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News: Wie Nervenzellen andocken

Unser Gehirn ist ein komplexes Netzwerk miteinander verschalteter Nervenzellen. Erst ganz langsam entwickeln Wissenschaftler eine Vorstellung, wie die Neuronen im Embryo einander finden und den Kontakt herstellen. Ein Team deutscher und amerikanischer Forscher hat jetzt ein Modell aufgestellt, wie zwei Nervenzellen verbunden werden.
Die Informationsübertragung zwischen einer sendenden und einer empfangenden Nervenzelle verläuft an darauf spezialisierten Kontaktstellen, den Synapsen. Diese sind asymmetrisch gestaltet: Der präsynaptische Teil schüttet als Signal Neurotransmitter und andere Moleküle aus, die auf den postsynaptischen Bereich der empfangenden Zelle einwirken.

Im heranwachsenden Embryo sorgen Mechanismen zur Zellerkennung für den Aufbau eines geordneten Netzwerkes von etwa 1012 Nervenzellen, die über einige 1015 Synapsen miteinander verbunden sind. Die außerordentliche Spezifität der synaptischen Verknüpfungen im ausgewachsenen Gehirn wird durch fünf Schritte gewährleistet: Zunächst wandern die unreifen Nervenzellen an ihren endgültigen Platz im Gehirn. Dort bilden sie Zellauswüchse, die Axone genannt werden. Diese wachsen über manchmal recht große Distanzen in jene Regionen, mit denen die Zelle Kontakt aufnehmen soll. Im dritten Schritt sucht das Axon unter den vielen möglichen Kandidaten die richtige Zielzelle aus. Dann wird an der Kontaktstelle zwischen Axon und Zielzelle eine Synapse gebildet. Zu diesem Zweck gibt es spezielle Proteine in den synaptischen Bereichen. Schließlich werden die neuen Synapsen je nach den Anforderungen stabilisiert und verändert.

Bis vor ganz kurzer Zeit erschien der molekulare Mechanismus, der die Bildung von Synapsen im Gehirn regelte, völlig rätselhaft. Vor allem war unbekannt, wie ein Axon sein Partner-Neuron aussucht und wie Synapsen gebildet werden. Zur Klärung der Frage studierten Ji-Ying Song und Nils Brose vom Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin in Göttingen die Eigenschaften des Hirn-spezifischen Adhäsionsproteins Neuroligin 1. In Zusammenarbeit mit Konstantin Ichtchenko und Thomas C. Südhof vom Southwestern Medical Center der University of Texas in Dallas entdeckten sie, daß Neuroligin 1 speziell in den Synapsen vorkommt. Damit ist es das erste bekannte synaptische Zelladhäsionsmolekül (Proceedings of the National Academy of Sciences vom 2. Februar 1999, Abstract).

Die Göttinger Gruppe konnte außerdem nachweisen, daß Neuroligin 1 in der postsynaptischen Membran lokalisiert ist. Der extrazelluläre Anteil des Proteins ragt in den Raum zwischen den beiden Nervenzellen. Dort bindet er an ein anderes Adhäsionsmolekül, ein b-Neurexin. Sowohl Neuroligine als auch Neurexine gehören zu bereits gut untersuchten intrazellulären Kaskaden miteinander wechselwirkender Proteine. Damit liegt es nahe, Neuroligine als Bestandteile der postsynaptischen Signal-Transduktions-Maschinerie zu sehen und b-Neurexine als Komponenten des präsynaptischen Apparates zur Sekretion der Transmitter.

Aufbauend auf ihre Ergebnisse, haben Brose und seine Mitarbeiter ein neues Modell der Synapsenbildung im Gehirn vorgeschlagen. In dessen Zentrum steht die Bildung des transsynaptischen Kontaktes durch Neuroligine und b-Neurexine. Diese Verbindung kommt an den ersten Kontaktstellen zwischen dem präsynaptischen Ende des Axons und seiner Zielzelle zustande. Sobald sie etabliert ist, führen Folgen von Protein-Protein-Interaktionen innerhalb der Zellen zur Produktion der notwendigen Komponenten einer echten Synapse.

Das Modell bietet aber nicht nur einen Mechanismus zur Synapsenbildung, sagt Brose. Darüberhinaus erlaubt die Verbindung von Neuroligin und b-Neurexin die direkte Signalweitergabe zwischen der postsynaptischen Nervenzelle und dem präsynaptischen Apparat für die Transmitterausschüttung. Nach Meinung von Neurophysiologen und Neurobiologen ist ein solcher rückwärtsgewandter Signalweg eine notwendige Voraussetzung für Lernprozesse.

"Unser Modell bietet einen interessanten und einfachen Mechanismus für die rückläufige Signalweitergabe während der lernbedingten Veränderungen des synaptischen Kontaktes", sagt Brose. Die Richtigkeit ihrer Hypothese wollen die Forscher jetzt an Mäusen überprüfen, denen alle Neuroligine fehlen.

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