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News: Wie Phenole aus Pflanzen die Nieren passieren

Die möglichen Wirkungen von biogenen Arzneimitteln, die pflanzliche Phenole enthalten, werden nicht nur aus epidemiologischen Daten abgeleitet. Meistens werden auch Untersuchungen im Reagenzglas durchgeführt, wie Dr. Markus Veit vom Lehrstuhl für Pharmazeutische Biologie der Universität Würzburg erläutert: Bei solchen Versuchen beeinflussen pflanzliche Phenole eine Reihe von Enzymen des Menschen.
„Aus derartigen Enzym-Modellen werden dann häufig in nicht statthafter Weise Wirksamkeiten abgeleitet und pflanzlichen Phenolen eine Reihe von pharmakologischen Wirkungen zugeschrieben, ohne daß Untersuchungen am Menschen durchgeführt wurden“, kritisiert Dr. Veit. Es sei derzeit noch nicht einmal bekannt, ob die getesteten Substanzen nach oraler Aufnahme überhaupt für den Körper verfügbar sind.

Um entsprechende Untersuchungen zum aktiven Prinzip von Arzneipflanzen und daraus hergestellten Arzneimitteln vorzubereiten, hat Dr. Veit eine Pilotstudie durchgeführt. Dabei wurde exemplarisch untersucht, wie bestimmte Phenole (Kaffeesäurekonjugate und Quercetinglykoside) nach oraler Aufnahme über die Nieren ausgeschieden werden. Getestet wurde ein Extrakt aus Schachtelhalmkraut, weil sich dieses sehr gut als Modell eignet: Sein Phenolmuster ist typisch für eine Reihe von Arzneipflanzen, es entspricht aber auch dem wichtiger Nahrungspflanzen wie des Kopfsalats.

An der Studie beteiligten sich neun Männer und zwei Frauen im Alter von 23 bis 37 Jahren. Diese Freiwilligen hielten über einen Zeitraum von neun Tagen eine flavonoidfreie Kost ein. Am vierten Tag wurde der Flavonoidgehalt im Urin als Referenzwert bestimmt, weil die interessierenden Metabolite auch durch den Abbau körpereigener Substanzen entstehen können. An den drei folgenden Tagen tranken die Probanden dann jeweils fünfmal 1,0 Gramm eines standardisierten Schachtelhalmextraktes in Form eines Teeaufgusses. Das war in dieser Zeit die einzige Flavonoidzufuhr. Die sich anschließende zweitägige Wash-out-Phase berücksichtigte den zeitverzögerten Metabolismus.

Dr. Veit: „In keinem Fall konnten Flavonoide unverändert oder in konjugierter Form im Urin nachgewiesen werden, was wir als einen Hinweis auf einen weitgehenden Abbau durch die Mikroflora im Darm deuten.“ Eine endgültige Klärung der Frage, ob Flavonoide oder nur deren im Darm entstehende Metabolite resorbiert werden und somit für eine Wirkung verantwortlich sein können, wäre nur über Blutanalysen zu erreichen. Sie sollen ein wichtiger Bestandteil der anschließenden Arbeiten sein.

Im Rahmen der Studie wurden auch sehr große interindividuelle Schwankungen festgestellt: Die Menge der ausgeschiedenen Metabolite war laut Dr. Veit stark unterschiedlich. Offenbar beeinflußt eine Reihe von Parametern die Aufnahme, Verteilung und Ausscheidung der verabreichten Phenole. Auch solche Parameter wollen die Forscher in weiterführenden Untersuchungen charakterisieren. Die Untersuchungen werden mit Fertigarzneimitteln aus Weißdorn (Blüten, Blätter und Früchte von Crataegus-Arten), Artischocke (Blätter von Cynara scolymus), Goldrute (Kraut von Solidago-Arten) sowie verschiedenen Lebensmitteln durchgeführt.

Schließlich erwähnt Dr. Veit einen ganz anderen, jedoch hochinteressanten Aspekt zur Wirkung der Flavonoide aus Nahrungspflanzen: Unter dem Einfluß erhöhter UV-Strahlung ändert sich das Muster der Blattflavonoide. Dies könnte sich auf die Effekte auswirken, die nach der Aufnahme pflanzlicher Nahrung zu erwarten sind. Dabei betont der Würzburger Wissenschaftler, daß eine höhere UV-Strahlung offenbar zu einem Komponentenspektrum führe, das zumindest bei Reagenzglas-Versuchen pharmakologisch aktiver ist und somit eventuell zu einem besseren Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen beitragen könnte. Dies wäre wohl der erste positive Aspekt, den man der Abnahme des stratosphärischen Ozons und der damit verbundenen Zunahme der UV-Strahlung abgewinnen könnte.

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