Direkt zum Inhalt

Kosmisches Rätselraten: Wie mittelschwere Schwarze Löcher entstehen

Bislang gibt es noch keinen Beweis dafür, dass mittelschwere Schwarze Löcher existieren. Computersimulationen zeigen nun, wie sie sich in dichten Sternhaufen bilden könnten.
Ein simluierter Sternhaufen
Mit hochauflösenden Simulationen versuchen Fachleute, die Entstehung von mittelschweren Schwarzen Löchern nachzuvollziehen. Die orangefarbenen und gelben Punkte stellen sonnenähnliche Sterne dar, die blauen Punkte Sterne mit der 20- bis 300-fachen Masse der Sonne. Das große weiße Objekt in der Mitte verkörpert einen Stern mit einer Masse von etwa 350 Sonnenmassen, der in Kürze kollabieren und ein Schwarzes Loch mittlerer Masse bilden wird.

Es gibt stellare Schwarze Löcher, die entstehen, wenn ein massereicher Stern am Ende seines Lebens kollabiert. Sie sind typischerweise so schwer wie Sterne, also zwischen drei und etwa hundert Sonnenmassen. Und es gibt extrem massereiche Schwarze Löcher, die sich in den Zentren von Galaxien befinden und einige Millionen oder sogar Milliarden Sonnenmassen schwer sind. Aber könnte es auch Schwarze Löcher mit einigen hundert bis 100 000 Sonnenmassen geben, so genannte IMBHs (intermediate-mass black holes)? Bislang gibt es noch keinen eindeutigen Beweis für ihre Existenz. Doch die Hinweise verdichten sich. Ein internationales Team unter der Leitung von Manuel Arca Sedda und Albrecht Kamlah vom Max-Planck-Institut für Astronomie zeigt mit Hilfe hochauflösender numerischer Simulationen, dass kleinere IMBHs auf natürliche Weise aus energiereichen Wechselwirkungen zwischen Sternen innerhalb von Sternhaufen entstehen.

»Schwarze Löcher mittlerer Masse sind schwer zu beobachten«, erklärt Manuel Arca Sedda, Physiker am Gran Sasso Institut im italienischen L'Aquila und Hauptautor des Forschungsartikels, der in den »Monthly Notices of the Royal Astronomical Society« veröffentlicht wurde, laut einer Pressemitteilung. »Die derzeitigen Beobachtungsmethoden erlauben es uns nicht, die Gruppe dieser Schwarzen Löcher mit Massen zwischen 1000 und 10 000 Sonnenmassen zu erforschen.« Das liegt vor allem daran, dass sie sich bislang weder mit Teleskopen noch indirekten Techniken aufspüren lassen. Derzeit gibt es die Hoffnung, dass hochsensible Gravitationswellendetektoren eines Tages Hinweise auf die Verschmelzung solcher Objekte liefern könnten.

Schon länger vermuten Astronomen und Astronominnen, dass mittelschwere Schwarze Löcher in dichten Sternhaufen zu finden sind. Mit Hilfe ihrer komplexen Computersimulationen entdeckten die Fachleute nun auch einen möglichen Mechanismus, wie sie in solchen jungen, massereichen Sternhaufen entstehen könnten. Und tatsächlich: Wenn Einzel- und Doppelsternsysteme kollidieren, bilden sich immer massereichere Sterne, die schließlich zu Schwarzen Löchern werden. In diesem Stadium können sie weitere massereiche Sterne und Schwarze Löcher in sich aufnehmen, was zu Schwarzen Löchern von mehreren hundert Sonnenmassen führt.

Die entscheidendste Erkenntnis der Simulationen: Nur eine komplexe Palette verschiedenster Wechselwirkungen und Verschmelzungsereignisse führt zum Ziel. Die Wahrscheinlichkeit, größere Massen als einige hundert Sonnenmassen zu erreichen, hängt jedoch von der Dichte und dem Massereichtum der Umgebung ab. Zu heftige Austauschprozesse können dazu führen, dass die Objekte bereits nach ein paar hundert Millionen Jahren aus dem elterlichen Sternhaufen hinausgeschleudert werden.

Ein wichtiges wissenschaftliches Rätsel ist jedoch noch nicht gelöst: ob solche mittelschweren Schwarzen Löcher das Bindeglied zwischen stellaren und extrem massereichen Schwarzen Löchern darstellen. Die Studie gibt jedoch Raum für einige Spekulationen. »Wir brauchen zwei Zutaten für ein besseres Verständnis«, erklärt Sedda. »Einerseits müssen wir einen oder mehrere Prozesse kennen, die in der Lage sind, IMBHs zu bilden, und andererseits brauchen wir eine Erklärung dafür, was die Objekte in ihrer Umgebung hält.« Die Studie gibt hilfreiche Hinweise für die erste Zutat. Der zweite Aspekt dagegen stellt hohe Anforderungen an künftige Simulationen – es müssen noch mehr Sternhaufen mit deutlich mehr Doppelsternen analysiert und prozessiert werden.

WEITERLESEN MIT »SPEKTRUM +«

Im Abo erhalten Sie exklusiven Zugang zu allen Premiumartikeln von »spektrum.de« sowie »Spektrum - Die Woche« als PDF- und App-Ausgabe. Testen Sie 30 Tage uneingeschränkten Zugang zu »Spektrum+« gratis:

Jetzt testen

(Sie müssen Javascript erlauben, um nach der Anmeldung auf diesen Artikel zugreifen zu können)

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.