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Gärtnern für Insekten: »Schmetterlinge mögen Lichtnelken und Sommerflieder«

Geranien haben Bienen und Schmetterlingen nichts zu bieten. Wie Sie ein dauerhaftes Insektenparadies schaffen, erzählt der Landschaftsarchitekt Claus Heuvemann im Interview.
Ein Zitronenfalter sitzt auf der Blüte einer Lichtnelke (Lychnis coronaria).

Insekten sind wichtig für die Natur: Sie helfen Pflanzen, sich zu vermehren, und bekämpfen Schädlinge. Um ihre Vielfalt zu sichern, lassen sich mit wenigen Handgriffen auf dem Balkon oder im Garten Rückzugsorte schaffen. Welche Blumen machen sich besonders gut? Worauf ist beim Pflanzen zu achten? Eignet sich jeder Balkon oder Garten dafür? Antworten liefert der Landschaftsarchitekt Claus Heuvemann, technischer Leiter des Botanischen Gartens der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg im Interview.

»Spektrum.de:« Welche Blumen sollte ich pflanzen, wenn ich Schmetterlingen etwas Gutes tun möchte?

Claus Heuvemann: Die meisten Schmetterlinge leben nur wenige Tage oder Wochen. Sie brauchen eher Futterpflanzen für ihre Raupen, Brennnesseln zum Beispiel, als hübsche Blüten. Selbst die erwachsenen Tiere fressen bei manchen Nachtfaltern gar nicht – sie haben nicht einmal funktionierende Mundwerkzeuge – oder bloß ein wenig Nektar, der ihnen Energie liefert. Nun möchte so mancher aber statt Raupen lieber bunte Schmetterlinge sehen. Weil Schmetterlinge einen eingerollten Rüssel haben, fliegen sie auf Pflanzen mit langen Röhrenblüten. Viele Arten mögen Lichtnelken (Lychnis), Phlox und Sommerflieder (Buddleja) – die Taubenschwänzchen zum Beispiel. Der Sommerflieder ist allerdings sehr umstritten, auch weil er sich als Neophyt stark ausbreiten kann.

Anders die Nachtfalter …

Ja. Sie werden von hellen, oft duftenden Blumen angezogen. Ein Garten mit Nachtfalterpflanzen, den man abends nutzt, ist sogar für Menschen schön: Es gibt helle, leuchtende Blüten, die nachts einen angenehmen Duft verströmen. Nun mag allerdings nicht jeder das Flattern – geschweige denn Falter, die in Lampen fliegen.

Claus Heuvemann | Der Landschaftsarchitekt ist technischer Leiter des Botanischen Gartens Erlangen der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg. Solche Gärten dienen Wissenschaft und Bildung. Die Betreiber klären mit vielfältigen umweltpädagogischen Angeboten Besucherinnen und Besucher über die Tier- und Pflanzenwelt in Deutschland auf.

Warum stehen Bienen auf etwas anderes – und auf was eigentlich?
Bienen brauchen zwar wie Schmetterlinge Nektar als Treibstoff, doch sie sind zudem stets auf der Suche nach Pollen als Futter für ihren Nachwuchs. Es gibt hoch spezialisierte Arten, die den Pollen von einer ganz bestimmten Pflanze benötigen und alle anderen ignorieren (dieses Verhalten bezeichnet man als oligolektisch). Etwa die stark gefährdete Sandbienenart Andrena nasuta, die auf Pollen der Gemeinen Ochsenzunge (Anchusa officinalis) angewiesen ist.

Außerdem legen die meisten Wildbienen Brutkammern an, für die sie bestimmte Pflanzen sowie Nischen, Höhlen, gar Schneckenhäuser benötigen. Ein Drittel der Bienen brütet in offenen Böden, vor allem in sandigen. So einen Bereich kann man auch einfach mal bewusst absperren. Aus einer schmuddeligen Ecke wird dann ein Bereich, in dem Kinder Wildbienen beim Nestbau beobachten können. Haare bestimmter Pflanzen wiederum dienen als Nistmaterial, mit dem die Brutkammern ausgepolstert werden. Vielfalt im Garten ist deshalb auch für Wildbienen entscheidend. Empfehlenswert ist in diesem Zusammenhang, auf Wiesen zeitversetzt immer nur kleine Flächen zu mähen.

»Die Frage, was wann blüht, ist wichtiger, als ob eine Pflanze heimisch ist oder nicht«
Claus Heuvemann, Landschaftsarchitekt

Lassen sich alle Insektenbedürfnisse auf einmal stillen?

