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Muster der Natur: Physik zeichnet Sechsecke in Salzwüsten

Seit Jahrzehnten rätseln Fachleute über die erstaunlich gleichmäßigen Muster an den unwirtlichsten Orten der Erde. Nun gibt es eine plausibel klingende Erklärung – aus der Physik.
Schmale Grate aus Salz teilen die Salzebene des Salar de Uyuni in Bolivien in regelmäßig anmutende Vielecke auf.
Schmale Wülste aus Salz teilen die Salzebene des Salar de Uyuni in Bolivien in regelmäßig anmutende Vielecke auf.

Dicke Schichten aus Salz, die oft über dutzende Kilometer in alle Richtungen den Boden überziehen, machen Salzwüsten zu den lebensfeindlichsten Orten der Erde. Doch nicht nur das: Die Krusten bergen ein seit Jahrzehnten ungelöstes Rätsel. Sie erstrecken sich nämlich keineswegs, wie man meinen könnte, als gleißende, strukturlose Flächen bis an den Horizont. Vielmehr sind sie in ein bis zwei Meter große Vielecke unterteilt, getrennt durch schmale, lang gestreckte Wülste aus Salz. Diese Muster sind überall auf der Welt sehr ähnlich, ob im Iran, in Tunesien oder in Chile – und niemand weiß, warum.

Ein neues Modell, entwickelt von einem Team um Jana Lasser von der TU Graz, soll nun erklären, wie die mysteriösen Muster entstehen. Demnach bilden sich die Vielecke durch aufsteigendes und absinkendes Grundwasser in den porösen Schichten unter der Kruste. Wie das Team in »Physical Review X« berichtet, markieren die Salzwülste Zonen, in denen dichtes salzreiches Grundwasser direkt unter der Kruste wieder absinkt. Dort kristallisiert Salz bevorzugt aus der Lösung, weshalb sich hier hohe Grate bilden. Im Zentrum jedes Vielecks steigt Grundwasser auf und fließt unter der Kruste horizontal nach außen zu den Wülsten.

Ursprung des als Konvektion bezeichneten Auf und Ab ist, dass an der Oberfläche Wasser verdunstet. Dadurch reichert sich Salz in der Lösung unter der Oberfläche an, wodurch sie dichter wird. Nun liegt dichte Lösung über dem leichteren, salzärmeren Grundwasser in der Tiefe; die Schichtung ist instabil. An einigen Stellen beginnt salzreiche Lösung abzusinken, dafür fließt anderswo Grundwasser von unten nach. Entscheidend ist, dass die Konvektion an einem kritischen Wert für die Geschwindigkeiten der Auf- und Abströmungen einsetzt und sich selbst stabilisiert. Wie das Team um Lasser anhand von Computermodellen herausfand, erzeugt die Konvektion an diesem kritischen Wert Strukturen mit rund 1,3 Meter Durchmesser – was etwa der Größe der natürlich entstandenen Vielecke entspricht.

Konvektion ist ein weit verbreitetes Phänomen in Flüssigkeiten mit Dichteunterschieden – zum Beispiel wenn man Öl in einer Pfanne erwärmt. Sie erzeugt aber auch die hunderte Kilometer großen Granulen auf der Sonnenoberfläche. Die Auf- und Abströme organisieren sich dabei in einem typischen Muster, den so genannten Konvektionszellen – in jeder einzelnen von ihnen steigt Flüssigkeit in der Mitte auf, strömt nach außen, trifft dort auf ebenfalls nach außen strömende Flüssigkeit der benachbarten Konvektionszellen und sinkt entlang der Grenze wieder ab.

Demnach markiert jedes Vieleck auf der Oberfläche der Salzkruste eine Konvektionszelle. Dort, wo das Wasser aufsteigt, ist es salzärmer. Während es sich seitlich ausbreitet, verdunstet Wasser, die Lösung wird salzreicher. Das höhere osmotische Potenzial der salzreicheren Lösung erzeugt eine Strömung nach außen, durch die weniger Salz an der Oberfläche abgelagert wird. Erst wenn die Lösung auf die Grenze der benachbarten Konvektionszelle trifft, lässt die Strömung nach, und Salz kann sich absetzen. Dadurch entstehen die Salzrücken lediglich in den schmalen Zonen an den Grenzen der Konvektionszellen.

Anhand von Feldbeobachtungen an den Salzpolygonen des Owens Lake in Kalifornien bestätigte die Arbeitsgruppe einige Vorhersagen des Modells. Es gibt nicht nur die Größe der Polygone korrekt wieder. Messungen zeigen laut der Veröffentlichung auch, dass die Schichtung des Grundwassers tatsächlich instabil ist und die Lösung unter den Salzbrücken salzreicher ist – ganz so, wie es die Hypothese erfordert. Eine Reihe von Fragen müsse allerdings noch geklärt werden, schreibt das Team. So erfasse das Modell etwa nicht die Dynamik der Salzkruste selbst. Außerdem sind die Polygonmuster in Wirklichkeit noch regelhafter, als die Simulationen es abbilden. Es sei daher denkbar, dass sich die Strukturen durch Rückkopplungen oder andere Effekte stabilisieren.

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