverschiebung messen kann. Konkret lässt sich damit beobachten, wie sich der Polarisationszustand linear polarisierten Lichts bei der Reflexion verändert. Im Allgemeinen ist das reflektierte Licht elliptisch polarisiert, daher der Name Ellipsometrie. Im Spektralbereich des sichtbaren Lichts ist diese Methode seit langem etabliert und findet zahlreiche Anwendungen.
Doch um die Änderung der kinetischen Energie der Ladungsträger bestimmen zu können, sind ellipsometrische Messungen in deutlich niedrigeren Energiebereichen bis in den Bereich des fernen Infrarot erforderlich. In diesem Spektralbereich waren präzise ellipsometrische Messungen an den vergleichsweise kleinen Proben der Hochtemperatur-Supraleiter bis vor kurzem nicht möglich. Erst der Forschergruppe um Christian Bernhard am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung ist es in den letzten Jahren gelungen, ein präzises Infrarot-Ellipsometer unter Einsatz einer Synchrotron-Strahlungsquelle zu entwickeln, die auch im Bereich des fernen Infrarot brillante und sehr intensive Strahlung liefert. Ein erstes Infrarot-Ellipsometer haben die Forscher an der National Synchrotron Light Source (NSLS) am Brookhaven National Laboratory aufgebaut und getestet. In den letzten Jahren haben sie dann ein weiter entwickeltes Infrarot-Ellipsometer an der neu geschaffenen Synchrotron-Strahlquelle (ANKA) am Forschungszentrum Karlsruhe in Betrieb genommen.
Die Messungen mit ANKA zeigten nun Alexander Boris vom Stuttgarter Max-Planck-Institut und seinen Kollegen, dass bei der Hochtemperatur-Supraleitung kein unkonventioneller Paarungsmechanismus der Elektronen vorliegt. Die ellipsometrischen Infrarotspektren stehen in klarem Widerspruch zu den Vorhersagen unkonventioneller Modelle der Hochtemperatursupraleitung. Die Messungen belegen vielmehr, dass die kinetische Energie der Ladungsträger im supraleitenden Zustand nicht anormal abgesenkt wird. Ganz im Gegenteil, die Wissenschaftler beobachteten sogar eine geringfügige Erhöhung der kinetischen Energie, wie sie von der klassischen BCS-Theorie vorausgesagt wird. Hierfür verantwortlich ist offenbar die Bindung der Elektronen zu Cooper-Paaren, welche die Beweglichkeit der individuellen Elektronen einschränkt. Im Rahmen der BCS-Theorie wird dieser Nachteil aber durch die anziehende Wechselwirkung mehr als wettgemacht.
Damit scheint also ein neues Puzzlestück für das Verständnis von Hochtemperatur-Supraleitern gefunden zu sein. Bleibt abzuwarten, wann all die Ergebnisse dieser und anderer Arbeiten in einer vollständigen Theorie der Supraleitung münden, die dann auch das Phänomen bei hohen Temperaturen befriedigend erfassen kann.
© Max-Planck-Gesellschaft
Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) ist eine vorwiegend von Bund und Ländern finanzierte Einrichtung der Grundlagenforschung. Sie betreibt rund achtzig Max-Planck-Institute.
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