Durch Vielfalt ja. Mit einer Pflanze ist es nie getan. Wichtig ist, dass Sie keine stark gefüllten Blüten nutzen. Für diese werden meist die Staubgefäße in Blüten umgewandelt. Die Blüte wird dadurch noch praller, doch es gibt halt keinen Pollen mehr. Die klassische Geranie – oder besser Pelargonie –, die wir von zahlreichen Balkonen hängen sehen, ist für Insekten deshalb relativ wertlos.

Ich habe keinen Garten, nur einen Balkon. Inwiefern gelten dort andere Regeln für die Bepflanzung?

Grundsätzlich gilt dasselbe wie im Garten. Man sollte auf die Qualität der Erde, die Dauer der Sonneneinstrahlung und gegebenenfalls die Windstärke achten. Der entscheidende Unterschied ist vor allem der Platz. Auf dem Balkon möchte man den gesamten Sommer lang Blüten sehen. Doch die meisten heimischen Pflanzen blühen nur sehr kurz. Wer also auf die Faustregel »Heimische Pflanzen sind besser als Exoten« achten will, hat es da nicht leicht. Jetzt ist aber auch nicht jeder Exot schlimm. Die Mischung macht es halt.

Themenwoche Gärtnern

In Zeiten der Pandemie sind Natur und Garten für viele Menschen zu einem wichtigen Rückzugsort geworden. Warum tun Pflanzen uns gut? Wie kann jeder und jede Einzelne die Umwelt beim Gärtnern schützen? Und welche Trends gibt es derzeit beim Anbau? Antworten auf diese und weitere Fragen liefert »Spektrum.de« in einer Themenwoche. Mit dabei: praktische Tipps für Menschen, die bislang an der Pflanzenpflege verzweifelt sind.

Welche Blumenkombinationen in Beet oder Kasten sind also empfehlenswert?

Empfehlenswert ist vor allem, auf die Blütezeit zu achten. Die Frage, was wann blüht, ist wichtiger, als ob eine Pflanze heimisch ist oder nicht. Gerade früh im Jahr und im Herbst fehlt es Insekten an Nektar und Pollen. Dementsprechend sollten Sie eine Blumenmischung wählen, bei der über mehrere Monate immer etwas blüht. Damit es besonders hübsch aussieht, hilft es zu bedenken, welche Pflanzen hängen, höher oder niedriger stehen.

Zum Beispiel?

Petunien, die Taubenschwänzchen gern mögen, hängen herunter. Dazu etwas, was höher steht, etwa die Prachtkerze (Gaura lindheimeri), die spät und lange blüht und gewissermaßen über den anderen Pflanzen schwebt. Oder das Eisenkraut (Verbena bonariensis). Das hat drahtige Stiele mit Blüten am Ende, die stark von Schmetterlingen angenommen werden. Es ist meist erst im Sommer zu kaufen und hat im Spätsommer beziehungsweise Herbst dann Hochsaison. Auch die spät blühenden Dahlien machen sich in der Mischung gut. Sicher, gefüllte Dahlien sollten Sie meiden. Aber davon abgesehen haben die Pflanzen zu Unrecht einen schlechten Ruf. Die Studentenblume (Tagetes) wächst schnell und eignet sich damit gut für den Spätsommer, wenn erste andere Pflanzen bereits verblüht sind.

Bei vielen Arten lassen sich verblühte Pflanzen durch Verwandte der gleichen Familie ersetzen. In diesen Fällen können Sommerblumen im Balkonkasten ein gleichwertiger und deutlich länger blühender Ersatz sein.

Macht es eigentlich einen Unterschied, ob ich Samen selbst aussäe oder schon vorgezogene Blumen kaufe? Als jemand, der nicht so begabt ist, habe ich bislang lieber zu Letzteren gegriffen …

Wenn ich einen riesigen Garten habe und Pflanzen in Mengen brauche, sind Samen sinnvoll. Aber für den Balkon sollte man sich einfach von Gärtnerinnen und Gärtnern beraten lassen. Es gibt mittlerweile sogar fertig bepflanzte, insektenfreundliche Balkonkästen.

Wie lange dauert es wohl bis zum ersten Insektenbesuch?

