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Datenschutz: Wie man sein Kind einer Internet-Firma überschreibt

Skurrile Klauseln in einer Studie zeigen: Niemand liest Datenschutzhinweise und Nutzungsbedingungen. Dafür gibt es mehrere Gründe, unter anderem das Versagen eines global verbreiteten Konzepts.
Kind mit Hemd und Brille sitzt vor einem Monitor und guckt übertrieben erschrocken

Etwa drei Viertel aller Menschen, die einem sozialen Netzwerk beitreten, lesen weder die Nutzungsbedingungen noch das Statement der Website zum Datenschutz – und jene, die es tun, tun nur so. Zu diesem eigentlich wenig überraschenden Ergebnis kommen Jonathan Obar von der York University und Anne Oeldorf-Hirsch von der University of Connecticut in einer Untersuchung an 543 Freiwilligen, die sich für eine angebliche Studie bei dem sozialen Netzwerk "Name Drop" anmelden sollten. Das allerdings hatten Obar und Oeldorf-Hirsch extra für die Studie eingerichtet, um zu testen, wie genau die Versuchspersonen Datenschutzhinweise und Nutzungsbedingungen lesen: Zwei Klauseln in den Dokumenten besagten, dass einerseits der Websitebetreiber jegliche Information mit der inzwischen berüchtigten US-Behörde NSA teilen würde und dass andererseits das fiktive Unternehmen das erstgeborene Kind als Bezahlung für die Nutzung des Internetdienstes erhält.

Wie das Duo berichtet, wählten 74 Prozent der Versuchspersonen die "quick join"-Option, bei der man die Datenschutzerklärung gar nicht erst zu lesen bekam. In der nachträglichen Befragung erhielt diese Möglichkeit, die eigentlich dem eigenen Schutz dienenden Informationen zu umgehen, ausdrückliches Lob. Jene, die das Dokument überhaupt lasen, taten das im Durchschnitt 73 Sekunden – für ein Dokument mit über 7500 Wörtern. Die etwa halb so langen Nutzungsbedingungen lasen die Probanden im Schnitt etwa eine knappe Minute lang. Entsprechend störten sich nur zwei Prozent der Versuchspersonen an der Klausel, laut der sie ein Kind an den Vertragspartner abtreten sollten – und nur ein Proband unter 543 protestierte gegen die Weitergabe seiner Daten an den Geheimdienst.

Genauere Analysen zeigen nach Angaben von Obar und Oeldorf-Hirsch: Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind von der Notwendigkeit, derartige Informationen zu lesen und zu bestätigen, schlicht überfordert und genervt. Besonders selten lesen sie außerdem jene, die sowieso schon viele komplexe Informationen verarbeiten müssen, nicht eben ein seltener Zustand im Internet. Andererseits scheinen die meisten Probandinnen und Probanden den Datenschutz – im Gegensatz zu dem, was die meisten Menschen erzählen, wenn man sie fragt – als relativ unwichtige Formalität zu betrachten, die sie von den Dingen abhält, die sie eigentlich tun wollen – nämlich das soziale Netzwerk nutzen. Das Wissenschaftlerduo sieht die Ergebnisse als weiteres Indiz dafür an, dass das bisherige System zur Information und Mitbestimmung, das in den 1970er Jahren in den USA konzipierte und später global übernommene so genannte "notice and choice privacy framework", grundsätzlich fehlerhaft ist.

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