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Kosmologie: Wie kommt es zu einsamen Galaxien?

Manchmal schleudern Gezeiteneffekte Galaxien aus ihrem heimatlichen Haufen in das leere All, wie zwei russische Astronomen feststellten. Sie untersuchten 195 einsame Welteninseln.
Einsame Galaxie

In den großen, leeren Zwischenräumen, welche die Galaxienhaufen umgeben und sich über viele Millionen Lichtjahre erstrecken, finden sich gelegentlich kleine, kompakte Galaxien, die elliptische Formen aufweisen. Sie werden englisch als "compact ellipticals" bezeichnet. Diese Welteninseln sind oftmals mehrere Millionen Lichtjahre vom nächsten Galaxienhaufen entfernt. Aber wie sind sie entstanden, und wie kamen sie dahin, wo man sie heute findet?

Die Entstehung einsamer Galaxien | Die Entstehung einsamer kompakter elliptischer Galaxien in den gewaltigen Leerräumen zwischen den Galaxienhaufen lässt sich durch folgendes Szenario erklären: Im linken Teilbild umkreist der ehemalige Kern einer kleineren Welteninsel eine sehr viel größere und massereichere elliptische Galaxie. Von unter her nähert sich eine dritte, eine Spiralgalaxie. Sie tritt im mittleren Teilbild gravitativ in Wechselwirkung mit der großen elliptischen Galaxie und verformt sich dabei. Im rechten Teilbild wird die kleine kompakte Galaxie durch die Gezeitenkräfte mit hoher Geschwindigkeit aus dem System hinausgeworfen, während sich die Spiralgalaxie stark verformt und dabei ist, sich mit der zentralen Welteninsel zu vereinigen.

Diesen Fragen widmeten sich die beiden russischen Astronomen Igor Chilingarian und Ivan Zolotukhin vom Astronomischen Institut Sternberg der Moskauer Staatsuniversität. Sie nutzten dafür den reichen Datenschatz, der durch das Virtual Observatory Program für jedermann via Internet kostenlos zugänglich ist. In den Archivdaten stießen sie auf 195 bislang unbekannte kompakte elliptische Galaxien. Die meisten von ihnen befinden sich innerhalb von massereichen Galaxienhaufen und Galaxiengruppen. Aber elf von ihnen sind völlig isoliert, und es gibt keine Hinweise auf den Galaxienhaufen, aus dem sie stammen könnten. Dass sie sich in den Leerräumen zwischen den Galaxienhaufen gebildet haben, ist sehr unwahrscheinlich, weil hier die Materiedichte viel zu gering für die Bildung von Gaswolken und Sternen ist.

Die beiden Forscher vermuten, dass es sich bei diesen Welteninseln um die ehemaligen Kernregionen größerer Galaxien handelt, die sich in einem dichten Galaxienhaufen befanden. Dafür simulierten sie im Computer die Bewegungen von Galaxien in massereichen Galaxienhaufen. In den Modellen kommen sich manche Galaxien so nahe, dass durch Gezeiteneffekte die masseärmere Welteninsel ihre äußeren Bereiche wie Spiralarme und Scheibe verliert und nur der ehemalige Kernbereich im Umlauf um die andere Galaxie zurückbleibt. Schließlich nähert sich eine weitere Galaxie an und sorgt durch ihre Gezeitenkräfte dafür, dass der kompakte Kern aus dem System herausgeworfen wird und es mit hoher Geschwindigkeit verlässt. Dabei bleibt die neu hinzugekommene Galaxie zurück und vereinigt sich mit der größeren Welteninsel. Um einen typischen Galaxienhaufen zu verlassen, muss eine Galaxie auf Geschwindigkeiten von mehr als 2500 Kilometern pro Sekunde beschleunigt werden, das heißt, sie legt in einer Stunde rund das 23-Fache der Distanz Erde-Mond zurück.

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