Wenige Tage. Bis sich die super Bepflanzung im 8. Stock herumgesprochen hat, womöglich etwas länger. Aber es lässt sich rasch beobachten, dass nach und nach mehr Tiere kommen. Es gibt gute Apps, mit denen Sie die Arten identifizieren und kartieren können. Ich kann nur empfehlen, das zu nutzen, denn so lernen wir – Garten- und Balkonbesitzer ebenso wie Forscher –, welche Tiere wann kommen und was ihnen guttut.

Insekten entdecken per App

Eine empfehlenswerte App ist iNaturalist. Dahinter steht ein soziales Netzwerk von Naturforscherinnen, Bürgerwissenschaftlern und Biologen, das auf dem Konzept basiert, Beobachtungen der biologischen Vielfalt auf der ganzen Welt abzubilden und auszutauschen. »Damit kann auch bei uns im Botanischen Garten jeder Tiere kartieren und melden«, sagt Claus Heuvemann von der FAU Erlangen-Nürnberg. »Sie können dann von Experten bestimmt werden.«

PlantNet und Flora Incognita wiederum sind zwar eher dazu gedacht, Pflanzen zu bestimmen. Doch das ist oft hilfreich, um zwischen insektenfreundlichen und insektenabweisenden Pflanzen zu unterscheiden.

Zudem gibt es den EPS-Melder. Damit lassen sich Eichenprozessionsspinner, die ja auch für Menschen gefährlich sind, melden und besonders befallene Bereich umgehen.

Nun ist es das eine, die Blumen zu pflanzen. Doch es gilt auch, sie zu pflegen. Damit die Pflanzen immer weiter Nektar produzieren, muss man zum Beispiel verwelkte Teile abschneiden. Worauf sollte man noch achten?

Es stimmt, dass ein bestimmter Schnitt neues Wachstum erzeugt. Gerade auf dem Balkon muss ich auch mal was abschneiden, damit sich die Pflanzen links und rechts ebenfalls entwickeln können. Im Garten wiederum ist die Unordnung gefragt. Ein Staudenbeet ist ein sehr guter Überwinterungsplatz für Insekten. Es ist hilfreich, verblühte Samenstände über den Winter stehen zu lassen. Ebenso trockene Triebe, weil Insekten auch darin überwintern oder ihre Brutkammern bauen.

»Das Insektensterben werden wir in unseren Gärten nicht stoppen«
Claus Heuvemann

Lohnt der ganze Aufwand denn? Also ist erwiesen, dass Einzelne mit ihren Gärten zum Wohl von Insekten beitragen können?

Die Antwort ist ein Klares »Ja und Nein«. Die Artenvielfalt ist in Städten mittlerweile oft größer als auf dem Land. Das heißt, ich kann auf meinem Balkon in Berlin mehr Insekten finden als an einem Dorfrand neben großen Maisfeldern. Aber Gärten machen gerade mal rund drei Prozent der Fläche in Deutschland aus – insofern »Nein«. Das Insektensterben werden wir in unseren Gärten nicht stoppen. Das eigentliche Problem ist der Verlust von Lebensräumen und die intensivierte Landwirtschaft mit einem Rückgang der Artenvielfalt. Auch der Klimawandel wirkt sich zunehmend auf die Insekten aus.

Erst recht nicht, wenn Schottergärten weiterhin erlaubt sind. In Baden-Württemberg sind Schottergärten bereits laut Naturschutzgesetz verboten. Ab dem 1. März 2021 soll in Sachsen-Anhalt die Neuanlage verboten werden.

Gut so. Schottergärten sollten bundesweit verboten sein, weil in ihnen nichts wächst. Eine Lage Kunststoffvlies, die meist unter dem Schotter liegt, blockiert jeglichen Austausch, was das Bodenleben komplett zerstört. Die Bewohner mögen nicht so hübsch anzuschauen sein wie Schmetterlinge, aber Regenwürmer oder Asseln sind unfassbar wichtig für die Natur. Sie reichern den Boden mit Luft an und machen ihn fruchtbar.

Was ist Animal-Aided Design?

Um angestammte Tierarten zu schützen oder neu anzusiedeln, hat ein Forscherteam ein Konzept namens »Animal-Aided Design« entwickelt. Die Idee ist, städtebauliche Anforderungen und die Bedürfnisse von Tieren zusammenzuführen. Anders gesagt: Was braucht das Tier, was braucht der Mensch, und wie können beide darauf basierend miteinander leben? Darauf können auch Privatpersonen achten, wenn sie den Tieren in ihrer Umgebung etwas Gutes tun wollen.

Von Biologinnen und Biologen erstellte Artenporträts klären über die Bedürfnisse einzelner Tierarten auf. Es geht um den Lebenszyklus und die Ernährung ebenso wie um Schlafgewohnheiten. Wann balzt und paart sich der Haussperling? Welche Böden bevorzugt die Zauneidechse zur Eiablage? Was sind gute Sommerquartiere für Zwergfledermäuse? Wer die Antworten weiß, kann bei Bauprojekten darauf Rücksicht nehmen.

Weiterführende Informationen finden Sie in der Broschüre Animal-Aided Design (PDF) von Thomas Hauck (Universität Kassel) und Wolfgang Weisser (Technische Universität München).

Welchen Tieren neben Bienen und Schmetterlingen kann ich mit der Gestaltung meines Gartens oder Balkons etwas Gutes tun?

Sehr vielen. Sie könnten ein Insektenhotel bauen, also eine künstlich geschaffene Nist- und Überwinterungshilfe für Insekten. Womöglich gibt es einen Dachüberstand für Mauerseglerkästen, wo sich die Vögel ansiedeln könnten, oder Sie haben Platz für Meisenkästen. Oder Sie wählen Lichtquellen gezielt so aus, dass Nachtfalter durch sie nicht gestört werden. Für Igel wiederum lassen sich Gartenzäune in Absprache mit den Nachbarn durchgängig machen, so dass die von einem Garten in den anderen können.

Auf welche Blüte freuen Sie sich am meisten?

Die Schneeglöckchen (Galanthus). Es sind oft die ersten Blüten im Jahr, und sie ziehen direkt Wildbienen an. Das ist schön zu beobachten. Allerdings sehen wir auch hier die Auswirkungen des Klimawandels: Die Blumen blühen immer früher. Für gewisse Insekten ist das problematisch, weil sie sich an die Veränderungen nicht so schnell anpassen können. Immer öfter verpassen sich Blüte und Insekt. Das macht es umso wichtiger, besser zu verstehen, wer mit uns die Gärten und Balkons teilt.

Fünf Tipps fürs insektenfreundliche Gärtnern

Grundsätzlich gilt: Achten Sie auf unterschiedliche Blühzeiten vom Frühjahr bis in den Herbst, um die Insekten langfristig zu versorgen. Damit es fröhlich summt und brummt, dürfen wir Ihnen noch folgende Tipps geben:


1. Der Heimat treu bleiben
Schneeglöckchen, Krokusse oder Narzissen. Kornblume, Wiesensalbei und Nickendes Leimkraut. Glockenblumen, Immenblatt und Gewöhnliche Nachtviole. Heimische Pflanzen dienen jeder Menge Insekten als Futterplatz, Nistgelegenheit und Winterquartier. Geranien, Stiefmütterchen oder Dahlien hingegen mögen sie nicht so gern. Gleichzeitig gilt: Nicht jede heimische Pflanze ist automatisch gut. Der ein oder andere Exot darf sich ruhig in der Mischung finden.
2. Es einfach halten
Edelrosen mögen für Menschen schick aussehen, Insekten hingegen sind davon nicht so beeindruckt. Denn meist handelt es sich dabei um speziell gezüchtete Hybridpflanzen, die weder Pollen noch Nektar produzieren. Wildrosen – beziehungsweise Wildblumen allgemein – sehen sie deutlich lieber.
3. Auf Pestizide verzichten
Es braucht kein Gift, um Unkraut von Pflanzen fernzuhalten. Jäten, Hacken oder Vertikutieren beispielsweise wirken effektiv gegen unliebsame Kräuter. Auch hilft es, wildkräuterfreien Unterboden zu benutzen oder den Boden zu bedecken. Hier sind mineralische Mulchstoffe sehr wirksam, wie Kies, Sand und Splitt.
4. Einen Kräutergarten anlegen
Ob Pfefferminze, Dill, Thymian, Salbei oder Liebstöckel: Wenn diese im Garten blühen, kommen die Schmetterlinge angeflogen. Ebenfalls praktisch: Sie haben stets frische Kräuter zum Kochen.
5. Gezielt mähen
Mähen ist wichtig für die Artenvielfalt. Doch wer die gesamte Wiese auf einmal mäht, zerstört auf einen Schlag den ganzen Lebensraum von Insekten. Man sollte Teilbereiche zeitversetzt mähen, um die Samen ausreifen zu lassen.

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